(Mailand) Was verbindet man mit dem 28. Oktober? Auf Anhieb nichts? Geschichtskenner erinnern sich vielleicht an Mussolinis „Marsch auf Rom“, mit dem 1922 der Faschismus in Italien die Macht übernahm. Tatsächlich ereignete sich an jenem Tag ein historisches Ereignis von weit größerer Bedeutung für die gesamte Menschheit. Am 28. Oktober des Jahres 312 nach Christus errang Flavius Valerius Konstantinus bei Saxa Rubra einen aufsehenerregenden Sieg über Markus Aurelius Valerius Maxentius. In einem Beitrag für die Tageszeitung Il Giornale erinnerte der bekannte Historiker Roberto de Mattei an das Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung.
In hoc signo vinces – Der erste Kreuzzug der Geschichte
Die beiden Gegner kämpften um den Titel des Augustus im Westen, den beide beanspruchten, und damit um eines der vier höchsten Herrschaftsämter im Römischen Reich, die Kaiser Diokletian mit der Einführung der Tetrarchie geschaffen hatte. Vor der Schlacht sahen die Truppen Konstantins ein großes Zeichen am Himmel leuchten mit der Flammenschrift In hoc signo vinces. Eusebius von Caesarea, der erste Kirchenhistoriker, erinnert mit folgenden Worten an das Ereignis: „Als sich der Tag zu neigen begann, sah Konstantin „mit eigenen Augen oben am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, und dabei die Worte: ‚Durch dieses siege!‘ Staunen aber habe bei diesem Gesichte ihn und das ganze Heer ergriffen.“
Konstantin ließ das Christusmonogramm auf die Heerzeichen seiner Legionen anbringen und führte das Labarum ein, das als Feldzeichen den römischen Adler des Jupiter ersetzte und zur höchsten Heeresfahne der römischen Armee wurde. In der Schlacht errang Konstantin einen vernichtenden Sieg über seinen Gegner Maxentius, der auf der Flucht in den Fluten des Tibers den Tod fand.
Das Ende des heidnischen Roms – Konstantin weigert sich das heidnische Kapitol zu besuchen
Am 29. Oktober zog Konstantin als nunmehr unbestrittener Kaiser des Westens in einem Triumphzug an der Spitze seiner Truppen in Rom ein. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern weigerte er sich jedoch wie bei jedem Adventus, dem Einzug eines Kaisers in Rom, das heidnische Hauptheiligtum der Stadt, das Kapitol aufzusuchen, und Jupiter zu huldigen. Das heidnische Rom ging seinem Ende zu.
Ein Jahr später, am 13. Juni 313 erließ Konstantin das Edikt von Mailand, mit dem alle Bestimmungen zur Verfolgung der Christen aufgehoben und das Christentum im Römischen Reich als Religion anerkannt wurde. Dieses berühmte Dekret setzte den langen und teils brutalen Phasen der Christenverfolgungen ein Ende und leitete eine neue Ära der Freiheit für die Kirche ein.
„Die entscheidende Stunde für sein Leben und das der Kirche war jedoch eine andere, jene, in der erstmals das Kreuz Christi auf dem Schlachtfeld erscheint und durch die Schwerter der Legionäre verteidigt wurde“, so der Historiker de Mattei. „Das Christentum lehrte, daß es möglich war, gute Christen und gute Soldaten zu sein. Die Erscheinung des Kreuzes an der Milvischen Brücke bedeutete aber noch etwas anderes. Es war Christus selbst, der Konstantin und seine Legionen aufforderte, in seinem Namen zu kämpfen. Die Schlacht von Saxa Rubra war nicht nur der Beweis dafür, daß der christliche Kampf legitim war. Sie begründete das Prinzip, daß es rechtmäßig ist im Namen Gottes zu kämpfen, wenn die Sache gerecht und der Krieg als heilig erklärt ist“, so Roberto de Mattei.
Deshalb erscheine die Schlacht an der Milvischen Brücke wie der erste Kreuzzug der Geschichte „und mißfällt jenen, die die Zeit der Kreuzzüge, auch der kulturellen und ideellen für beendet erklärt haben“, so der Professor für Kirchengeschichte an der Europäischen Universität in Rom.
Der 13. Apostel und die Rehabilitierung der „Konstantinische Wende“
Konstantin starb am 22. Mai 337, an Pfingsten, in seiner Villa in Ancyra bei Nicomedia, nachdem er von Bischof Eusebius von Nicomedia getauft worden war. Sein Leichnam wurde in einem Porphyrsarkophag im Zentrum der Kenotaphe der zwölf Apostel beigesetzt, als sei der Kaiser gewissermaßen der 13. Apostel gewesen.
