Nach den Anglikanern folgt Martin Luther? – Papst Benedikt XVI. und die Rückkehr der Lutheraner nach Rom


(Vati­kan) „Nach den Angli­ka­nern Mar­tin Luther“, so bringt der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri eine wich­ti­ge Agen­da Papst Bene­dikts XVI. auf den Punkt. „Das Undenk­ba­re könn­te bald Wirk­lich­keit wer­den“, und das wäh­rend des Pon­ti­fi­kats eines deut­schen Pap­stes: die Rück­kehr der Luthe­ra­ner zur Ein­heit mit Rom. „Könn­te es für die evan­ge­li­schen Chri­sten eine ähn­li­che Lösung geben wie „Angli­ca­n­o­rum coe­ti­bus“ für die Angli­ka­ner?“ Das wur­de vor weni­gen Tagen Kurt Kar­di­nal Koch, als Deutsch­schwei­zer eben­falls aus dem deut­schen Sprach­raum stam­mend, der in der Kir­che viel­fach noch heu­te als Land der Refor­ma­ti­on gese­hen wird, von der Nach­rich­ten­agen­tur Zenit gefragt. Kar­di­nal Koch ist als Nach­fol­ger von Wal­ter Kar­di­nal Kas­per, womit sich der „deut­sche Kreis“ zum The­ma Refor­ma­ti­on pas­send schließt, im Vati­kan für die Öku­me­ne zuständig.

„Anglicanorum coetibus“ für Lutheraner?

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Angli­ca­n­o­rum coe­ti­bus war kei­ne Initia­ti­ve Roms, son­dern ging von der Angli­ka­ni­schen Kir­che aus. Der Hei­li­ge Vater hat dann nach einer Lösung gesucht und mei­nes Erach­tens eine sehr wei­te Lösung gefun­den, bei der die kirch­li­chen und lit­ur­gi­schen Tra­di­tio­nen der Angli­ka­ner weit­ge­hend berück­sich­tig wor­den sind“, so Kar­di­nal Koch. „Wenn ähn­li­che Wün­sche von den Luthe­ra­nern geäu­ßert wer­den, dann wird man dar­über nach­den­ken müs­sen“, so der „Öku­me­n­emi­ni­ster“ der katho­li­schen Kir­che. Die Initia­ti­ve lie­ge jedoch bei den Lutheranern.

Das kommt einer Ein­la­dung an jene Tei­le der evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Lan­des­kir­chen nahe, die grün-libe­ral gewirk­te Kir­chen­füh­run­gen mit Bischö­fin­nen, Homo-Seg­nun­gen und kaum enden­de Frak­ti­ons­kämp­fe in den poli­ti­schen Par­la­men­ten nach­emp­fun­de­nen Lan­des­syn­oden leid sind und die der katho­li­schen Kir­che längst näher­ste­hen als zeit­gei­sti­gen Pasto­rin­nen­con­fe­ren­sieu­sen à  la Mar­got Käß­mann. So sagt es Rom natür­lich nicht. Den­noch steht die Ein­la­dung, wie jüngst Pastor Theu­rer den Schritt über den Tiber zu wagen, um am Grab des Apo­stel­für­sten Petrus geist­li­che Hei­mat zu finden.

2017: 500 Jahre Thesenanschlag Luthers – Keinen falschen Erwartungsdruck auf katholische Kirche ausüben

Im Öku­me­ne-Kalen­der des kon­fes­sio­nell seit einem hal­ben Jahr­tau­send gespal­te­nen deut­schen Sprach­raums steht ein Datum rot umran­det. Am 31. Okto­ber 2017 jährt sich zum 500. Mal der The­sen­an­schlag Mar­tin Luthers am Por­tal der Schloß­kir­che zu Wit­ten­berg. So zumin­dest über­lie­fert es der Refor­ma­tor Phil­ipp Melan­chthon, ein Freund Luthers. Von luthe­ri­scher Sei­te wird etwas unge­dul­dig auch die katho­li­sche Kir­che auf die­sen Ter­min hin­ge­drängt. Dem gro­ßen, run­den Ereig­nis möch­te man ger­ne etwas Gro­ßes hin­zu­fü­gen. Papst Bene­dikt XVI. wur­de bereits bei sei­nem Deutsch­land-Besuch mit die­ser Unge­duld kon­fron­tiert. Nicht nur in Erfurt, wo selbst einem öku­me­nisch wohl­wol­len­den Mann wie Kar­di­nal Kas­per irgend­wann der Kra­gen platzte. 

