Das Schweigen in Glaubensfragen ist nicht die Antwort auf die „stillschweigende Apostasie“
DICI: Wie ist das Generalkapitel verlaufen, in welcher Atmosphäre?
Bischof Fellay: Hauptsächlich in einer sehr engagierten Atmosphäre, denn die Mitglieder des Kapitels konnten sich in aller Offenheit austauschen, wie es einem solchen Arbeitstreffen entspricht.
DICI: Wurden die Beziehungen zu Rom behandelt? Gab es keine unerlaubten Fragen? Konnten die Divergenzen innerhalb der FSSPX, die sich in der letzten Zeit gezeigt haben, geglättet werden?
Bischof Fellay: Was Rom betrifft, sind wir wirklich der Sache auf den Grund gegangen, und alle Kapitelteilnehmer konnten Einsicht in das vollständige Dossier nehmen. Nichts wurde beiseite gelassen, es gibt keine Tabus unter uns. Ich sah es als meine Pflicht an, präzise die Gesamtheit aller Dokumente, die mit dem Vatikan ausgetauscht wurden, darzulegen. Genau das wurde durch das schädliche Klima der letzten Monate sehr schwierig gemacht. Dieses Exposé hat eine offene Diskussion ermöglicht, welche die Zweifel aufgeklärt und die Verständnisschwierigkeiten beseitigt hat. Das hat den Frieden und die Einheit der Herzen gefördert, und das ist sehr erfreulich.
DICI: Wie sehen Sie die Beziehungen zu Rom nach diesem Kapitel?
Bischof Fellay: Alle Unklarheiten unsererseits wurden aufgehoben. Wir werden in sehr kurzer Zeit Rom die Position des Kapitels zukommen lassen, das uns die Gelegenheit gegeben hat, unsere Marschroute zu präzisieren. Wir bestehen auf der Bewahrung unserer Identität, was das einzige wirksame Mittel darstellt, um der Kirche zu helfen, die Christenheit zu erneuern. So wie ich ihnen kürzlich gesagt habe: „Wenn wir den Schatz der Tradition für das Heil der Seelen fruchtbar machen wollen, müssen wir sprechen und handeln“ (Siehe Interview vom 8. Juni 2012). Wir können kein Stillschweigen bewahren im Angesicht des allumfassenden Glaubensabfalles, auch nicht vor dem schwindelerregendem Zusammenbruch der Berufungen und des religiösen Lebens. Wir können nicht schweigen zu dieser „schleichenden Apostasie“ und ihren Ursachen. Denn ein Schweigen in Glaubensfragen ist nicht die Antwort auf diese „stillschweigende Apostasie“, die selbst Johannes-Paul II. im Jahr 2003 festgestellt hat.
In dieser Vorgehensweise sind wir uns nicht nur in der Festigkeit der Lehre von Erzbischof Lefebvre einig, sondern auch in seiner pastoralen Liebe. Die Kirche hat die Einheit der ersten Christen im Gebet und in der Liebe immer als das größte Zeugnis für die Wahrheit angesehen. Sie waren „ein Herz und eine Seele“, berichtet die Apostelgeschichte (Kap. 4,32).
Das interne Rundschreiben der Bruderschaft trägt den Titel „Cor unum“, das ist ein allgemeines Ideal, eine Regel für alle. Auch distanzieren wir uns mit Nachdruck von all denen, welche von der Situation profitieren wollten, um Unkraut zu säen durch das Aufbringen der Mitglieder der Bruderschaft gegeneinander. Dieser Geist kommt nicht von Gott.
DICI: Was bedeutet für Sie die Ernennung von Bischof Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der Glaubenskongregation?
Bischof Fellay: Der ehemalige Bischof von Regensburg, in dessen Diözese sich unser Seminar von Zaitzkofen befindet, schätzt uns nicht, das ist für niemanden ein Geheimnis. Nach der mutigen Tat von Benedikt XVI. 2009 zu unseren Gunsten schien er nicht im mindesten im gleichen Sinn mitarbeiten zu wollen. Er hat uns wie Parias behandelt. Schließlich war er es, der erklärt hat, dass unser Seminar geschlossen werden müsste und dass unsere Studenten in die Seminare ihres Herkunftslandes gehen müssten, bevor er unumwunden verkündete: „Die vier Bischöfe der Bruderschaft müssten alle demissionieren!“ (siehe Interview in der „Zeit online“ vom 8. Mai 2009).
