Wie das Konklave ablief – Dolan neuer starker Mann? – Eine erste Rekonstruktion gegen falsche Mythenbildungen


Konklave Die Hintergründe Wie lief das Konklave ab?(Rom) Trotz des Schwei­ge­ge­lüb­des, dem die wäh­len­den Kar­di­nä­le, aber auch alle ande­ren in das Kon­kla­ve ein­ge­bun­de­nen Per­so­nen unter­lie­gen, läßt sich durch ver­schie­de­ne Aus­sa­gen lang­sam ein Bild des Wahl­ab­laufs zusam­men­stel­len. Es ist natür­lich ohne Gewähr und vor allem erlaubt es nicht, direk­te Schluß­fol­ge­run­gen für das begon­ne­ne Pon­ti­fi­kat zu ziehen.

Bergoglio keine Option Benedikts XVI.

Anzei­ge

Fest­steht, daß mit Jor­ge Mario Berg­o­glio der ein­zig nen­nens­wer­te Gegen­spie­ler Bene­dikts XVI. im Kon­kla­ve von 2005 gewählt wur­de. Das wirft die Fra­ge auf, ob die Kar­di­nä­le damit einen offe­nen Bruch mit dem am 28. Febru­ar zu Ende gegan­ge­nen Pon­ti­fi­kat her­bei­füh­ren woll­ten. Die Wahl eines Kan­di­da­ten bedeu­tet immer auch eine Rich­tungs­ent­schei­dung. Fest steht auch, daß Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger 2005 natür­lich nicht sich selbst wähl­te, aber eben­so wenig Berg­o­glio. Der Argen­ti­ni­er war für den deut­schen Papst kei­ne Opti­on für die Kathe­dra Petri.

Beson­ders gesprä­chig gibt sich der­zeit der Vor­sit­zen­de der bra­si­lia­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, Ray­mun­do Kar­di­nal Dama­s­ce­no Assis, der Erz­bi­schof von Apa­re­ci­da. Nimmt man Aus­sa­gen ande­rer Kar­di­nä­le, dar­un­ter auch jene von Kar­di­nal Schön­born und Kar­di­nal Kas­per aus dem deut­schen Sprach­raum hin­zu, dann fügen sich die Stein­chen zu einem Mosa­ik zusammen.

Bergoglio der Plan B von Kasper und Sodano

Dem­nach hat die sich zunächst abzeich­nen­de Unter­stüt­zung der Kan­di­da­tur Odi­lo Sche­rers, des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires, die von Bra­si­li­en vor­an­ge­tra­gen wur­de, durch euro­päi­sche und kuria­le Krei­se beim Ein­zug ins Kon­kla­ve schon nicht mehr gegol­ten. Plan B des deut­schen Kuri­en­kar­di­nals Wal­ter Kas­per war Kar­di­nal Berg­o­glio. „Er habe sich die­se Ent­schei­dung von Anfang an gewünscht, sag­te der frü­he­re Prä­si­dent des vati­ka­ni­schen Öku­me­ne-Rates Kath­press gegen­über in Rom.

Eini­ge gewich­ti­ge Kuri­en­ver­tre­ter, Kas­per war wäh­rend des Pon­ti­fi­kats Bene­dikts XVI. des­sen theo­lo­gi­scher Gegen­spie­ler an der Römi­schen Kurie, stimm­ten schon im ersten Wahl­gang für Berg­o­glio. Damit wird der Mythos sofort zer­schla­gen, den nicht nur Medi­en, son­dern auch eini­ge Kar­di­nä­le, dar­un­ter Wiens Erz­bi­schof Schön­born, auf­zu­bau­en ver­su­chen, die Wahl Berg­o­gli­os sei eine Wahl gegen die Römi­sche Kurie gewe­sen. Schön­born wird von der öster­rei­chi­schen Tages­zei­tung Die Pres­se aus­führ­lich im Arti­kel „Nie­der­la­ge der Kurie und der Kon­ser­va­ti­ven“ zitiert. Den Tat­sa­chen ent­spricht das nicht. Eine kon­ser­va­ti­ve Opti­on, wenn man sie so nen­nen will, war Kar­di­nal Sco­la von Mai­land, den – laut dem Vati­ka­ni­sten Pao­lo Roda­ri – Schön­born unterstützte.

