(Vatikan) Am 8. Oktober wurde im Vatikan die Bischofssynode eröffnet, die sich bis zum 28. Oktober mit der Frage der Neuevangelisierung befassen wird. Die Bischofssynode wurde von Papst Paul VI. 1965 mit dem Motu proprio Apostolica sollicitudo am 15. September 1965 ins Leben gerufen, um, so die Absicht damals, die Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils lebendig zu halten. Die Generalversammlungen finden in unregelmäßigen Abständen statt. Inzwischen handelt es sich bereits um die 13. Ordentliche Generalversammlung, und die dritte während des Pontifikats Benedikts XVI.
Papst Benedikt XVI. steckte Rahmen ab: „Keine konstituierende Versammlung“
262 Synodenväter und 94 Experten und geladene Zuhörer hörten die programmatische Eröffnungsansprache von Papst Benedikt XVI. in einem überfüllten Synodensaal hinter dem Heiligen Offizium. Darin wollte der Papst einige wichtige Eckpunkte abstecken. Dazu gehörte es auch, den Anwesenden in Erinnerung rufen, was die Synode nicht ist: „Die Synode ist keine verfassunggebende Versammlung“, so Benedikt XVI. wörtlich.
Nach der Einrichtung der Synode durch Paul VI. gab es starken Druck auf den Papst, die Synode als jenen Ort zu betrachten, an dem die Kirche kollegial regiert wird. Es sollte, so die Vorstellung starker Strömungen im Episkopat, das Gremium sein, in dem die Kollegialität den Primat des Papstes überwinden sollte. Eine Forderung, die seither zunehmend verblaßte.
Päpste zogen Handbremse gegen Bischöfe – Apostel hörten auf die „Initiative Gottes“
Paul VI. zog bereits die Handbremse, erst recht Johannes Paul II. Papst Benedikt XVI. ließ erst gar keine Zweifel aufkommen, wie es um die hierarchische Struktur der Kirche bestellt ist und jeder darin den Platz einzunehmen habe, der ihm zugewiesen wurde und die Aufgaben zu erfüllen habe, die mit diesem Platz verbunden sind. Ein Ausgreifen nach „Höherem“ wäre ein Widerspruch zur von Gott gestifteten Verfaßtheit der Kirche. Papst Benedikt XVI. sieht in der Bischofssynode hingegen ein beratendes Organ, auch dafür um den Bischöfen Weltkirche sichtbar zu machen. Die Probleme der verschiedenen Diözesen sollen nicht minimiert werden, jedoch in eine Gesamtdimension eingebunden werden, die sie zumindest teilweise relativieren. Benedikt XVI. zitierte deshalb in seiner Eröffungsansprache die Apostel: Die Apostel hätten sich nicht als konstituierendes Gremium verstanden, die eine Kirchenverfassung zu verabschieden hätte, sondern als Gemeinschaft, die, wenn sie sich versammelt „auf die Initiative Gottes hört“.
1971 planten progressive Bischöfe Aufstand: Abschaffung des Zölibats – Umbau der Kirchenverfassung
Auf der 2. Ordentlichen Generalversammlung, die vom 30. September bis zum 6. November 1971 tagte, versuchte die progressive Konzilsrichtung unter den Bischöfen den Aufstand. Die Generalversammlung sollte sich eigentlich, so der Wunsch Papst Pauls VI., mit der Gerechtigkeit in der Welt befassen. Zahlreiche Bischöfe wollten jedoch die Gelegenheit nützen, in Wiederholung mancher Vorgänge während des Konzils, das vorgegebene Programm zu sprengen und eine eigene Tagesordnung durchzusetzen. Der „priesterliche Dienst“ interessierte die Bischöfe im Schlepptau der gerade stattfindenden sexuellen Revolution weit mehr als die „Gerechtigkeit in der Welt“. Es zeichnete sich ab, daß mehr als zwei Drittel der von den verschiedenen Bischofskonferenzen ernannten Synodalen „weitgehende Autonomie“, die Abschaffung des Zölibats und die Umwandlung der Synode in eine „mitbestimmende Versammlung“ fordern würden, wie das Vatican-Magazin in Erinnerung ruft. Es verwundert nicht, Kardinal Döpfner an der Spitze der Progressiven wiederzufinden. Nur durch größtes und einfallsreiches Geschick von Kurienerzbischof Giovanni Benelli, von 1966 bis 1977 Substitut des Kardinalstaatssekretärs, gelang es, eine denkbar knappe Mehrheit für die Aufrechterhaltung der unbedingten Ehelosigkeit des Priesterstandes aufrechtzuerhalten.
