Tschechien erstattet 56 Prozent des enteigneten Kirchenbesitzes zurück


(Prag) Das tsche­chi­sche Par­la­ment hat in der ver­gan­ge­nen Nacht beschlos­sen, den vom kom­mu­ni­sti­schen Regime ab 1948 ent­eig­ne­ten Kir­chen­be­sitz zu ver­gü­ten. Der von den Kom­mu­ni­sten geraub­te Besitz beläuft sich nach nie­de­ren Schät­zun­gen, auf die man sich einig­te, auf fünf Mil­li­ar­den Euro.

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Die Scha­dens­er­satz­zah­lun­gen wur­den gegen den hef­ti­gen Wider­stand der lin­ken Oppo­si­ti­on und gegen das Veto des Senats vom ver­gan­ge­nen August beschlos­sen, das über­stimmt wur­de. Das Gesetz sieht nicht die voll­stän­di­ge Rück­ga­be vor, son­dern in einem Wert von 56 Pro­zent oder 2,95 Mil­li­ar­den Euro.

Der Staat ver­pflich­tet sich zudem, den 17 offi­zi­ell aner­kann­ten Kir­chen den Rest in den näch­sten 30 Jah­ren als finan­zi­el­le Ent­schä­di­gung zu bezah­len. Das kom­mu­ni­sti­sche Regime, das von 1948 bis 1989 herrsch­te, betrach­te­te die Kir­chen als „Volks­fein­de“. Davon sind star­ke Ele­men­te nach wie vor in der Kri­tik der lin­ken Oppo­si­ti­on an der Ent­schä­di­gung zu spü­ren, die den Raub des Eigen­tum ande­rer durch den Staat nicht als Unrecht und eines Rechts­staats unwür­dig aner­ken­nen wolle.

Die Kir­chen, an erster Stel­le die römisch-katho­li­sche Kir­che, wur­den radi­kal ver­folgt und Hun­der­te von Prie­stern ver­haf­tet. Seel­sorg­li­ches Wir­ken war ihnen nur im Unter­grund erlaubt. Prie­ster­aus­bil­dung und Neu­wei­hen konn­ten eben­falls nur in der Klan­de­st­in­i­tät erfol­gen. Das Regime akzep­tier­te nur kol­la­bo­ra­ti­ons­be­rei­te Prie­ster, die es in der regi­me­hö­ri­gen Ver­ei­ni­gung Pacem in ter­ris sam­mel­te. Sie dien­te der Kon­trol­le und der Spal­tung der katho­li­schen Kirche.

Der Kon­flikt um die Rück­ga­be des ent­eig­ne­ten Eigen­tums an die recht­mä­ßi­gen Besit­zer, im kon­kre­ten Fall die Diö­ze­sen, Orden, Klö­ster, Pfar­rei­en, Kon­gre­ga­tio­nen und katho­li­schen Ver­ei­ni­gun­gen dau­ert bereits seit dem Ende der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur an. Die katho­li­sche Kir­che und die ande­ren Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten sind nicht die ein­zi­ge von Zwangs­ent­eig­nun­gen betrof­fe­ne Grup­pe. Dazu gehö­ren auch die rund 2,5 Mil­lio­nen Deut­sche, die nach dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges ent­schä­di­gungs­los aus Böh­men und Mäh­ren ver­trie­ben, zum Teil sogar ermor­det wurden.

Die Tsche­chi­sche Repu­blik, vor allem der böh­mi­sche Lan­des­teil, ver­fügt über eine lan­ge, weit in die Geschich­te zurück­rei­chen­de anti­ka­tho­li­sche Tra­di­ti­on. Das Land gilt als das lai­zi­stisch­ste Euro­pas. Laut jüng­ster Volks­zäh­lung aus dem Jahr 2010 erklär­ten 59 Pro­zent der Tsche­chen, kon­fes­si­ons­los zu sein. Nur 26,8 Pro­zent gehö­ren der römisch-katho­li­schen Kir­che an. Mit 2,3 Pro­zent der Bevöl­ke­rung fol­gen alle Pro­te­stan­ten zusam­men­ge­zählt unter allen Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten an zwei­ter Stelle.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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1 Kommentar

  1. Viel mehr Tsche­chen als nur 26,9 % betrach­ten sich als Katho­li­ken. Aber vor allem in Böh­men hat der Sozia­lis­mus gan­ze Arbeit gelei­stet und Men­schen ängst­lich davor gemacht, ihren Glau­ben zu erklä­ren, wofür man frü­her ver­folgt wur­de. Etwa 41 % der Tsche­chen sind kon­fes­si­ons­los, 53 % in Wirk­lich­keit als unde­kla­rier­te Katho­li­ken im Namen. Die Anti­kle­ri­ka­len und Alt-Kom­mu­ni­sten sind wei­ter­hin mächtig.

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