Wahl Bergoglios keine Niederlage der Kurie – Falsche Mythenbildung

Kar­di­nal Kas­per und Kar­di­nal Marx spra­chen gegen­über Kath­press von „einem neu­en Anfang“ in Rom. Ein Wort­wahl, die erstaunt. Zunächst wegen der Tri­via­li­tät die­ser heu­te infla­tio­när gebrauch­ten For­mu­lie­rung. Dann aber auch wegen einer ver­steck­ten Distan­zie­rung vom Pon­ti­fi­kat Bene­dikts XVI. Ein „neu­er Anfang“ ist nur not­wen­dig, wenn es vor­her „schlecht“ oder „falsch“ lief. Und schließ­lich schwingt auch hier der Mythos von einer anti-kuria­len Wahl mit, die Berg­o­gli­os Wahl zum Papst mit Sicher­heit nicht war. Hohe Kuri­en­ver­tre­ter, allen vor­an Kar­di­nal­de­kan Ange­lo Sod­a­no, der star­ke Mann unter Johan­nes Paul II. als Kar­di­nal­staats­se­kre­tär, den Bene­dikt XVI. in den Ruhe­stand schick­te, zog in Alli­anz mit Kas­per die Fäden für die Wahl Bergoglios.

Neben dem Argen­ti­ni­er erhiel­ten im Son­die­rungs­wahl­gang am Abend des 12. März auch Sco­la, Ouel­let und Sche­rer Stim­men. Sco­la scheint der Meist­ge­wähl­te gewe­sen zu sein und das bis zum vier­ten Wahl­gang. Berg­o­glio folg­te jeweils an zwei­ter Stel­le. Der Rest ver­teil­te sich mit ver­ein­zel­ten Stim­men auf zahl­rei­che ande­re Kar­di­nä­le. In den vier Wahl­gän­gen des 13. März gelang es, die Stim­men der ande­ren Kar­di­nä­le auf Sco­la oder Berg­o­glio zu len­ken bezie­hungs­wei­se die ande­ren Kan­di­da­ten zum Ver­zicht zu bewe­gen. So geschah es bereits ab dem zwei­ten Wahl­gang mit Sche­rer, dann auch mit  Ouel­let. Die ent­schei­den­de Wen­de erfolg­te zwi­schen dem drit­ten und dem vier­ten Wahl­gang am zwei­ten Wahl­tag. Wäh­rend des Mit­tag­essens gelang den US-ame­ri­ka­ni­schen Kar­di­nä­len und Kar­di­nal Sod­a­no die ent­schei­den­de Auf­merk­sam­keit auf die Wahl eines Latein­ame­ri­ka­ners zu len­ken. Damit konn­te auf­grund des Stim­men­stan­des nach den ersten drei Wahl­gän­gen nur Kar­di­nal Berg­o­glio gemeint sein. Damit zebrach die Grup­pe, die bis dahin die Kan­di­da­tur Sco­las unter­stützt hat­te, dar­un­ter der Vor­sit­zen­de der ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, Ange­lo Kar­di­nal Bag­nas­co, der Erz­bi­schof von Bolo­gna, Kar­di­nal Caf­farra und Wiens Erz­bi­schof, Kar­di­nal Schön­born. Sco­la hat­te in den ersten Wahl­gän­gen wesent­lich weni­ger Stim­men erhal­ten, als sich im Vor­feld abge­zeich­net hat­te, was sei­nen Posi­ti­on, obwohl jeweils Meist­ge­wähl­ter, schwäch­te und sei­nen Durch­bruch ver­hin­der­te. Ent­schei­dend war eine „anti-ita­lie­ni­sche“ Stim­mung unter den Kar­di­nä­len aus den USA, die auch Sco­la traf.

Kasper für Bergoglio, Schönborn und Meisner schwenken ein

Die unter­schied­li­chen Rol­len und Posi­tio­nen der deut­schen Papst­wäh­ler wer­den in den ersten Stel­lung­nah­men erkenn­bar. Kas­per hofier­te im Vor­feld die Opti­on Sche­rer, ging aber mit der Opti­on Berg­o­glio ins Kon­kla­ve und ging mit die­sem als Papst dar­aus her­vor. Ganz anders offen­sicht­lich Kar­di­nal Meis­ner, der im Anschluß sag­te: „Ich glau­be, die mei­sten, die aus dem Kon­kla­ve raus­ge­gan­gen sind, die haben gesagt, das hät­ten wir nicht gedacht.“

Dolan der „neue starke Mann“ der Kirche und Papstmacher?

