Vatikan dementiert und kritisiert Spy-Story von „Die Welt“ und „La Repubblica“


(Rom) Zuerst tat es Pater Feder­i­co Lom­bar­di, der Pres­se­spre­cher des Hei­li­gen Stuhls münd­lich gegen­über Jour­na­li­sten, dann auch das Staats­se­kre­ta­ri­at des Vati­kans mit einer offi­zi­el­len Pres­se­er­klä­rung: sie demen­tier­ten in aller Deut­lich­keit Pres­se­be­rich­te über angeb­lich nament­lich bekann­te Kom­pli­zen von Pao­lo Gabrie­le, dem ver­haf­te­ten Kam­mer­die­ner Papst Bene­dikts XVI.

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Die Fra­ge, ob Gabrie­le, der sich inzwi­schen im Haus­ar­rest befin­det und vom Papst Ver­ge­bung erhofft, Kom­pli­zen hat­te, kann noch nicht abschlie­ßend ver­neint oder bejaht wer­den. Jüngst waren in ver­schie­de­nen Medi­en jedoch gezielt Namen von angeb­li­chen Kom­pli­zen auf­ge­taucht. Im Vati­kan kann man seit­her ent­rü­ste­te Wort­mel­dun­gen über eini­ge Jour­na­li­sten hören. Beson­ders häu­fig wird dabei der Name von Lar­go Fochet­ti genannt. Der Jour­na­list der links­li­be­ra­len ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung La Repubbli­ca stell­te mit voll­stän­di­ger Namens­nen­nung drei treu erge­be­ne, ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter Bene­dikts XVI. an den Pranger.

Die Welt veröffentlichte, La Repubblica kopierte

Die Musik­wis­sen­schaft­le­rin Ingrid Stam­pa, die von 1991 bis 2005 den Haus­halt von Kar­di­nal Ratz­in­ger lei­te­te und meh­re­re von des­sen Büchern über­setz­te, Kuri­en­bi­schof Josef Cle­mens, frü­he­rer Sekre­tär von Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, und Kuri­en­kar­di­nal Pao­lo Sar­di, Kar­di­nal­pa­tron des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens, der rund 30 Jah­re das Amt für die Über­set­zun­gen päpst­li­cher Anspra­chen lei­te­te und in des­sen Amt im Staats­se­kre­ta­ri­at Stam­pa noch heu­te tätig ist, die­se drei sei­en die eigent­li­chen „Täter“ und „Draht­zie­her“.

Mehr noch als Fochet­ti, galt die Kri­tik von Pad­re Lom­bar­di dem deut­schen Jour­na­li­sten Paul Bad­de, der die per­fi­de Spy-Sto­ry-Intri­ge am 15. Juli für Die Welt zu Papier gebracht, oder bes­ser gesagt ins Inter­net gestellt hat­te. La Repubbli­ca hat­te, wie Lom­bar­di fest­stell­te, die Geschich­te dann von Bad­de eine Woche spä­ter fast wört­lich kopiert. Um ihr zumin­dest einen Hauch von Glaub­wür­dig­keit zu ver­pas­sen, war Pater Feder­i­co Lom­bar­di zuvor gezielt auf angeb­li­che Ermitt­lun­gen gegen die Genann­ten ange­spro­chen wor­den. Der Pres­se­spre­cher demen­tier­te natür­lich, da weder Stam­pa noch Bischof Cle­mens oder Kar­di­nal Sar­di in irgend­ei­ner Wei­se von den Ermitt­lun­gen betrof­fen sind. Das genüg­te in der selbst­kon­stru­ier­ten Intri­gen-Geschich­te jedoch, Lom­bar­di zum The­ma zitie­ren zu können.

