(Vatikan) Die Entscheidung ist gefallen. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wird von der Kirche kanonisch anerkannt. Msgr. Bernard Fellay hat eine modifizierte „Doktrinelle Präambel“ unterzeichnet.
Bei der Frage nach dem genauen Zeitplan der kanonischen Eingliederung und dem künftigen Rechtsstatus, zum Beispiel ob die Form von Personalordinariaten oder einer Personalprälatur gewählt wird, gibt es zwar noch hinhaltenden Widerstand von Teilen der römischen Kurie. Die Grundfrage wird davon jedoch nicht mehr beeinträchtigt.
Zeitplan von „einigen Wochen“
Die Glaubenskongregation wird in den nächsten Wochen, voraussichtlich am 11. Mai die „Präambel“ mit ihren Ergänzungen und leichten Umformulierungen behandeln. Anschließend wird sie dem Papst vorgelegt werden. Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi rechnet mit einem Zeitraum von „einigen Wochen“.
In den vergangenen Wochen fand auf offiziöser Ebene zwischen beiden Seiten bereits eine intensive Abklärung statt, weshalb keine monatelange Prüfung der Antwort mehr notwendig ist. Diese Vorarbeit unter Einhaltung strikter Diskretion macht eine rasche Umsetzung der kanonische Eingliederung der Bruderschaft möglich. Laut angepeiltem Zeitplan des Heiligen Stuhls scheint die kirchenrechtliche Anerkennung noch vor der Sommerpause möglich. Der genaue Ablauf werde sich an den besonderen Notwendigkeiten ausrichten und an der kirchlichen Praxis.
Eine Chronologie der Ereignisse:
August 2005: Papst Benedikt XVI. empfängt wenige Monate nach seiner Wahl den Generaloberen der Piusbruderschaft in Audienz. Der Papst äußert dabei den Wunsch, daß die Piusbruderschaft zur vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche gelangt.
7. Juli 2007: Papst Benedikt XVI. erläßt das Motu Proprio Summorum Pontificum und erlaubt als „außerordentliche Form des römischen Ritus“ allgemein die Feier der Heiligen Messe im Alten Ritus nach dem Missale von 1962.
15. Dezember 2008: Msgr. Fellay bittet in einem Schreiben an die für die Gemeinschaften der Tradition zuständige Päpstliche Kommission Ecclesia Dei in seinem und im Namen der drei anderen Bischöfe der Bruderschaft um die Aufhebung des Exkommunikationsdekret. Er sichert die Anerkennung des päpstlichen Primats und die Annahme der Lehren des Papstes zu.
21. Januar 2009: Die Bischofskongregation hebt mit Dekret die „Exkommunikation“ der vier Bischöfe Bernard Fellay, Alfonso de Gallareta, Bernard Tissier de Mallerais und Richard Williamson auf.
8. Juli 2009: Papst Benedikt XVI. lädt die Piusbruderschaft zu Gesprächen über Lehrfragen nach Rom ein, um die Möglichkeit einer Versöhnung auszuloten.
26. Oktober 2009: Am Sitz der Glaubenskongregation in Rom beginnen die theologischen Gespräche in einer „herzlichen, respektvollen und konstruktiven Atmosphäre“. In den kommenden anderthalb Jahren finden rund zehn solcher Gespräche statt.
14. September 2011: Kardinal Levada, der Präfekt der Glaubenskongregation, übergibt dem Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Rom eine „Doktrinelle Präambel“. Ihre Anerkennung und Unterzeichnung wird vom Heiligen Stuhl zur Bedingung für die Versöhnung und kanonischen Errichtung der Piusbruderschaft gemacht. Änderungen an der Formulierung sind möglich.
7. Oktober 2011: Am italienischen Distriktsitz in Albano Laziale bei Rom tagen die Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. und beraten über die Antwort auf die „Doktrinelle Präambel“. Trotz Meinungsverschiedenheiten wird die Position des Generaloberen Fellay gestärkt.
21. Dezember 2011: Die Piusbruderschaft übermittelt Rom eine erste Antwort, die von Rom jedoch nicht als solche betrachtet wird.
14. Januar 2012: Msgr. Fellay übermittelt Rom eine zweite Antwort der Bruderschaft, die vom Heiligen Stuhl einer eingehenden Prüfung unterzogen wird.
16. März 2012: Kardinal Levada erklärt Msgr. Fellay bei einem Treffen in Rom, daß die bisherige Antwort der Piusbruderschaft „ungenügend“ ist und der Heilige Stuhl sich innerhalb eines Monats eine endgültige Antwort erwartet, ohne diese Aufforderung an ein Ultimatum zu koppeln.
17. April 2012: Bischof Fellay übergibt dem Heiligen Stuhl die von ihm im Namen der Bruderschaft anerkannte und unterzeichnete modifizierte „Doktrinelle Präambel“. Mit der Zustimmung des Papstes wird der Weg für die kanonische Errichtung der Piusbruderschaft in der katholischen Kirche offenstehen.
18. April 2012: Der Heilige Stuhl bestätigt den Eingang der Antwort, die Papst Benedikt XVI. vorgelegt wird.
Das schwierige Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten
1970 war die Bruderschaft von Erzbischof Marcel Lefebvre, einem Franzosen, als Vereinigung diözesanen Rechts in der Schweizer Diözese Freiburg, Genf und Lausanne kanonisch errichtet worden. Der Status wurde ihr jedoch 1975 durch den Bischof von Sitten aberkannt. Auf „Druck der französischen Bischöfe“ hin, sei der damalige Kardinalstaatssekretär Jean-Marie Villot, ebenfalls Franzose, gegen die Bruderschaft vorgegangen. Ihr Widerstand gegen die Neuerungen nach dem Konzil sollte gebrochen werden. So jedenfalls die Darstellung der Bruderschaft.