Aber noch wichtige und noch beunruhigender für uns ist die Rolle, die er an der Spitze der Glaubenskongregation wird aufnehmen müssen. Ihre Aufgabe ist es, den Glauben zu verteidigen, mit der besonderen Mission, die Lehrirrtümer und die Häresien zu bekämpfen. Denn mehrere Texte von Bischof Müller über die wirkliche Transsubstantiation von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi, über das Dogma der Jungfrauengeburt, über die Notwendigkeit für die Nichtkatholiken, sich zur katholischen Kirche zu bekehren… sind mehr als fragwürdig. Ohne jeden Zweifel wären sie früher Gegenstand einer Intervention von Seiten des Heiligen Offiziums gewesen, aus dem die Glaubenskongregation hervorgegangen ist, welcher er heute vorsteht.
DICI: Wie sieht die Zukunft der Priesterbruderschaft St. Pius X. aus? Ist sie in ihrem Kampf für die Tradition der Kirche immer noch auf der Gratwanderung?
Bischof Fellay: Mehr denn je müssen wir diese Gratwanderung effektiv bewahren, die durch unseren verehrten Gründer festgelegt ist. Das ist ein schwer einzuhaltender Weg, aber absolut lebensbringend für die Kirche und den Schatz ihrer Tradition. Wir sind Katholiken, wir anerkennen den Papst und die Bischöfe, müssen aber vor allem den Glauben unverändert bewahren, welche Quelle der Gnade des lieben Gottes ist. Als Folge daraus muss man all das vermeiden, was ihn in Gefahr bringen könnte, ohne uns jedoch an die Stelle der katholischen, apostolischen und römischen Kirche zu setzen. Fern sei von uns die Idee, eine Parallelkirche zu begründen, die ein paralleles Lehramt ausübt.
Erzbischof Lefebvre hat das vor mehr als 30 Jahren sehr gut erklärt: Er wollte nur das weitergeben, was er von der zweitausendjährigen Kirche bekommen hat. Und das ist alles, was wir in seiner Nachfolge wollen, denn nur so können wir wirksam helfen, „alles in Christus zu erneuern“. Nicht wir brechen mit Rom, dem ewigen Rom, der Lehrmeisterin der Weisheit und der Wahrheit. Auf der anderen Seite wäre es unrealistisch, den modernistischen und liberalen Einfluss zu leugnen, der seit dem II. Vatikanum und den aus ihm hervorgegangenen Reformen innerhalb der Kirche ausgeübt wird. Mit einem Wort gesagt: Wir bewahren den Glauben im Primat des römischen Pontifex und in der auf Petrus gegründeten Kirche, aber wir lehnen alles ab, was zur „Selbstzerstörung der Kirche“ beiträgt, wie von Paul VI. selbst 1968 ausgedrückt. Möge Unsere Liebe Frau, die Mutter der Kirche, den Tag ihrer authentischen Erneuerung beschleunigen.
Interview: DICI
Bild: Dieter Volkerts
Sehr klare Aussagen des Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht sagen, weil die Position des Generalkapitels in Kürze nach Rom geht und danach auch veröffentlicht wird.
Erleichtert und dankbar fühle ich mich, dass die bedrohte Einheit der Piusbruderschaft ganz offensichtlich wieder gestärkt ist. Denn ich halte die Krise der katholischen Kirche inzwischen für so schwerwiegend, dass die Priesterbruderschaft dringend gebraucht wird.
Ich will niemanden provozieren, es liegt mir völlig fern. Doch ich bin überzeugt, dass sich die Nachkonzilskirche allein nicht mehr im Glauben erneuern kann.
Wann die Einheit mit Rom kommt, ist im Willen Gottes begründet. Sie wird kommen. Bis dahin wünsche ich der Piusbruderschaft auf ihrer schwierigen Gratwanderung Gottes Segen. Oder ich habe dafür zu beten…
auch mich freut, das die Einheit in der Piusbruderschaft wieder hergestellt ist.
