Interview mit S.E. Bischof Bernard Fellay anlässlich des Generalkapitels der Priesterbruderschaft St. Pius X.


Das Schwei­gen in Glau­bens­fra­gen ist nicht die Ant­wort auf die „still­schwei­gen­de Apostasie“

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DICI: Wie ist das Gene­ral­ka­pi­tel ver­lau­fen, in wel­cher Atmosphäre?

Bischof Fel­lay: Haupt­säch­lich in einer sehr enga­gier­ten Atmo­sphä­re, denn die Mit­glie­der des Kapi­tels konn­ten sich in aller Offen­heit aus­tau­schen, wie es einem sol­chen Arbeits­tref­fen entspricht.

DICI: Wur­den die Bezie­hun­gen zu Rom behan­delt? Gab es kei­ne uner­laub­ten Fra­gen? Konn­ten die Diver­gen­zen inner­halb der FSSPX, die sich in der letz­ten Zeit gezeigt haben, geglät­tet werden?

Bischof Fel­lay: Was Rom betrifft, sind wir wirk­lich der Sache auf den Grund gegan­gen, und alle Kapi­tel­teil­neh­mer konn­ten Ein­sicht in das voll­stän­di­ge Dos­sier neh­men. Nichts wur­de bei­sei­te gelas­sen, es gibt kei­ne Tabus unter uns. Ich sah es als mei­ne Pflicht an, prä­zi­se die Gesamt­heit aller Doku­men­te, die mit dem Vati­kan aus­ge­tauscht wur­den, dar­zu­le­gen. Genau das wur­de durch das schäd­li­che Kli­ma der letz­ten Mona­te sehr schwie­rig gemacht. Die­ses Expo­sé hat eine offe­ne Dis­kus­si­on ermög­licht, wel­che die Zwei­fel auf­ge­klärt und die Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten besei­tigt hat. Das hat den Frie­den und die Ein­heit der Her­zen geför­dert, und das ist sehr erfreulich.

DICI: Wie sehen Sie die Bezie­hun­gen zu Rom nach die­sem Kapitel?

Bischof Fel­lay: Alle Unklar­hei­ten unse­rer­seits wur­den auf­ge­ho­ben. Wir wer­den in sehr kur­zer Zeit Rom die Posi­ti­on des Kapi­tels zukom­men las­sen, das uns die Gele­gen­heit gege­ben hat, unse­re Marsch­rou­te zu prä­zi­sie­ren. Wir bestehen auf der Bewah­rung unse­rer Iden­ti­tät, was das ein­zi­ge wirk­sa­me Mit­tel dar­stellt, um der Kir­che zu hel­fen, die Chri­sten­heit zu erneu­ern. So wie ich ihnen kürz­lich gesagt habe: „Wenn wir den Schatz der Tra­di­ti­on für das Heil der See­len frucht­bar machen wol­len, müs­sen wir spre­chen und han­deln“ (Sie­he Inter­view vom 8. Juni 2012). Wir kön­nen kein Still­schwei­gen bewah­ren im Ange­sicht des all­um­fas­sen­den Glau­bens­ab­fal­les, auch nicht vor dem schwin­del­erre­gen­dem Zusam­men­bruch der Beru­fun­gen und des reli­giö­sen Lebens. Wir kön­nen nicht schwei­gen zu die­ser „schlei­chen­den Apo­sta­sie“ und ihren Ursa­chen. Denn ein Schwei­gen in Glau­bens­fra­gen ist nicht die Ant­wort auf die­se „still­schwei­gen­de Apo­sta­sie“, die selbst Johan­nes-Paul II. im Jahr 2003 fest­ge­stellt hat.

In die­ser Vor­ge­hens­wei­se sind wir uns nicht nur in der Festig­keit der Leh­re von Erz­bi­schof Lefeb­v­re einig, son­dern auch in sei­ner pasto­ra­len Lie­be. Die Kir­che hat die Ein­heit der ersten Chri­sten im Gebet und in der Lie­be immer als das größ­te Zeug­nis für die Wahr­heit ange­se­hen. Sie waren „ein Herz und eine See­le“, berich­tet die Apo­stel­ge­schich­te (Kap. 4,32).

Das inter­ne Rund­schrei­ben der Bru­der­schaft trägt den Titel „Cor unum“, das ist ein all­ge­mei­nes Ide­al, eine Regel für alle. Auch distan­zie­ren wir uns mit Nach­druck von all denen, wel­che von der Situa­ti­on pro­fi­tie­ren woll­ten, um Unkraut zu säen durch das Auf­brin­gen der Mit­glie­der der Bru­der­schaft gegen­ein­an­der. Die­ser Geist kommt nicht von Gott.

DICI: Was bedeu­tet für Sie die Ernen­nung von Bischof Ger­hard Lud­wig Mül­ler zum Prä­fek­ten der Glaubenskongregation?

