Vor dem Konklave – Peter Kardinal Turkson, Präsident des Päpstlichen Rats Iustitia et Pax


Kardinal Peter Turkson aus Ghana, Präsident der Päpstlichen Rats Iustitia et Pax(Rom) Im Vor­feld des Kon­kla­ves ver­öf­fent­li­chen wir die Rede­bei­trä­ge eini­ger Kar­di­nä­le auf der jüng­sten Bischofs­syn­ode, die zum zen­tra­len The­ma Neue­van­ge­li­sie­rung vom 7. bis 28. Okto­ber 2012 in Rom tag­te. Es wer­den die Bei­trä­ge jener Kar­di­nä­le ver­öf­fent­licht, auf die sich in beson­de­rem Maße das Inter­es­se kon­zen­triert. Die Ver­öf­fent­li­chung soll zugäng­lich machen, was füh­ren­de Kir­chen­män­ner zum The­ma Neue­van­ge­li­sie­rung zu sagen haben und einen Ver­gleich zwi­schen die­sen ermög­li­chen. Bereits vor­ge­stellt wur­den Timo­thy Kar­di­nal Dolan, Erz­bi­schof von New York (USA), Geor­ge Kar­di­nal Pell, Erz­bi­schof von Syd­ney (Austra­li­en), Ange­lo Kar­di­nal Sco­la, Erz­bi­schof von Mai­land (Ita­li­en), Marc Kar­di­nal Ouel­let, Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on (Kanada/​Vatikan), Odi­lo Kar­di­nal Sche­rer, Erz­bi­schof von Sao Pau­lo (Bra­si­li­en) und Ray­mond Kar­di­nal Bur­ke, Prä­fekt der Apo­sto­li­schen Signa­tur (USA/​Vatikan).

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Wir set­zen fort mit Peter Kod­wo Appiah Kar­di­nal Turk­son, seit 2009 Prä­si­dent des Päpst­li­chen Rats für Gerech­tig­keit und Frie­den. Kar­di­nal Turk­son wur­de 1948 in der dama­li­gen bri­ti­schen Kron­ko­lo­nie Gold­kü­ste, im heu­ti­gen Gha­na als Sohn einer kin­der­rei­chen Fami­lie mit katho­li­schem Vater und metho­di­sti­scher Mut­ter gebo­ren. Nach dem Phi­lo­so­phie­stu­di­um in Gha­na absol­vier­te er das Theo­lo­gie­stu­di­um in den USA. 1975 wur­de er für die Diö­ze­se Cape Coast in Gha­na zum Prie­ster geweiht und dort inkar­di­niert. Am Päpst­li­chen Bibel­in­sti­tut in Rom erwarb er zunächst das Lizen­ti­at in Bibel­wis­sen­schaf­ten und wur­de 1992 in die­sem Fach pro­mo­viert. In der Zwi­schen­zeit arbei­te­te er als Lehr­be­auf­trag­ter an der Uni­ver­si­tät von Cape Coast und am Prie­ster­se­mi­nar von Any­a­ma in der Ele­fen­bein­kü­ste sowie in der Pfarr­seel­sor­ge, einen Som­mer lang auch als Aus­hilfs­prie­ster in einer Pfar­rei in Baye­risch Schwa­ben. 1992 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. zum Erz­bi­schof von Cape Coast. Von 1997 bis 2002 war er Vor­sit­zen­der der gha­ne­si­schen Bischofs­kon­fe­renz. Seit 2003 ist er zudem Kanz­ler der maß­geb­lich von ihm mit­ge­grün­de­ten Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Gha­na. Am 21. Okto­ber 2003 erhob ihn Johan­nes Paul II. in den Kar­di­nals­stand, als sol­cher nahm er 2005 am Kon­kla­ve teil. 2009 berief ihn Papst Bene­dikt XVI. an die Römi­sche Kurie nach Rom und ernann­te ihn zum Prä­si­den­ten des Päpst­li­chen Rats Ius­ti­tia et Pax. 2011 kri­ti­sier­te Kar­di­nal Turk­son mit dem Doku­ment Towards Reforming the Inter­na­tio­nal Finan­cial and Mone­ta­ry Systems in the Con­text of a Glo­bal Public Aut­ho­ri­ty zur Finanz­kri­se die Welt­bank und for­der­te neue Zins- und Besteue­rungs­kri­te­ri­en. Vor allem kri­ti­sier­te das detail­lier­te Papier eine „Ver­göt­zung des Mark­tes“. Turk­son erklär­te, daß die Tabui­sie­rung der Homo­se­xua­li­tät Schwarz­afri­ka vor dem Skan­dal des Kin­des­miß­brauch geschützt habe. Auf der Bischofs­syn­ode zur För­de­rung der Neue­van­ge­lie­rung zeig­te der Kar­di­nal der ver­sam­mel­ten Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on einen Film über die Aus­brei­tung des Islam in Euro­pa, der für Auf­se­hen sorg­te. Kar­di­nal Turk­son spricht neben sei­ner Mut­ter­spra­che Fan­te Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Deutsch, Ita­lie­nisch, Spa­nisch und Hebrä­isch sowie die klas­si­schen Spra­chen Latein und Griechisch.

