Liebe Brüder und Schwestern!
In der Reihe der Katechesen über das Glaubensbekenntnis im Jahr des Glaubens möchte ich heute über Gott als den »Schöpfer des Himmels und der Erde« sprechen. Der Hebräerbrief sagt: »Aufgrund des Glaubens erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden ist…« (11,3). Der glaubende Mensch kann sozusagen in der Natur die Handschrift Gottes lesen, aber er braucht doch die Offenbarung, das Wort Gottes, um die Eigenart des Schöpfers und Vaters recht zu verstehen. Der Schöpfungsbericht, mit dem das Buch Genesis, die Heilige Schrift überhaupt, beginnt, sagt uns: Alles, was Gott schafft, ist durchtränkt von seiner Weisheit und Güte und ist gut. Frage: Kann man heute angesichts der Naturwissenschaft eigentlich noch von Schöpfung reden? Natürlich ist die Bibel kein Lehrbuch der Naturwissenschaft. Das ist nicht ihr Sinn. Sie geht in eine tiefere Dimension. Sie fragt uns nach dem, worauf Welt, Sein, unsere Existenz beruht, was eigentlich die Wahrheit und Wirklichkeit unseres Lebens ist, und sagt uns, daß die Wirklichkeit nicht durch Zufall und Notwendigkeit zustande kam, nicht durch das Irrationale und Unfreie, sondern durch eine Vernunft und Freiheit, daß nicht das Irrationale, das Unfreie, das Unvernünftige der Ursprung und der letzte Grund aller Dinge ist, sondern eine Freiheit, die gut ist, eine Freiheit, die Erkenntnis und Vernunft ist und die Liebe ist. Das ist die eigentliche Aussage, die uns die Schöpfungsberichte machen und die damit überhaupt die Dimension eröffnen, in der wir denken und handeln können. Die Welt hat eine Ordnung, die aus dem Geist des Schöpfers hervorgeht. Und es gibt ein Geschöpf, das diesen Geist abbildlich empfangen hat: der Mensch. Der Mensch ist nicht allein. Er kann nur mit anderen, in Beziehung leben. Ich bin nur in Beziehung und nur vom anderen her und durch den anderen, ohne ihn gäbe es mich nicht. Diese Bezogenheit auf den anderen ist keine Einschränkung, keine Abhängigkeit, wenn sie aus Liebe geschieht. Liebe ist eine schöpferische Macht, die den anderen nicht verengt, sondern bereichert und sein Leben mit Sinn erfüllt. Nun sagt uns die Schrift: Die ganze Schöpfung Gottes ist gut. Wir fragen uns: Woher kommt dann all das Ungute, das wir in ihr erleben? Dazu sagt uns die Schrift: Gott hat den Mut gehabt, das Wagnis, Freiheit zu schaffen, und er respektiert sie. Der Mensch ist der Versuchung verfallen, Gott nicht mehr als Garanten seiner Freiheit anzusehen, sondern als Einschränkung seiner Freiheit, ihn wegzustoßen, um selber nur noch ganz er selbst zu sein. Und so hat er die Grundbeziehung, auf der all unser Sein beruht, gestört. Und da wir Beziehung sind, ist Störung der Beziehung Störung des Seins, und das Dunkel des Bösen tritt in die gute Welt herein, die doch nicht aufhört, gut zu bleiben. Mit der Erbsünde ist eben dieses gemeint, daß die ganze Menschheit sich von Anfang an in dieser Beziehungsstörung bewegt, die wir nicht selbst aufheben können. Gott mußte hereinkommen, die Beziehung wieder herstellen und hat es in Christus getan. Und so ist die Beziehung zu ihm die Erneuerung unseres Seins und die Verwirklichung unserer Berufung. So verweist Schöpfung auf Erlösung, das schöpferische Wort Gottes auf die schöpferische Liebe Jesu Christi und ruft uns, dazu ja zu sagen.
Ganz herzlich grüße ich alle Brüder und Schwestern deutscher Sprache, heute besonders die Gruppe der Seminare von Eisenstadt, Wien und St. Pölten mit Weihbischof Anton Leichtfried. Ich freue mich, daß Sie da sind! Lassen wir uns im Wort Gottes und in den Sakramenten immer neu von der Liebe Christi einholen, mit der er uns in die Gemeinschaft mit dem Schöpfer und mit dem Nächsten zurückführen will. Der Herr schenke euch inneres Wachstum und sein Geleit auf allen euren Wegen. Danke.
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