Die gesam­ten ame­ri­ka­ni­schen Medi­en fei­ern unter­des­sen den Erz­bi­schof von New York, Timo­thy Dolan als „neu­en star­ken Mann“ der Kir­che. Er war als „papa­bi­le“ nach Rom gereist und kam als Erz­bi­schof zurück. Den­noch wur­de er zu Hau­se als gro­ßer Sie­ger begrüßt. Das Wall Street Jour­nal prä­sen­tier­te ihn als den Papst­ma­cher, der sich inner­halb der vati­ka­ni­schen Mau­ern die ent­schei­den­de Posi­ti­on erwor­ben habe.

Sei­ne „Stra­te­gie“ sei minu­ti­ös bis in die letz­ten Details aus­ge­klü­gelt gewe­sen. Vor sei­ner Abrei­se zum Kon­kla­ve habe er sich lau­fend über sei­ne Ver­tre­ter in Rom, die er auch eigens nach Man­hat­tan kom­men ließ, über den Stand der Din­ge, über Alli­anz­bil­dun­gen und Seil­schaf­ten infor­mie­ren lassen.

Erz­bi­schof Dolan konn­te selbst­be­wußt ins Kon­kla­ve ein­tre­ten, weil er ein beacht­li­ches Paket an Stim­men ver­trat. Da er selbst ernst­haft als Anwär­ter auf das Papst­amt galt, hat­te er Gewicht, das er noch erhö­hen konn­te, in dem die ame­ri­ka­ni­schen Kar­di­nä­le selbst einen Schritt zurück mach­ten. Die­ses Stim­men­pa­ket war letzt­lich aus­schlag­ge­bend für die Wahl Berg­o­gli­os. Oder anders gesagt, gegen Dolan hät­te Berg­o­glio nie zum Papst gewählt wer­den kön­nen. Aller­dings schei­nen die ame­ri­ka­ni­schen Medi­en die Rol­le des New Yor­ker Erz­bi­schofs zu über­schät­zen. Mag sein, daß er der „star­ke Mann“ der Zukunft sein wird, aber eben der Zukunft. Die eigent­li­chen Papst­ma­cher sit­zen mit den Kar­di­nä­len Sod­a­no, Re, Kas­per und Hum­mes alle­samt in Rom und zwar mit­ten in der geschol­te­nen Römi­schen Kurie.

Die Camouflage

Der von Medi­en kon­stru­ier­te Gegen­satz Römi­sche Kurie gegen Welt­kir­che, mit ein­deu­ti­ger Rol­len­zu­wei­sung von Gut und Böse ist eine gro­be Ver­ein­fa­chung, die einer Ver­zer­rung gleich­kommt. Dar­an ändert auch nichts, daß die Medi­en von man­chen Kar­di­nä­len in die­ser Ein­schät­zung bestärkt wer­den. In Rom macht mit Blick auf jene, die Berg­o­gli­os Wahl maß­geb­lich betrie­ben haben, das Wort der Camou­fla­ge die Run­de. Die Grün­de für die Wahl Berg­o­gli­os sind in ver­schie­de­nen Kar­di­nals­grup­pen ganz unter­schied­lich. Die Grup­pe der Kuri­en­kar­di­nä­le aber, die die eigent­li­chen Papst­m­scher sind (um Sod­a­no, Kas­per und Hum­mes), und auf die­se bezieht sich die Camou­fla­ge, haben des­sen Wahl auch unter­stützt, weil sie in der Öffent­lich­keit leicht als „rom­fer­ne“, anti-kuria­le Wahl ver­mit­telt wer­den kann, tat­säch­lich aber deren Ein­fluß an der Kurie sichern soll, da Berg­o­glio laut Fran­cis­co de la Cigo­ña sei­ne Erz­diö­ze­se nicht mit star­ker Hand geführt habe.

Was dies alles für die Zukunft der Kir­che bedeu­tet, läßt sich nicht abschät­zen. Von der Rol­le des Hei­li­gen Gei­stes bei der Wahl erst ganz zu schwei­gen. Die Katho­li­ken sind jedem Papst zu  treu­er Gefolg­schaft im Gehor­sam verpflichtet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mes­sa in Latino

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!