„Schule von Bologna“ forderte Entmachtung des Papstes durch Regierungskollektiv und Synode als Parlament
Die These einer “kollegial“ regierten Kirche wurde unter anderem vor allem von der Schule von Bologna um Giuseppe Alberigo und Giuseppe Dossetti vertreten, jener Schule, die bis 2011 über eine fast uneingeschränkte Deutungshoheit des Zweiten Vatikanischen Konzils als historischem Ereignis verfügte. Sie forderten bereits während des Konzils die Schaffung eines Regierungskollektivs als Exekutive, durch das Bischöfe und Papst gemeinsam die Kirche regieren, wobei dem Papst die Rolle eines Gleichen unter Gleichen zugewiesen wurde, dem lediglich eine besondere repräsentative Rolle zukommen sollte, vergleichbar dem Amt eines Schweizer Bundespräsidenten, das von einem der sieben Bundesräte (Minister) gleichzeitig ausgeübt wird. Entsprechend sollte die von Paul VI. geschaffene Bischofssynode zu einem gesetzgebenden Kirchenparlament ausgebaut werden. Heute scheinen nur mehr aus dem deutschen Sprachraum vergleichbare Forderungen in Form von „Wünschen“ erhoben zu werden. „Wünsche“, die weder für Rom noch für die meisten Ortskirchen auf irgendeiner Tagesordnung stehen.
Synode 2012: „Neuevangelisierung für die Weitergabe des Glaubens“
Die gerade tagende 13. ordentliche Bischofssynode verläuft in der gewohnten Form. Die Synodalen nehmen zum Thema der Versammlung Stellung. Abschließend werden die Propositionen (Vorschläge) abgestimmt und dem Papst unterbreitet. Diese werden für ihn eine Hilfe für die Abfassung des post-synodalen Dokuments sein, in der jene Propositionen enthalten sein werden, die sich der Papst in direkter oder abgewandelter Form zu eigen macht.
Die Bischöfe sind gefordert, auf die Herausforderung der Säkularisierung zu reagieren, die von Donald William Kardinal Wuerl in seiner auf Latein gehaltenen Relatio ante disceptationem als maris aestuantis impetus bezeichnete, und dem Papst Vorschläge für die Neuevangelisierung vor allem der Ersten Welt zu unterbreiten. Der Erzbischof von Washington wird zu den „kreativen Konservativen“ gezählt, die den amerikanischen Episkopat verändern: Bischöfe, die mit Klarheit zum kirchlichen Lehre stehen, aber fähig sind, auf die sie umgebende Welt zu reagieren und in die dieser den katholischen Standpunkt sichtbar werden zu lassen.
Kardinal Wuerl: Feinde der Evangelisierung auch in der Kirche durch nachkonziliare Verirrung
Kardinal Wuerl sprach davon, daß die Feinde der Evangelisierung außerhalb der Kirche wirken, aber auch innerhalb der Kirche. Außerhalb ist es ein aggressiver Relativismus, innerhalb ist es die Nachkonzilszeit, so Wuerl, eine „Hermeneutik der Diskontinuität, die weite Teile der höheren Bildungseinrichtungen erfaßt hat und die sich auch in Abirrungen in der Liturgie widerspiegelt“.
Anschließend bezeichnete der Kardinal vor einer großen Gruppe von Journalisten die Säkularisierung sogar als „Tsunami“, die im Zusammenwirken mit dem Individualismus und dem Laizismus „die gesamte natürliche Ordnung verdorben“ hat. Dieser „Tsunami“ traf vor allem die westliche Welt. „Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse und damit das Evidenteste, daß es eine natürliche Ordnung gibt, wurde ausgelöscht“, so der Kardinal.
Kirche müsse heute verkünden wie in frühchristlicher Zeit
Deshalb scheint es heute, so der Erzbischof von Washington weiter, als „befänden wir uns wieder in der frühchristlichen Zeit der Kirche. Wir müssen es heute wie die frühchristliche Kirche machen, die das Evangelium denen verkündete, die nichts davon wußten.“ Diese Verkündigung könne aber nicht erfolgen, so Kardinal Wuerl, indem man „die eigene Identität verrät“. Eine Anspielung die auf den „nachkonziliaren Verrat“ gemünzt war, wie der Vatikanist Paolo Rodari anmerkte. „Nach dem Konzil mußte der Katechismus neu herausgegeben werden, um allen in Erinnerung zu rufen, was das Gluabensgut ist“, so der Kardinal.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Paoline
Die Forderung nach Abschaffung des Zölibates ist ja grundsätzlich ein alter Hut, der aber immer wieder neu aufgebürstet wird. Wenn sie 1971 wieder erhoben wurde, dann ging dem sicher schon eine Zeit der Bildung von Cliquen voraus, die für dieses Ziel Vorarbeit leisteten.
Ich erinnere mich nicht besonders gut an diese Zeit, aber sicher wurde damals der Zölibat weitherum infrage gestellt mit der Folge, daß viele Priester in vorauseilendem Gehorsam schon intensiver die Proportionen ihrer weiblichen Gemeindemitglieder betrachteten. Und deshalb kam, was kommen mußte: Im Pontifikat Papst Paul VI. gaben 32 000 Priester ihr Amt auf und gingen ins Elend. Wieviele davon sind ausgesprochene Kirchenfeinde geworden?
Warum fordert niemand die Aufhebung der Ehelosigkeit der Ordensmitglieder?