Bischof Fel­lay: Der ehe­ma­li­ge Bischof von Regens­burg, in des­sen Diö­ze­se sich unser Semi­nar von Zaitz­kofen befin­det, schätzt uns nicht, das ist für nie­man­den ein Geheim­nis. Nach der muti­gen Tat von Bene­dikt XVI. 2009 zu unse­ren Gun­sten schien er nicht im min­de­sten im glei­chen Sinn mit­ar­bei­ten zu wol­len. Er hat uns wie Pari­as behan­delt. Schließ­lich war er es, der erklärt hat, dass unser Semi­nar geschlos­sen wer­den müss­te und dass unse­re Stu­den­ten in die Semi­na­re ihres Her­kunfts­lan­des gehen müss­ten, bevor er unum­wun­den ver­kün­de­te: „Die vier Bischö­fe der Bru­der­schaft müss­ten alle demis­sio­nie­ren!“ (sie­he Inter­view in der „Zeit online“ vom 8. Mai 2009).

Aber noch wich­ti­ge und noch beun­ru­hi­gen­der für uns ist die Rol­le, die er an der Spit­ze der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on wird auf­neh­men müs­sen. Ihre Auf­ga­be ist es, den Glau­ben zu ver­tei­di­gen, mit der beson­de­ren Mis­si­on, die Lehr­irr­tü­mer und die Häre­si­en zu bekämp­fen. Denn meh­re­re Tex­te von Bischof Mül­ler über die wirk­li­che Trans­sub­stan­tia­ti­on von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Chri­sti, über das Dog­ma der Jung­frau­en­geburt, über die Not­wen­dig­keit für die Nicht­ka­tho­li­ken, sich zur katho­li­schen Kir­che zu bekeh­ren… sind mehr als frag­wür­dig. Ohne jeden Zwei­fel wären sie frü­her Gegen­stand einer Inter­ven­ti­on von Sei­ten des Hei­li­gen Offi­zi­ums gewe­sen, aus dem die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on her­vor­ge­gan­gen ist, wel­cher er heu­te vorsteht.

DICI: Wie sieht die Zukunft der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. aus? Ist sie in ihrem Kampf für die Tra­di­ti­on der Kir­che immer noch auf der Gratwanderung?

Bischof Fel­lay: Mehr denn je müs­sen wir die­se Grat­wan­de­rung effek­tiv bewah­ren, die durch unse­ren ver­ehr­ten Grün­der fest­ge­legt ist. Das ist ein schwer ein­zu­hal­ten­der Weg, aber abso­lut lebens­brin­gend für die Kir­che und den Schatz ihrer Tra­di­ti­on. Wir sind Katho­li­ken, wir aner­ken­nen den Papst und die Bischö­fe, müs­sen aber vor allem den Glau­ben unver­än­dert bewah­ren, wel­che Quel­le der Gna­de des lie­ben Got­tes ist. Als Fol­ge dar­aus muss man all das ver­mei­den, was ihn in Gefahr brin­gen könn­te, ohne uns jedoch an die Stel­le der katho­li­schen, apo­sto­li­schen und römi­schen Kir­che zu set­zen. Fern sei von uns die Idee, eine Par­al­lel­kir­che zu begrün­den, die ein par­al­le­les Lehr­amt ausübt.

Erz­bi­schof Lefeb­v­re hat das vor mehr als 30 Jah­ren sehr gut erklärt: Er woll­te nur das wei­ter­ge­ben, was er von der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Kir­che bekom­men hat. Und das ist alles, was wir in sei­ner Nach­fol­ge wol­len, denn nur so kön­nen wir wirk­sam hel­fen, „alles in Chri­stus zu erneu­ern“. Nicht wir  bre­chen mit Rom, dem ewi­gen Rom, der Lehr­mei­ste­rin der Weis­heit und der Wahr­heit. Auf der ande­ren Sei­te wäre es unrea­li­stisch, den moder­ni­sti­schen und libe­ra­len Ein­fluss zu leug­nen, der seit dem II. Vati­ka­num und den aus ihm her­vor­ge­gan­ge­nen Refor­men inner­halb der Kir­che aus­ge­übt wird. Mit einem Wort gesagt: Wir bewah­ren den Glau­ben im Pri­mat des römi­schen Pon­ti­fex und in der auf Petrus gegrün­de­ten Kir­che, aber wir leh­nen alles ab, was zur „Selbst­zer­stö­rung der Kir­che“ bei­trägt, wie von Paul VI. selbst 1968 aus­ge­drückt. Möge Unse­re Lie­be Frau, die Mut­ter der Kir­che, den Tag ihrer authen­ti­schen Erneue­rung beschleunigen.

Inter­view: DICI
Bild: Die­ter Volkerts

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