@cuppa
ich bin auch völlig der Meinung das nur durch derartige Gemeinschaften wie die Piusbruderschaft aber auch die Petrusbruderschaft die nachkonziliaren Verluste wieder herstellen können.
Ich wünsche Bischof Fellay und seine Bruderschaft viel Geschick und Gottes Segen für dieses Vorhaben.
Ich freue mich auch über die widerhergestellte Einheit nach außen und innen.
Ich möchte ein Zitat bringen, das mir in der letzten Zeit immer einmal wieder in den Sinn kam
Es stammt von Pater Christopher Brandler, er ist Mitglied der Priesterbruderschaft Sankt Pius X..
Nebenbei: Pater Brandler stammt aus einer Rabbinerfamilie und ist Konvertit.
„Gott züchtigt sein Volk im Alten Testament. Israel gab ein schlechtes Beispiel, und musste bestraft werden, denn „wen der Herr liebt, züchtigt er.“ Wir traditionelle Katholiken haben eine Züchtignug verdient, wenn man bedenkt, wie wir einander behandeln, und wie viele Menschen wir aus unseren Kapellen durch unseren Fanatismus, unsere Intoleranz und Feindseligkeit vertrieben wurden. Fassen wir vielleicht folgenden Entschluss: Jedes Jahr werde ich mit jemanden versöhnen, der mich beleidigt hat, oder durch welchen ich beleidigt wurde. Jedes Jahr werde ich versuchen, einen Konvertiten in die Kirche zu bringen. Das ist sicherlich ein Werk, für das Euch Gott segnen wird. Versöhnung und missionarischer Eifer. Das ist das Evangelium. Das ist Tradition. Das ist die katholische Kirche.“
Grundsatzerklärung des Generalkapitels der Priesterbruderschaft St. Pius X.
(…)Wir haben die notwendigen Bedingungen für eine eventuelle kanonische Normalisierung definiert und angenommen. Es wurde festgelegt, dass in diesem Fall vorher ein ausserordentliches, beschließendes Kapitel einberufen wird.(…)
http://www.dici.org/en/documents/grundsatzerklarung-des-generalkapitels-der-priesterbruderschaft-st-pius‑x/
Stellungnahme des Vatikan:
Die Grundsatzerklärung wurde zur Kenntnis genommen. Man wartet auf eine offizielle Antwort der Priesterbruderschaft, um den Dialog fortführen zu können.
siehe
http://press.catholica.va/news_services/bulletin/news/29494.php?index=29494&lang=it#TESTO%20IN%20LINGUA%20INGLESE
Danke, @Beobachter, für den Hinweis.
„(…) Wir haben unsere Einheit wiedergefunden in der wesentlichen Aufgabe der Bruderschaft: den katholischen Glauben zu bewahren und zu verteidigen, gute Priester heranzubilden und an der Erneuerung der Christenheit zu arbeiten .…“
Die Verantwortung, ob die Piusbruderschaft innerhalb der Kirche den Glauben verteidigen darf oder wieder ins Exil verbannt wird, liegt allein beim Heiligen Stuhl. Da lag sie schon immer…
„Die katholische Kirche ist die einzige Institution, die ihre Mitglieder nicht an den Zeitgeist versklavt“, sagte Chesterton. Bis zum Überdruss wurde und wird Chesterton in den letzten 45 Jahren widerlegt.
Die Grundsatzerklärung des Generalkapitels ist kein „Zeitgeistdokument“. Diese Erklärung ist katholisch. Und deshalb wird sie angegriffen werden. Nur deshalb…
@cuppa, gerne geschehen…
„(…)..Die Verantwortung, ob die Piusbruderschaft innerhalb der Kirche den Glauben verteidigen darf oder wieder ins Exil verbannt wird, liegt allein beim Heiligen Stuhl. Da lag sie schon immer…(…)
Absolut richtig, selbst für Kardinal Kurt Koch ist Meinungsvielfalt in der Kirche normal .
siehe
http://kipa-apic.ch/index.php?pw=&na=0,0,0,0,d&ki=233617
Dies sollte demnach gerechtigkeitshalber auch für die Standpunkte der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. gelten und nicht nur für (halb)liberale Ansichten.
Interessanter Artikel bezüglich des Konzils auch von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt
siehe
http://www.kathnews.de/das-zweite-vatikanische-konzil