Drei enge Mitarbeiter des Papstes zu Unrecht an den Pranger gestellt

Alle drei Genann­ten gehör­ten zu den eng­sten Mit­ar­bei­tern des heu­ti­gen Pap­stes. Laut Bad­des Les­art von Vati­leaks sei­en sie von Ent­täu­schung, Neid und Eifer­sucht zer­fres­sen, weil sie seit der Papst­wahl nicht mehr jene Nähe zum Papst genie­ßen, die sie zuvor besa­ßen. Der Vati­kan demen­tier­te post­wen­dend und mit Ent­schie­den­heit, um die Inte­gri­tät der Betrof­fe­nen zu wah­ren. Im Umfeld aller drei Genann­ten wird eine Ver­wick­lung mit stau­nen­dem Kopf­schüt­teln zurück­ge­wie­sen. Der Scha­den ist indes bereits ange­rich­tet. Die Liste der Opfer des Sen­sa­ti­ons-Jour­na­lis­mus ist um eini­ge Namen län­ger geworden.

Pater Lom­bar­di nütz­te die Gele­gen­heit, um eine grund­sätz­li­che Kri­tik an La Repubbli­ca anzu­brin­gen. „An die­ser Stel­le ist es not­wen­dig fest­zu­stel­len, daß die Bericht­erstat­tung der Repubbli­ca zu die­ser Ange­le­gen­heit in beson­de­rem, und ich wür­de sagen auch in uner­klär­li­chem Maße durch Bei­trä­ge gekenn­zeich­net ist, die ich mehr­fach und öffent­lich demen­tie­ren mußte.“

Pater Lombardi: „Das Maß ist voll“ – Keine Auszeichnung für Journalisten

Pater Lom­bar­di erin­ner­te kon­kret an eini­ge der unse­riö­sen Arti­kel von La Repubbli­ca, so ein kurz nach des­sen Ver­haf­tung ver­öf­fent­lich­tes Inter­view mit der Frau von Pao­lo Gabrie­li, das in Wirk­lich­keit nie statt­ge­fun­den hat­te (27. Mai); ein angeb­li­ches Inter­view mit einem unge­nann­ten Mon­si­gno­re, der über eine (nicht exi­sten­te) von einer Frau gelei­te­ten Grup­pe von „Bericht­erstat­tern“ fabu­lier­te, die nur dem Papst Bericht zu erstat­ten hät­te (28. Mai); ein Arti­kel über einen (nicht exi­sten­ten) Hacker, Infor­ma­tik­be­ra­ter des Vati­kans, der plötz­lich spur­los ver­schwun­den sei (14. Juni); die Behaup­tung, drei nament­lich genann­te Kar­di­nä­le (in allen drei Fäl­len eine rei­ne Erfin­dung) sei­en von der vati­ka­ni­schen Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ver­hört wor­den (19. Juni). Lom­bar­di füg­te hin­zu: „Nun scheint die­ser nach einer Woche wört­lich aus dem Deut­schen kopier­te Arti­kel, der absicht­lich auch drei Per­so­nen, die Ach­tung und Respekt ver­die­nen, als ‚Kom­pli­zen“ beschul­digt, das Maß voll zu machen.“

Kei­ne Aus­zeich­nung für eine Tages­zei­tung. In die­sem Fall auch kei­ne Aus­zeich­nung für Lar­go Fochet­ti und Paul Bad­de. Außer dem Kam­mer­die­ner gibt es der­zeit im Vati­kan kei­ne Ermitt­lun­gen gegen ande­re Per­so­nen. Jeden­falls nichts gegen eine der drei von Bad­de behaup­te­ten und von Fochet­ti wie­der­hol­ten Personen.