Auf luthe­ri­scher Sei­te war eine Erwar­tungs­hal­tung auf­ge­baut wor­den, die deren Autoren selbst nicht mehr kon­trol­lie­ren konn­ten. Ent­spre­chend vor­pro­gram­miert war die Ent­täu­schung, die von den Medi­en ver­stärkt wur­de, die viel Sinn und Inter­es­se an Sicht­ba­rem und Spek­ta­ku­lä­rem, aber umso weni­ger Sinn und Gefühl für die wesent­li­chen Aspek­te des öku­me­ni­schen Dia­logs haben, die für die katho­li­sche Kir­che unver­zicht­bar und unum­geh­bar sind. Die Erwar­tun­gen wur­den von der katho­li­schen Kir­che nicht erfüllt, was neu­er Anlaß war, Rom und den Papst an den Pran­ger zu stel­len. Wel­che Berech­ti­gung die Erwar­tun­gen selbst hat­ten, wur­de dabei kaum hin­ter­fragt. In Rom und nörd­lich der Alpen sieht man auf katho­li­scher Sei­te die Gefahr, daß mit Blick auf das Jahr 2017 erneut eine sol­che Erwar­tungs-Ent­täu­schungs-Druck­spi­ra­le in Gang gesetzt wird, die letzt­lich den gewünsch­ten Dia­log mehr bela­sten als ihm nüt­zen könnte.

Ökumene-Baustelle auf verschiedenen Ebenen

Katho­li­sche Kir­che und Luthe­ri­scher Welt­bund arbei­ten schon seit eini­ger Zeit an einem gemein­sa­men Doku­ment über den christ­li­chen Glau­ben. Ein Doku­ment, das über die Zer­würf­nis­se der ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te hin­aus­zu­ge­hen ver­steht, so die Absicht. Mit die­sem Doku­ment, so der küh­ne Wurf, sollte/​könnte der Weg geeb­net wer­den für eine „auf­se­hen­er­re­gen­de Rück­kehr der Luthe­ra­ner in die Ein­heit mit Rom“, wie Pao­lo Roda­ri berich­tet. Wahr­schein­li­cher ist eine Rück­kehr­be­we­gung guter Kräf­te in die Kir­che, wie sie bei den Angli­ka­nern in Bewe­gung gesetzt wur­de. Damit mün­det der angli­ka­ni­sche Strom nach einem hal­ben Jahr­tau­send wie­der im Tiber. Glei­ches könn­te auch bei den Luthe­ra­nern der Fall sein. Es wer­den kaum die Lan­des­kir­chen als sol­che sein, die die­sen Schritt set­zen wer­den. Die Abstän­de sind zu groß, die Grup­pen­bil­dun­gen zu stark, die Anfäl­lig­keit von Tei­len der luthe­ri­schen Kir­chen­füh­run­gen, einer spä­ten Tra­di­ti­on des Staats­kir­chen­tums fol­gend mit den jeweils vor­herr­schen­den gei­stig-kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Strö­mun­gen eine Sym­bio­se ein­zu­ge­hen. Die katho­li­sche Kir­che rüstet sich unter Papst Bene­dikt XVI. für die Zukunft und sie tut es, auf ihre Wei­se, auch für die Län­der der Reformation. 

Luthers anfänglichen Reformwillen als Vertrauensvorschuß anerkennen

Das gemein­sa­me Doku­ment, an dem gear­bei­tet wird, soll die Refor­ma­ti­on im Licht der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Geschich­te der Chri­sten­heit lesen. Bene­dikt XVI. scheint über­zeugt, daß Luther – uanbhän­gig von dem, was sich dann Schlag auf Schlag in schnel­ler Abfol­ge ereig­ne­te –  nicht von Anfang an die Absicht hat­te, die Kir­che zu spal­ten. Die­se ein­sei­ti­ge Annah­me wäre der ent­schei­den­de Ver­trau­ens­vor­schuß der katho­li­schen Kir­che für den katho­lisch-luthe­ri­schen Dia­log. Der Weg, die histo­ri­schen Remi­nis­zen­zen und Miß­tö­ne zu über­win­den, könn­te ein gemein­sa­mes Schuld­be­kennt­nis sein, der Ver­ge­bungs­bit­te Johan­nes Pauls II. im Hei­li­gen Jahr 2000 fol­gend, mit der er Gott um Ver­zei­hung bat für die Ver­ant­wor­tung und Mit­schuld von Katho­li­ken und kirch­li­chen Amts­trä­gern an den Spal­tun­gen der Kir­che. Ein Schritt, der viel­fach miß­ver­stan­den wurde.

