Konklave als Richtungsentscheidung – 1963: Progressive beschließen Kandidatur Montinis


Konklave 1963 Montini gegen Siri(Rom) Jede Papst­wahl ist eine Rich­tungs­ent­schei­dung, denn jedes Kir­chen­ober­haupt hat beson­de­re Cha­ris­men und Sen­si­bi­li­tä­ten. Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger arbei­te­te eng mit Papst Johan­nes Paul II. zusam­men. Man­che sahen das Pon­ti­fi­kat des pol­ni­schen Pap­stes nur im Duo. Die Rol­le und Stel­lung des Glau­bens­prä­fek­ten und Kar­di­nal­de­kans Ratz­in­ger spiel­te bei sei­ner Wahl zum Papst eine ent­schei­den­de Rol­le. Die Kon­ti­nui­tät war gewünscht. Den­noch wird nie­mand am Ende der Regie­rungs­zeit Bene­dikts XVI. behaup­ten, sein Pon­ti­fi­kat sei eine blo­ße Fort­set­zung des Vor­gän­ger­pon­ti­fi­kats gewe­sen. Zu unter­schied­lich waren die Akzent­set­zun­gen, zu deut­lich trat die Kir­che im Früh­jahr 2005 in eine neue Pha­se des Wie­der­auf­baus nach den Ver­wü­stun­gen vor 1978. Auch ein soli­de errich­te­tes Gebäu­de läßt sich leicht nie­der­rei­ßen, wäh­rend sein Wie­der­auf­bau wesent­lich mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Jede Papstwahl eine Akzentverschiebung, manche ein Richtungswechsel

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Bedeu­tet also jede Papst­wahl eine Akzent­ver­schie­bung, ent­spre­chen man­che einer grund­le­gen­den Rich­tungs­ent­schei­dung. Eine Beur­tei­lung, die sich in der Retro­spek­ti­ve natür­lich viel deut­li­cher erken­nen läßt. Eine sol­che Rich­tungs­ent­schei­dung war das Kon­ka­ve von 1963. Mit­ten im von ihm ein­be­ru­fe­nen Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil war Papst Johan­nes XXIII. nach einem nur fünf­jäh­ri­gen Pon­ti­fi­kat ver­stor­ben. Die Wahl sei­nes Nach­fol­gers muß­te auch ent­schei­den­den Ein­fluß auf den wei­te­ren Ver­lauf des Kon­zils haben. Die kon­ser­va­ti­ven Kräf­te, die sich in ihrer Sicht­wei­se der Welt wesent­lich rea­li­sti­scher erwei­sen soll­ten, hat­ten erst spät ver­stan­den, daß pro­gres­si­ve Grup­pen sich früh­zei­tig orga­ni­siert hat­ten, um die Kon­trol­le über das Kon­zil zu über­neh­men. Als Johan­nes XXIII. starb, war der Kon­flikt zwi­schen Kon­ser­va­ti­ven und Pro­gres­si­ven, die einen gera­de­zu nai­ven Troß hin­ter sich wuß­ten, in vol­lem Gan­ge. Aller­dings waren auch die Gewich­tun­gen zwi­schen den bei­den Lagern längst verteilt.

1963 Kampf zwischen Progressiven und Konservativen mitten im Konzil

Am 19. Juni 1963 begann das Kon­kla­ve. 80 Kar­di­nä­le wur­den in der Six­ti­ni­schen Kapel­le ein­ge­schlos­sen. Das war die bis dahin größ­te Zahl an Papst­wäh­lern in der Kir­chen­ge­schich­te. Als Favo­rit trat Gio­van Bat­ti­sta Mon­ti­ni, der Erz­bi­schof von Mai­land, in das Kon­kla­ve ein und ging als Papst Paul VI. dar­aus hervor.

Am 18. Juni 1963 hat­ten sich die füh­ren­den pro­gres­si­ven Kar­di­nä­le getrof­fen. Sie waren die dyna­mi­sche­re und vor allem die ent­schlos­se­ne­re Grup­pe. Vor allem woll­ten sie auch im Kon­kla­ve nichts dem Zufall über­las­sen. Zum Tref­fen hat­te Cle­men­te Kar­di­nal Mica­ra ein­ge­la­den. Der Römer stand lan­ge im Diplo­ma­ti­schen Dienst des Vati­kans, wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs als Nun­ti­us in Bel­gi­en und Luxem­burg. 1946 erhob ihn Papst Pius XII. den Cel­li­sten und Freund Gia­co­mo Puc­ci­nis in den Kar­di­nals­stand und mach­te ihn 1951 zum Kar­di­nal­vi­kar, und damit zu sei­nem Stell­ver­tre­ter für die Diö­ze­se Rom. Kar­di­nal Mica­ra ver­band eine lan­ge Freund­schaft mit Kar­di­nal Mon­ti­ni. Bei die­sem Tref­fen fiel die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung der Pro­gres­si­ven, Mon­ti­ni als ihren Kan­di­da­ten zu unterstützen.