Die Piusbruderschaft vertrat nach ihrer kanonischen Aufhebung den Standpunkt, daß laut Kirchenrecht nur der Papst eine solche verfügen hätte können, nicht aber ein Diözesanbischof. Eine päpstliche Aufhebung fand aber nie statt. Da sich die Bruderschaft daher nicht an die Aufhebung hielt, suspendierte Papst Paul VI. Erzbischof Lefebvre wegen unerlaubter Priesterweihen. Damit durfte er seine Weiheämter als Bischof und Priester nicht mehr ausüben. Zum Vergleich: Dieselbe Suspension wurde von der Kirche später im deutschen Sprachraum, wenn auch aus ganz anderen Gründen gegen die „Linksabweicher“ Eugen Drewermann, Gottlob Hasenhüttl und Franz Sabo verhängt, die ihr Priestertum nicht mehr ausüben dürfen.
1975 begann Kettenreaktion kirchenrechtlicher Sanktionen
Auch an diese Suspendierung fühlte sich Msgr. Lefebvre und die Piusbruderschaft nicht gebunden, da sie direkte Folge einer nicht rechtmäßigen Aufhebung der Bruderschaft durch den Bischof von Sitten gewesen sei. Da es sich um einseitige von Rom nicht geteilte Erklärungen handelte, geriet die Bruderschaft so weit an den Rand der Kirche, daß sie für den Rest der Kirche bereits als außerhalb der Kirche stehend wahrgenommen wurde.
Innerkirchlich wurde die Bruderschaft entsprechend geschnitten, ausgegrenzt und in den 70er und 80er Jahren teilweise sogar als „Sekte“ verunglimpft.
1988 weihte Bischof Lefebvre gegen den Willen von Papst Johannes Paul II. vier Bischöfe. Er begründete die Entscheidung mit einer Notsituation. Durch sein fortgeschrittenes Alter sei andernfalls der Fortbestand der Bruderschaft nicht gesichert. Für Rom reihte sich ein weiterer Ungehorsam in eine lange Kette ein. Ein suspendierter Bischof weihte unrechtmäßig Bischöfe für eine nicht anerkannte Gemeinschaft.
Die römische Bischofskongregation erklärte, daß sich die weihenden und die geweihten Bischöfe durch ihre unrechtmäßige Handlung automatisch die Exkommunikation zugezogen hatten. Die Weihen selbst waren jedoch gültig.
Das „Schisma“, das keines war
Im innerkirchlichen Konflikt wurde daraufhin vielfach von einem Schisma gesprochen. An der Frage des Gehorsams zerbrach die Einheit der traditionsverbundenen Gruppen. Durch Abspaltungen von der Piusbruderschaft entstanden traditionsverbundene Neugründungen, die einen kanonisch anerkannten Status in der Kirche erhielten. Für sie errichtete Papst Johannes Paul II. die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei. Auch dies ein Novum und eine Stärkung der „Tradition“ in der Kirche. Es darf angenommen werden, daß bei den Verhandlungen zwischen der Piusbruderschaft und Rom im Vorfeld der unrechtmäßigen Bischofsweihen, von Joseph Kardinal Ratzinger der Bruderschaft jener kirchenrechtliche Status angeboten wurde, den dann die Petrusbruderschaft oder das Institut Christus König und Hoherpriester, um nur zwei Beispiele zu nennen, erhalten haben. Der Heilige Stuhl selbst vermied es, von einem Schisma zu sprechen und die Piusbruderschaft beharrte auf ihrem Treuebekenntnis zu Kirche und Papst.
Offizielle Kontakte zwischen Bruderschaft und Diözesen gab es faktisch nicht, jedenfalls nicht öffentlich bekannte. Die meisten Diözesen ignorierten die „Traditionalisten“. Die Kontakte und Beziehungen zu einigen römischen Stellen waren in der Regel besser. Hatte der damalige Kardinal Joseph Kardinal Ratzinger 1988 auf die Errichtung der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei gedrängt und damit der „Tradition“ in der Kirche erstmals als solcher Heimatrecht verschafft, so war es derselbe, der als Papst Benedikt XVI. gegen starke innerkirchliche Widerstände mit viel Geduld mit allen Seiten auf die Versöhnung mit der Piusbruderschaft hinarbeitete.
Mit der Wahl Benedikts XVI. begann „freundliches Gesprächsklima“
Im Generaloberen der Bruderschaft, Msgr. Bernard Fellay fand Benedikt XVI. das geeignete Gegenüber, wie bereits das „freundliche Gesprächsklima“ im August 2005 auf Castel Gandolfo bei Rom zeigte. Msgr. Fellay gelang es, im Laufe der Jahre gegen nicht unerhebliche interne Widerstände, die Bruderschaft von der Richtigkeit einer Einigung mit Rom zu überzeugen und gleichzeitig die Einheit derselben weitgehend zu bewahren.
Bis zuletzt gab es Störmanöver auf beiden Seiten, um die angestrebte Einigung zu Fall zu bringen.
Text: Giuseppe Nardi
Bilder: Wikimedia/Dieter Volkerts
Die FSSPX dämpft die Freude noch:
http://pius.info/generalhaus/stellungnahmen/6634-erklaerung-des-generalhauses (18.4.)
„… Wie es die Presseerklärung der päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ von heute angibt, wird der Text dieser Antwort « vom Dikasterium (die Glaubenskongregation) geprüft und anschließend dem Urteil des Heiligen Vaters unterbreitet »
Es handelt sich also um eine Etappe und nicht um einen Abschluss.“