Damit sind äuße­re Gesten und eine inne­re Hal­tung der Ver­ge­bung und des Ver­söh­nungs­wil­lens ange­spro­chen, aller­dings noch kei­ne theo­lo­gi­schen Fra­gen, die nach 500 Jah­ren die Luthe­ra­ner von der katho­li­schen Kir­che tren­nen, allen vor­an die Anzahl und das Ver­ständ­nis der Sakra­men­te. Als Bene­dikt XVI. die „Alte Mes­se“ aus der Qua­ran­tä­ne befrei­te und die Exkom­mu­ni­ka­ti­on der vier Bischö­fe der nicht in Ein­heit mit Rom ste­hen­den Pius­bru­der­schaft zu den Akten legen ließ, schlug ihm gera­de aus dem deut­schen Sprach­raum har­sche Kri­tik ent­ge­gen. Die Ent­schei­dung, Per­so­nal­or­di­na­ria­te für die nach Rom zurück­keh­ren wol­len­den Angli­ka­ner zu errich­ten, ver­wirr­te jene Kri­ti­ker, die ger­ne in ein­fa­chen Scha­blo­nen den­ken. So birgt auch das luthe­ri­sche Drän­gen nach schnel­len „Eini­gungs­ge­sten“ eini­gen Zünd­stoff, aber viel­leicht auch Raum für eini­ges Überraschungspotenzial.2018 wird näm­lich auch das Jahr sein, in dem die Luthe­ra­ner Far­be beken­nen wer­den müssen.

500 Jahrfeiern bergen Zündstoff, aber auch Überraschungspotenzial

Im Som­mer 2012 war das Ver­hält­nis zwi­schen der katho­li­schen Kir­che und den Pro­te­stan­ten The­ma des  Schü­ler­krei­ses des Pap­stes in Castel Gan­dol­fo. Ein Vor­spiel für das Jahr 2017. Über­ha­ste­te und vor­ei­li­ge Schrit­te sind von Bene­dikt XVI. nicht zu erwar­ten. Er befaßt sich vor allem mit den Vor­aus­set­zun­gen, die den Weg für einen Ver­söh­nungs­dia­log frei­ma­chen könn­ten. Ihm scheint, mit der Situa­ti­on des Pro­te­stan­tis­mus und den viel­schich­ti­gen mensch­li­chen Aus­wir­kun­gen durch sei­ne Hei­mat bestens ver­traut, eine „Rei­ni­gung des Gedächt­nis­ses“ vor­zu­schwe­ben. Pater Ste­phan Horn, der Vor­sit­zen­de des Ratz­in­ger-Schü­ler­krei­ses berich­te­te nach dem dies­jäh­ri­gen Schü­ler­kreis-Tref­fen, daß dort „die Idee eines gemein­sa­men Mea cul­pa ent­stan­den“ ist, um das gegen­sei­ti­ge Miß­trau­en zu über­win­den, das den Blick auf die zen­tra­len Fra­gen der Glau­bens­leh­re ver­hin­dert. „Das Gift die­ser Kon­flik­te aus­lö­schen ist ein wirk­li­che Heilung.“

In den USA wur­den bereits kon­kre­te Schrit­te gesetzt. Katho­li­ken und Luthe­ra­ner haben ein Doku­ment ver­faßt, das wich­ti­ge Berei­che benennt und defi­niert, die bei­de Sei­ten gemein­sam haben. The Hope of Eter­nal Life, so der Titel des Doku­ments, behan­delt Fra­gen wie das Leben nach dem Tod, das Para­dies, die Höl­le, das Jüng­ste Gericht, das Fege­feu­er, das Gebet für die Toten und die Abläs­se. Aus­gangs­punkt, so der Wil­le Roms, ist ein neu­er Ver­such auf der Grund­la­ge der christ­li­chen Glau­bens­wahr­heit Berüh­rungs­punk­te zwi­schen den bei­den Kon­fes­sio­nen zu finden.

Text: Il Foglio/​Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons

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1 Kommentar

  1. Kon­ver­ti­ten all­zeit herz­lich will­kom­men!!! Einen ande­ren Weg gibt es nicht.
    Wer schützt eigent­lich den Hei­li­gen Vater vor sei­nen Ver­eh­rern? Weder sonst noch bei sei­nem Deutsch­land­be­such hat er Gedan­ken über Mar­tin Luther geäu­ßert, die eine mög­li­che Ein­heit nahe­le­gen. Was die Ein­heits­träu­mer in eine müh­sam kon­trol­lier­te Wut ver­setzt hat.
    Dabei hat er sich nicht so ein­deu­tig aus­ge­drückt, wie der deut­sche Distrikt­obe­re der FSSPX. Der ein­fach dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass es eine Ein­heit mit den Pro­te­stan­ten nicht geben kann. Weil die theo­lo­gi­schen Unter­schie­de zu groß sind.
    Das darf man in der Nach­kon­zils­kir­che, die das Kon­zil von Tri­ent mehr und mehr der Bedeu­tungs­lo­sig­keit preis­ge­ge­ben hat, nicht offen sagen.
    Nur die­je­ni­gen kön­nen es offen sagen, die kei­nen gere­gel­ten Sta­tus in der Kir­che haben.
    Nach der Leh­re der Kir­che ist Mar­tin Luther ein Häre­ti­ker. Für den Kon­zils­theo­lo­gen Con­gar ein gro­ßer Mann der Kir­che. Lei­der nicht nur für ihn.

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