Montini gegen Siri – Die Stimmung war zugunsten der Progressiven

Für sei­ne Wahl waren min­de­stens 54 Stim­men not­wen­dig. Da alles, was das Kon­kla­ve betrifft, unter die Ver­schwie­gen­heits­pflicht fällt, kann das Kon­kla­ve nur anhand von ver­schie­de­nen Ele­men­ten mit Vor­be­hal­ten rekon­stru­iert wer­den. Die­sen Mosa­ik­stei­nen zufol­ge stieß die Kan­di­da­tur Mon­ti­nis auf den ent­schie­de­nen Wider­stand von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Alfre­do Otta­via­ni und Giu­sep­pe Kar­di­nal Siri, den Erz­bi­schof von Genua, dem ent­schei­den­den Kopf der Konservativen.

In den ersten Wahl­gän­gen zeich­ne­ten sich die Mehr­heits­ver­hält­nis­se ab. Kei­ne der bei­den Grup­pen war stark genug, auf ihren Kan­di­da­ten eine Zweit-Drit­tel-Mehr­heit zu ver­ei­nen. Am Abend des zwei­ten Kon­kla­veta­ges soll sich Gustavo Kar­di­nal Testa, der wie Kar­di­nal Mica­ra lan­ge dem Diplo­ma­ti­schen Corps des Hei­li­gen Stuhls ange­hör­te und damals Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Ost­kir­chen war, den Kar­di­nä­len Car­lo Con­fa­lo­nie­ri und Alber­to di Jor­io genä­hert und sie mit laut hör­ba­rer Stim­me auf­ge­for­dert haben, der Patt­stel­lung ein Ende zu berei­ten. Bei­de Kuri­en­kar­di­nä­le waren von Johan­nes XXIII. in den Kar­di­nals­rang erho­ben worden.

Am Mor­gen des drit­ten Kon­kla­veta­ges erreich­te Kar­di­nal Mon­ti­ni im sech­sten Wahl­gang 57 Stim­men und damit die nöti­ge Zwei-Drit­tel-Mehr­heit. Kar­di­nal Siri, der Kan­di­dat der Gegen­sei­te, galt der Mehr­heit der Kar­di­nä­le als zu kon­ser­va­tiv, um das mit­ten in sei­nen Arbei­ten ste­hen­de Kon­zil abzu­schlie­ßen. Vor allem ging der „Enthu­si­as­mus“ (Bene­dikt XVI. über die Stim­mung im pro­gres­si­ven Lager über das Kon­zil, mit dem wei­te­re Tei­le der Kir­che ange­steckt wur­den) in eine ganz ande­re Rich­tung als sie Siri ver­kör­per­te, in Rich­tung Kol­le­gia­li­tät, Zurück­drän­gung der Römi­schen Kurie, Ver­stän­di­gung statt Gegen­po­si­ti­on zum Kommunismus.

Konservative seit 1959 in der Defensive – Das einsame Ende des Pontifikats Pauls VI.

Die Kon­ser­va­ti­ven befan­den sich seit der Ankün­di­gung des Kon­zils durch Johan­nes XXIII. in der Defen­si­ve. Die Stim­mung war ein­deu­tig zugun­sten der Pro­gres­si­ven, die die Gunst der Stun­de zu nüt­zen wuß­ten. Der Vati­ka­nist Ben­ny Lai schrieb dazu: „Nur ein klug gewähl­ter Kom­pro­miß­kan­di­dat hät­te die Nie­der­la­ge der Kon­ser­va­ti­ven ver­hin­dern kön­nen. Zu sol­chen Über­le­gun­gen waren sie aber nicht fähig.“

Kar­di­nal Mon­ti­ni war in einer Zeit, in der selbst­ver­ständ­lich davon aus­ge­gan­gen wur­de, daß nur ein Ita­lie­ner Papst wer­den kann, der ein­fluß­reich­ste und gleich­zei­tig aus­sichts­reich­ste Kan­di­dat des pro­gres­si­ven Lagers. Obwohl ihn mehr als 70 Pro­zent der Kar­di­nä­le im Kon­kla­ve gewählt hat­ten, sah sich Papst Paul VI. im Lau­fe sei­ner Amts­zeit von sei­nen Unter­stüt­zern immer mehr allei­ne gelas­sen. Nicht als Kon­ser­va­ti­ver, aber auch nicht mehr als Pro­gres­si­ver been­de­te Paul VI. ein ein­sa­mes Pontifikat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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