Sei­ne Rede hielt Kar­di­nal Turk­son am 13. Okto­ber 2012 im Rah­men der neun­ten Generalkongregation.

Als Frucht des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils schließt sich der Päpst­li­che Rat für Gerech­tig­keit und Frie­den in die­ser für die gan­ze Kir­che und für ihre Sen­dung so bedeut­sa­men Zeit, »die Gerech­tig­keit und Lie­be Chri­sti den Armen in aller Welt zuteil wer­den zu las­sen …, die Gemein­schaft der Katho­li­ken immer wie­der anzu­re­gen, den Auf­stieg der not­lei­den­den Gebie­te und die sozia­le Gerech­tig­keit unter den Völ­kern zu för­dern«, mit Begei­ste­rung dem»Prozeß der Wie­der­be­le­bung der grund­le­gen­den Sen­dung der Kirche«an, das heißt der Neuevangelisierung.
Das Instru­men­tum Labo­ris die­ser XIII. Ordent­li­chen Gene­ral­ver­samm­lung hebt näm­lich unter der Nr. 130 unter Bezug­nah­me auf die Leh­ren von Papst Paul VI. und Papst Bene­dikt XVI. her­vor, »daß die Evan­ge­li­sie­rung nicht voll­kom­men [wäre,] wenn sie nicht dem Umstand Rech­nung tra­gen wür­de, daß sich im Lauf der Zeit das Evan­ge­li­um und das kon­kre­te, per­sön­li­che und gemein­schaft­li­che Leben des Men­schen gegen­sei­tig for­dern. […] Das Zeug­nis für die Lie­be Chri­sti durch Wer­ke der Gerech­tig­keit, des Frie­dens und der Ent­wick­lung gehört zur Evan­ge­li­sie­rung, denn dem uns in Lie­be zuge­wand­ten Jesus Chri­stus liegt der gan­ze Mensch am Her­zen. Auf die­se wich­ti­gen Leh­ren grün­det sich der mis­sio­na­ri­sche Aspekt der Sozi­al­leh­re der Kir­che als wesent­li­ches Ele­ment der Evan­ge­li­sie­rung. Die Sozi­al­leh­re der Kir­che ist Glau­bens­ver­kün­di­gung und Glau­bens­zeug­nis. Sie ist Instru­ment und unver­zicht­ba­rer Ort der Erzie­hung zum Glau­ben«. Aus der tief­grei­fen­den pasto­ra­len Erfah­rung des sel. Johan­nes Paul II. als Erz­bi­schof von Kra­kau und aus sei­nem Petrus­dienst ist außer­dem die nach­hal­tig­ste Defi­ni­ti­on der Sozi­al­leh­re der Kir­che her­vor­ge­gan­gen: ein »Mit­tel der Evangelisierung«.
Der ursprüng­li­che Beweg­grund der Evan­ge­li­sie­rung ist die Lie­be Chri­sti für das ewi­ge Heil der Men­schen; und die Ver­kün­di­gung Jesu Chri­sti ist der wich­tig­ste Entwicklungsfaktor.
Wenn die Erneue­rung eine blei­ben­de Not­wen­dig­keit der Evan­ge­li­sie­rung ist – gilt das um so mehr für die Evan­ge­li­sie­rung der sozia­len Wer­ke, da ihre Stra­te­gien die Ver­än­de­run­gen der Gesell­schaft beglei­ten müs­sen –, so ist sie zwei­fel­los beson­ders drin­gend in die­ser Stun­de, in der wir an einem Wen­de­punkt der Geschich­te ste­hen, an dem die sozia­le Fra­ge radi­kal zur anthro­po­lo­gi­schen Fra­ge gewor­den ist, anthro­po­lo­gi­sche Fra­ge, die zwin­gend die Fra­ge nach Gott mit sich bringt. Wenn Gott nicht aus­drück­lich abge­lehnt wird, so ist man doch geneigt, die Öff­nung des Men­schen zur Tran­szen­denz für bedeu­tungs­los zu halten.
