(Ankara) Die Islamisierung der Türkei durch symbolische Eingriffe geht weiter. Im türkischen Parlament hat die Debatte über einen Vorschlag begonnen, mit dem die Hagia Sophia in Istanbul, dem alten Konstantinopel, in eine Moschee umgewandelt werden soll. Der Vorschlag geht auf eine Petition von Talip Bozkurt zurück, einem Bürger von Kahramanmaras in Anatolien. Die Hagia Sophia, die größte und prächtigste Basilika des Ostens war 916 Jahre lang als Kirche genützt worden, ehe sie 1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken entweiht und in eine Moschee umgewandelt worden. Der typisch christliche Baustil der Kirche ist noch heute unverändert sichtbar. Allerdings wurde die Kirche um vier Minarette ergänzt und das Kreuz auf der Hauptkuppel durch einen Halbmond ersetzt, um die islamische Inbesitznahme zu verdeutlichen.
Seit 1935, seit der nationaltürkischen Regierung Kemal Atatürks, ist sie weder Kirche noch Moschee, sondern ein Museum. Sie zählt heute zu den meistbesuchten Museen der Welt. Die in ihrer heutigen Form im 6. Jahrhundert errichtete ehemalige Kirche ist ein Magnet für kunst- und kulturinteressierte Menschen.
Der zuständige Petitionsausschuß des türkischen Parlaments nahm die Petition an und forderte verschiedene Organisationen und Institutionen zu einer Stellungnahme auf. Verschiedene moslemische Organisationen, vor allem aus Anatolien, sprachen sich dabei für die Umwandlung in eine Moschee aus. Eine anatolisch-moslemische Jugendorganisation betreibt eine Kampagne dafür.
Der Antrag war eingebracht worden, nachdem die türkische Regierung unter Ministerpräsident Recep Erdogan 2011 beschlossen hatte, aus einer anderen einst christlichen Kirche, aus der Hagia Sophia von Nizäa, die ebenfalls unter osmanischer Herrschaft in eine Moschee und unter Atatürk in ein Museum umgewandelt worden war, wieder eine Moschee zu machen. In der mehr als 1700 Jahre alten Basilika von Nizäa fand 787 das Zweite Konzil von Nizäa statt, auf dem die Christenheit von West und Ost ein letztes Mal vereint war. Von 1331 bis 1920 war die Kirche nach der Eroberung durch die Rum Seldschuken als Moschee genützt worden. Der stellvertretende Ministerpräsident der Türkei, Bülent Arinc erklärt zur Umwandlung der nizäischen Hagia Sophia in eine Moschee: „Mit diesem Akt haben wir uns die Anerkennung unserer Ahnen zurückgewonnen. Die Kirche Hagia Sophia von Iznik ist Beute unserer Eroberung und als solche haben wir ein Recht auf sie. Eine Kirche kann in eine Moschee umgewandelt werden.“
Bülent Arinc war auch Erdogans Mann fürs Grobe, als im Sommer 2012 in Trapezunt eine weitere berühmte Kirche gleichen Namens am Schwarzen Meer wieder in eine Moschee umgewandelt wurde, nachdem sie zuvor das gleiche Schicksal der beiden anderen Basiliken erlitten hatte und zuletzt als Museum genützt worden war. Die Trapezunter Hagia Sophia, die sich ausdrücklich am berühmten Vorbild von Konstantinopel ausrichtete, wurde in ihrer heutigen Gestalt im 13. Jahrhundert errichtet. Sie gelangte als letzte der drei Kirchen unter türkische Herrschaft. 1511 erfolgte ihre Profanierung und Umwandlung in eine Moschee. Ab 1916 wurden auch die Christen am Schwarzen Meer Opfer des antichristlichen Genozids, der sich gleichsam gegen die christlichen Armenier wie gegen die Georgier und Griechen richtete.
„Die türkische Regierung macht im Dialog mit den Minderheiten einen Schritt vorwärts und einen Schritt rückwärts“, kommentiert der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. 2012 die schwierige Lage der Christen in der Türkei.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Infocatolica