[Update] Zwei Interviews des Glaubenspräfekten Müller zur Piusbruderschaft – Ende des Dialogs oder zu leistender Beitrag?


(Vati­kan) In den ver­gan­ge­nen Tagen gab der neue Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Ger­hard Lud­wig Mül­ler zwei Inter­views, in denen er aus­führ­lich zu den Gesprä­chen mit der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. Stel­lung nahm. Ein Inter­view gab er dem ame­ri­ka­ni­schen Wochen­blatt Natio­nal Catho­lic Regi­ster, das ande­re dem Nord­deut­schen Rund­funk NDR Kul­tur. Ton und Inhalt las­sen Unter­schie­de erken­nen, die mit dem  jewei­li­gen Medi­um zu tun zu haben schei­nen. In bei­den Inter­views gibt der Kuri­en­prä­fekt sei­ne per­sön­li­che Mei­nung wie­der, schlägt aber als Deut­scher im deut­schen Sen­der gegen­über der Pius­bru­der­schaft einen schär­fe­ren, teils pro­vo­kan­ten Ton an.

Interview 1: Norddeutscher Rundfunk

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Am heu­ti­gen Sams­tag strahlt der Nord­deut­sche Rund­funk NDR Kul­tur um 18 Uhr in der Sen­de­rei­he Das Gespräch ein Inter­view mit dem neu­en Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Kuri­en­erz­bi­schof Ger­hard Lud­wig Mül­ler aus. Der Sen­der gab bereits vor­ab inhalt­li­che Aus­sa­gen des Glau­bens­prä­fek­ten bekannt, der auch zu den Gesprä­chen des Hei­li­gen Stuhls mit der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. befragt wur­de:  „Kei­ne Gesprä­che mehr mit der Pius­bru­der­schaft“, zitiert der Sen­der in sei­ner Ankün­di­gung Erz­bi­schof Mül­ler. Die­se Wor­te könn­ten den Schluß­stein in den neun Mona­te dau­ern­den Gesprä­chen set­zen. Die Ver­söh­nungs­ge­sprä­che zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Pius­bru­der­schaft befin­den sich seit Mit­te Juni an einem toten Punkt. Die Pius­bru­der­schaft bringt dies nicht direkt mit der Ernen­nung des neu­en Glau­en­s­prä­fek­ten in Ver­bin­dung, sieht dar­in jedoch ein Signal dafür, daß sich in Rom ein Zeit­fen­ster schließt, das sich nach einer von Papst Bene­dikt XVI. ange­sto­ße­nen Ein­la­dung an den Gene­ral­obe­ren der Bru­der­schaft Msgr. Ber­nard Fel­lay im Som­mer 2005 auf­ge­tan hatte.

„Diese Bruderschaft ist für uns kein Verhandlungspartner“

„Die­se Bru­der­schaft ist für uns kein Ver­hand­lungs­part­ner, weil es über den Glau­ben kei­ne Ver­hand­lun­gen gibt“, so der Glau­bens­prä­fekt in einem pro­vo­kan­ten Ton. Der künf­ti­ge Kar­di­nal wirft der Bru­der­schaft vor, den Glau­ben zu redu­zie­ren, was inak­zep­ta­bel sei, gera­de dann, wenn die­ser auf gül­ti­ge Wei­se durch das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil fest­ge­legt wur­de. Wört­lich, so der Erz­bi­schof: „Es gibt kei­ne Ermä­ßi­gun­gen was den katho­li­schen Glau­ben angeht, gera­de wie er auch vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil gül­tig for­mu­liert wor­den ist.“ Die Pius­bru­der­schaft lehnt eini­ge von Tei­len der Kir­che als „Schlüs­sel­the­men“ bezeich­ne­te The­men des Kon­zils ab, so den Öku­me­nis­mus, die Reli­gi­ons­frei­heit und Aspek­te der Bezie­hun­gen zu den ande­ren Reli­gio­nen. Dem setzt Erz­bi­schof Müler im NDR-Inter­view ent­ge­gen: „Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil steht nicht im Gegen­satz zur gesamt­kirch­li­chen Tra­di­ti­on, allen­falls im Gegen­satz zu man­cher fal­schen Inter­pre­ta­ti­on des katho­li­schen Glaubens.“