Die griechische Kirche verehrt ihn als Heiligen, die römische Kirche verlieh ihm den Ehrentitel „der Große“, erhob aber nur seine Mutter Helena zu den Altären. Die Kaiserin liegt heute in der Kirche Santa Maria in Aracoeli begraben. Die Kirche liegt auf dem römischen Kapitol und ist Ausdruck der Überwindung des heidnischen Roms durch das Christentum. Ließ man zunächst den Raum der heidnischen Kultstätten verfallen, wurde ab dem 6. Jahrhundert auch dieser Raum durch das Christentum in Besitz genommen und überlagert.
De Mattei erinnerte an den bekannten französischen Historiker, den Laizisten und ehemaligen Kommunisten Paul Veyne, der mit seiner Veröffentlichung Quand notre monde est devenu chrétien (312–394), in deutscher Ausgabe erschienen mit dem Titel Als unsere Welt christlich wurde (312–394) : Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht. C.H. Beck, München 2008, die „Konstantinische Wende“ rehabilitierte, „die so lange verteufelt wurde“, so de Mattei.
Progressive Christen sahen in Konstantin immer einen Feind
„Progressive Christen sahen in Konstantin immer einen Feind, den es zu stürzen gilt. Am 11. Oktober 1962, dem Tag der feierlichen Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, beklagte Pater Yves Congar in seinem Tagebuch den Umstand, daß die Kirche nie ‚den Ausstieg aus der Konstantinischen Ära‘ in ihrem Programm hatte“, so de Mattei.
Die These Congars und der Progressiven sei verlockend gewesen, die „Kirche zu reinigen, jede Verbindung mit Strukturen der Macht zu lösen, sie ‚arm‘ und ‚evangelisch‘ zu machen.“ Die Kirche sollte die Zeichen der Welt hören. Gemeint sei damit jedoch konkret ein Bündnis mit dem Kommunismus gewesen. „Der Kommunismus stellte damals die Stimme des Fortschritts dar, während die konstantinische Kirche mit der Kirche Pius XII. identifiziert wurde, die den Kommunismus verurteilt hatte“, so de Mattei. Der Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei Italiens, Palmiro Togliatti, erklärte in seiner bekannten Rede von Bergamo vom 20. März 1963, in der er als erster über eine anzustrebende Zusammenarbeit zwischen Kommunisten und Katholiken sprach, daß „die Politik Konstantins und seiner Epoche für immer untergegangen ist“.
Die bitteren Früchte des „nachkonstantinischen Christentums“
„Die Kommunisten, wie auch viele Katholiken, träumten von einem Christentum ohne Christlichkeit, mit dem sie sich verbünden könnten. „50 Jahre nach dem Konzil, erntet das ‚nachkonstantinische Christentum‘ jedoch bittere Früchte“, so der Historiker de Mattei. „Wenn das Christentum darauf verzichte, die Welt zu verändern, säkularisiert die neuheidnische Gesellschaft das Christentum.“ Der katholische Progressismus befinde sich „in der Krise und der Kommunismus ist zusammengebrochen. Doch die Gestalt Konstantins des Großen leuchtet noch immer aus der Geschichte hervor“, so der Kirchenhistoriker Roberto de Mattei, Autor des vielbeachteten Buches Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte. Edition Kirchliche Umschau 2011.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Spontan fällt mir ein, dass de Mattei ausTagebüchern von Konzilstheologen und Vätern des Konzils zitiert, die das Ende der konstantinischen Ära oder auch das Ende der Gegenreformation WÄHREND des Konzils, nicht danach, erfreut begrüßten. Die „Sieger des Konzils“ waren vor dem Konzil gebremst tätig, erlangten während des Konzils die Deutungshoheit und konnten sich mit Hilfe der beiden Päpste, auch mit Hilfe der Massenmedien, weitgehend durchsetzen, indem sie eine überforderte, auch übermüdete Mehrheit mitzogen. Die gleichen Theologen, Kardinäle und Bischöfe prägten auch die Nachkonzilszeit. Die bedrohliche Glaubenskrise ist während des Konzils entstanden. Die Nachkonzilszeit vom Konzil zu trennen ist Ideologie, Wunschdenken. Wie lange sich Rom noch die Illusionen über „das Konzil“ erlauben kann, ist die Frage. Bis die Kirche sichtbar in Trümmern liegt?