In Anbe­tracht die­ses Augen­blicks der Geschich­te ist eine Neue­van­ge­li­sie­rung auch des Sozi­al­we­sens drin­gend not­wen­dig – nicht nur, weil sie inte­grie­ren­der Teil der Neue­van­ge­li­sie­rung selbst ist, son­dern auch, weil sie ein wirk­sa­mes Mit­tel zu ihrer Durch­füh­rung ist. Denn vie­le Men­schen sind heu­te in immer grö­ße­rem Maße auf­ge­schlos­sen für Fra­gen der Men­schen­rech­te, der Gerech­tig­keit, der Öko­lo­gie, der Bekämp­fung der Armut und für The­men, die das kon­kre­te Leben der Men­schen und das gemein­sa­me Leben der Natio­nen betref­fen; und gera­de des­halb kann das “Sozia­le“ Zugangs­tor zur Evan­ge­li­sie­rung sein.
Es geht also dar­um, neue Stra­te­gien zu fin­den. Hier eini­ge Vorschläge:
Behar­ren auf einer ange­mes­se­nen Aus­bil­dung, mit beson­de­rem Augen­merk auf das Stu­di­um der Sozi­al­leh­re der Kir­che in den Prie­ster­se­mi­na­ren, den ver­schie­de­nen Bil­dungs­häu­sern und den Pfarreien.
Die Mög­lich­kei­ten, die vom öku­me­ni­schen und inter­re­li­giö­sen Dia­log gebo­ten wer­den, nicht vernachlässigen.
Auf der Ebe­ne der apo­lo­ge­ti­schen Hal­tung, von der unter der Nr. 138 des Instru­men­tum Labo­ris die Rede ist, wäre es ange­bracht, die gro­ße Tra­di­ti­on der »sozia­len Hei­lig­keit« bes­ser zur Kennt­nis zu brin­gen. Eini­ge Bei­spie­le: die Prie­ster Arc­an­ge­lo Tar­di­ni und José Maria Ariz­men­dar­rie­ta (Sozi­al­pa­sto­ral), der sel. Giu­sep­pe Tonio­lo (im Bereich der Arbeit), Robert Schu­man, Alci­de De Gas­pe­ri und Juli­us Nye­re­re (im Bereich der Politik).
Auf apo­lo­ge­ti­scher Ebe­ne ist auch das inspi­rie­rend, was der sel. Johan­nes XXIII. in der Enzy­kli­ka Mater et Magi­stra gesagt hat: “Alle Sozi­al­leh­ren müs­sen jedoch nicht nur vor­ge­tra­gen, sie müs­sen auch ver­wirk­licht werden“.
Um abschlie­ßend noch ein­mal die Bedeu­tung der Neue­van­ge­li­sie­rung des Sozi­al­we­sens her­vor­zu­he­ben: wäre es nicht denk­bar, auf der Web­site des Vati­kans unter der Rubrik »grund­le­gen­de Tex­te« außer dem Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che auch das Kom­pen­di­um der Sozi­al­leh­re der Kir­che erschei­nen zu las­sen? Und wäre es nicht auch denk­bar, dem The­ma der (neu­en) Evan­ge­li­sie­rung des Sozi­al­we­sens eine eige­ne Syn­oden­ver­samm­lung zu widmen?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Una Fides

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