„Wir können den katholischen Glauben nicht den Verhandlungen preisgeben. Da gibt es keine Kompromisse“

In die­sem Zusam­men­hang wird der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on nach den Per­spek­ti­ven für die Gesprä­che zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Pius­bru­der­schaft gefragt: „Wir kön­nen den katho­li­schen Glau­ben nicht den Ver­hand­lun­gen preis­ge­ben. Da gibt es kei­ne Kom­pro­mis­se“. Erz­bi­schof Mül­ler gibt im Inter­view sei­ne per­sön­li­che Mei­nung wie­der, die den Befürch­tun­gen zu ent­spre­chen scheint, die von der Pius­bru­der­schaft seit des­sen Ernen­nung geäu­ßert wur­den. Die wei­te­re Vor­gangs­wei­se gegen­über der Bru­der­schaft wer­de, so der Kuri­en­erz­bi­schof, in der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on in Ein­heit mit dem Papst beschlos­sen wer­den. Die Pius­bru­der­schaft habe noch von sei­nem Vor­gän­ger Kar­di­nal Leva­da eine Erklä­rung erhal­ten, die sie zu akzep­tie­ren habe, so der ehe­ma­li­ge Regens­bur­ger Bischof: „Ich glau­be, es gibt jetzt kei­ne neu­en Gesprä­che mehr.“

Die Pius­bru­der­schaft hat seit der Begeg­nung ihres Gene­ral­obe­ren Fel­lay mit Kar­di­nal Leva­da im Juni noch nicht auf die Neu­fas­sung der „Dok­tri­nel­len Prä­am­bel“ geant­wor­tet. Die in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ver­nehm­ba­ren Erklä­run­gen, zuletzt vom Disk­trikt­obe­ren des deut­schen Distrikts, Pater Franz Schmid­ber­ger, deu­ten auf ein Non pos­su­mus hin, soll­te es kei­ne Nach­bes­se­run­gen in der Erklä­rung geben.

Mit Blick auf den 500. Jah­res­tag der Refor­ma­ti­on warn­te Erz­bi­schof Mül­ler davor, die­ses Datum „so magisch“ zu betrachten.

Interview 2: National Catholic Register

Auch in einem im Sep­tem­ber gege­be­nen und am 2. Okto­ber ver­öf­fent­lich­ten Inter­view in zwei Tei­len mit der ame­ri­ka­ni­schen katho­li­schen Wochen­zei­tung Natio­nal Catho­lic Regi­ster geht Erz­bi­schof Mül­ler auf die Gesprä­che mit der Pius­bru­der­schaft ein. Mehr­fach betont der Glau­bens­prä­fekt, daß es nicht nur die tra­di­tio­na­li­sti­sche Bru­der­schaft gebe, son­dern Pro­ble­me mit der völ­lig ent­ge­gen­ge­setz­ten moder­ni­sti­schen Sei­te. Jede „Rand­grup­pe“, so der Glau­bens­prä­fekt, „muß die voll­stän­di­ge Leh­re der katho­li­schen Kir­che akzep­tie­ren: das Glau­bens­be­kennt­nis und auch das authen­ti­sche päpst­li­che Lehr­amt. Das ist not­wen­dig.“ Die von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re gegrün­de­te Prie­ster­bru­der­schaft müs­se auch „eine gewis­se Form der Ent­wick­lung in der Lit­ur­gie akzep­tie­ren. Der Hei­li­ge Vater hat den ewig gül­ti­gen Wert der außer­or­dent­li­chen Form der Lit­ur­gie aner­kannt, aber dort müs­sen sie auch aner­ken­nen, daß die neue ordent­li­che Form der Lit­ur­gie, die nach dem Kon­zil ent­wickelt wur­de, gül­tig und recht­mä­ßig ist“, so Msgr. Müller.