Ent­zau­bert man den Skan­dal um den Doku­men­ten­klau von phan­ta­sti­schen jour­na­li­sti­schen Kon­struk­tio­nen, bleibt von einem behaup­te­ten Kampf zwi­schen ver­schie­de­nen Rich­tun­gen im Vati­kan wenig übrig. Eben­so wenig vom Ver­such, den Vati­leaks-Skan­dal mit der Ver­set­zung von Kuri­en­erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò in die USA in Ver­bin­dung zu brin­gen. Statt des­sen wird ein Vati­kan sicht­bar, der nach Bekannt­wer­den der undich­ten Stel­le umge­hend reagier­te. Die vati­ka­ni­sche Poli­zei kam dem Kam­mer­die­ner inner­halb weni­ger Tage auf die Schli­che. Des­sen Spur führt schnur­ge­ra­de zum ita­lie­ni­schen Jour­na­li­sten Gian­lui­gi Nuz­zi. Er ist mit sei­nem Ent­hül­lungs­buch, in dem eine von ihm getrof­fe­ne Aus­wahl der ent­wen­de­ten, kopier­ten und ihm zuge­spiel­ten päpst­li­chen Doku­men­te abge­druckt wur­den, der eigent­li­che Nutz­nie­ßer. Die vati­ka­ni­sche Unter­su­chungs­kom­mis­si­on konn­te bis­her kei­ne Spu­ren aus­fin­dig machen, daß wei­te­re Ver­däch­ti­ge in die Ange­le­gen­heit ver­wickelt sind.

Gewinner Gianluigi Nuzzi – Verlierer Papst Benedikt XVI.

Wäh­rend eini­ge Jour­na­li­sten dies- und jen­seits der Alpen nach „gehei­men“ Beweg­grün­den suchen, ver­mu­ten die zustän­di­gen Stel­len nie­de­re Moti­ve. Kam­mer­die­ner Gabrie­le war mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit von Geld­gier getrie­ben. Ist Nuz­zi der Gewin­ner, gegen den solan­ge kein Ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wer­den kann, solan­ge er nicht direkt mit Geld­zah­lun­gen und Anstif­tung in Ver­bin­dung gebracht wer­den kann, ist Papst Bene­dikt XVI. der gro­ße Ver­lie­rer. Sein Anse­hen hat unter dem Vati­leaks-Skan­dal gelit­ten, Ver­trau­en wur­de erschüt­tert, wobei der mei­ste Scha­den durch die jour­na­li­sti­sche Eigen­dy­na­mik ange­rich­tet wur­de. Auch Bad­de und Fochet­ti konn­ten der Ver­su­chung nicht wider­ste­hen und woll­ten, ohne Rück­sicht auf Ver­lu­ste, ein biß­chen Dan Brown spielen.

Auch Stampa, Clemens und Sardi Opfer – Gegen Verleumdungen kann man sich kaum wehren

Zu den Ver­lie­ren gehö­ren auch Ingrid Stam­pa, Bischof Josef Cle­mens und Pao­lo Kar­di­nal Sar­di, die „seit vie­len Jah­ren treu im Dienst des Hei­li­gen Vaters ste­hen“, wie das Staats­se­kre­ta­ri­at in sei­ner Erklä­rung fest­hielt. Ihr Anse­hen ist den­noch auf schwer­wie­gen­de Wei­se geschä­digt wor­den. Über die Grün­de, war­um Bad­de ihre Namen ins Spiel brach­te, gibt es nur Spe­ku­la­tio­nen. Zwei der Betrof­fe­nen über­le­gen eine Anzei­ge wegen Ver­leum­dung gegen die bei­den Tages­zei­tun­gen. Die Kla­ge von Papst Bene­dikt XVI. gegen das deut­sche Sati­re­blatt Tita­nic könn­te den Usus kip­pen, daß man in kirch­li­chen Krei­sen Ver­leum­dun­gen eher erdul­det als recht­lich dage­gen vor­zu­ge­hen. Ver­leum­dun­gen haben es in sich: Etwas bliebt immer hängen.

Papst Bene­dikt XVI. will unter­des­sen bis zum Fest Maria Him­mel­fahrt in sei­ner Som­mer­re­si­denz Castel Gan­dol­fo nicht gestört wer­den, um den drit­ten Band von „Jesus von Naza­reth“ abzu­schlie­ßen. Das bedeu­te aber nicht, daß er nicht auch in die­ser Zeit die Kir­che zu regie­ren wis­se. Bene­dikt XVI. hän­ge der Ruf nach, mehr Theo­lo­ge als regie­ren­der Papst zu sein. Ein Irr­tum, wie der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri immer wie­der anmerkt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: cathoforum

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