„Der Heilige Vater hat den ewig gültigen Wert der außerordentlichen Form der Liturgie anerkannt“

Vom Natio­nal Catho­lic Regi­ster befragt, wie die Gesprä­che mit der Pius­bru­der­schaft wei­ter­ge­hen wer­den, sag­te der Erz­bi­schof: „Ich bin immer voll Ver­trau­en in unse­ren Glau­ben und opti­mi­stisch. Wir müs­sen beten, daß es einen guten Wil­len und Ein­heit in der Kir­che gibt.“

Beitrag der Piusbruderschaft: „Betonung dessen, was die Tradition der Kirche ist“

Im Fal­le einer Ver­söh­nung mit der Pius­bru­der­schaft kön­ne die­se „durch Beto­nung des­sen, was die Tra­di­ti­on der Kir­che ist“, ihren Bei­trag für die Kir­che lei­sten. „Sie muß jedoch ihre Sicht­wei­se erwei­tern, weil die apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on der Kir­che nicht nur eini­ge weni­ge Aspek­te betrifft. Die Tra­di­ti­on der Kir­che ist groß und umfas­send“, so Erz­bi­schof Mül­ler. Der Kar­di­nal in spe kri­ti­siert im Inter­view „Miß­bräu­che“ in der Lit­ur­gie und der Glau­bens­leh­re durch pro­gres­si­ve Grup­pen, bezwei­felt jedoch gleich­zei­tig, daß die Pius­bru­der­schaft der Kir­che dabei hel­fen kön­ne, die­se nach­kon­zi­lia­ren „Miß­bräu­che“ zu behe­ben: „Das ist nicht ihre Auf­ga­be, son­dern unse­re. Ein Extrem kann nicht das Gegen­ge­wicht zu einem ande­ren sein. Die Extre­me sind in der Mit­te zu korrigieren.“

Kuri­en­erz­bi­schof Mül­ler weist aus­führ­lich die „unge­recht­fer­tig­te“ Kri­tik der Pius­bru­der­schaft an sei­ner Leh­re über die immer­wäh­ren­de Jung­fräu­lich­keit Mari­ens und die Tran­sub­stan­tia­ti­on in der hei­li­gen Eucha­ri­stie zurück, für die ein­zel­ne Pas­sa­gen „aus dem Kon­text“ sei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen geris­sen wor­den sei­en. Er habe viel­mehr gan­ze Schrif­ten zur Ver­tei­di­gung die­ser Dog­men verfaßt.

[Update 6.10.2012: Die Zeit­schrift Kir­che heu­te (10/​2012) prä­sen­tiert den deut­schen Wort­laut einer Stel­lung­nah­me des neu­en Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re, Erz­bi­schof Ger­hard Lud­wig Mül­ler. Die­ser stellt fest:

„Unser katho­li­scher Glau­be sagt ganz ein­deu­tig, dass bei der Kon­se­kra­ti­on in der hl. Mes­se ein Wan­del erfolgt, so dass die gesam­te Sub­stanz von Brot und Wein in die gan­ze Sub­stanz von Leib und Blut Chri­sti ver­wan­delt wird, und dass die­se Ver­wand­lung zu recht als ‚Trans­sub­stan­tia­ti­on‘ bezeich­net wird. Und wir ver­wer­fen alle ande­ren Inter­pre­ta­tio­nen, sei es Kon­sub­stan­ti­ie­rung, Trans­si­gni­fi­ka­ti­on, Trans­fi­na­li­sa­ti­on usw. Die Kir­che ist auch ganz ein­deu­tig hin­sicht­lich der Jung­fräu­lich­keit Mari­ens, der Mut­ter Jesu, vor, wäh­rend und nach der Geburt Christi.“

Die­se Klar­stell­lung hat Erz­bi­schof Mül­ler Anfang August dem ame­ri­ka­ni­schen katho­li­schen Fern­seh­sen­der EWTN gegen­über vor­ge­nom­men, nach­dem von ver­schie­de­ner Sei­te Pas­sa­gen aus der „Katho­li­schen Dog­ma­tik“ Mül­lers zitiert wur­den, in denen die­ser Glau­be nicht adäquat zum Aus­druck gekom­men war.]

 

Text: Giu­sep­pe Nardi/​ Update Linus Schneider
Bild: Maierhofer

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