Der Papst und die Erneuerung der Kirche zwischen „unruhigen Katholiken“ und Post-Feminismus


(Vati­kan) Bene­dikt XVI. greift selbst gegen unge­hor­sa­me Prie­ster ein und rüt­telt den zustän­di­gen Wie­ner Erz­bi­schof auf. Der Papst sprach bei der Chri­sam-Mes­se ein eben­so kate­go­ri­sches wie histo­ri­sches „Nein“ aus. Letz­te­res muß erst die Geschich­te bestä­ti­gen, doch ist man in Rom über­zeugt davon. „Unge­hor­sam“ und „Frau­en­prie­ster­tum“ sind kein „Weg, um die Kir­che zu erneu­ern“, so der Papst. Die Ant­wort gilt einer rebel­lie­ren­den öster­rei­chi­schen Prie­ster- und Lai­en­fron­de, meint aber nicht nur die­se. Bene­dikt XVI. erteil­te den „unru­hi­gen Katho­li­ken“ („cat­to­li­ci irre­quie­ti“), wie die nörd­lich der Alpen ange­sie­del­ten „Rebel­len“ im Vati­kan genannt wer­den, so der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri, eine kla­re Absage.

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Papst sagt Nein zu For­de­run­gen der „unru­hi­gen Katholiken“

Die Wor­te, die der Papst am Beginn des Tri­du­um Pascha­lis aus­sprach, sind für die Gesamt­kir­che von gro­ßer Bedeu­tung. Bene­dikt XVI. woll­te damit den Ernst der Sache unter­strei­chen. Rom durch­lebt den Wider­spruch und den Unge­hor­sam, die Tei­le Euro­pas beu­teln, durch­aus mit Sor­ge. Die „Sor­ge“ Roms ist es, die Glau­bens­wahr­heit inte­ger zu bewahren.

Schön­born-Ent­schei­dung für Vati­kan „uner­klär­lich“

Hin­zu kommt die Ent­schei­dung des Wie­ner Erz­bi­schofs, Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born – eine „uner­klär­li­che“ Ent­schei­dung („inspie­ga­bile“) wie es im Vati­kan heißt -, die Wahl eines Homo­se­xu­el­len, der in einer staat­lich ein­ge­tra­ge­nen Homo-Part­ner­schaft lebt, in den Pfarr­ge­mein­de­rat zu akzep­tie­ren. Die­se öffent­li­che Aner­ken­nung einer Hal­tung, die im Gegen­satz zur Leh­re der Kir­che steht und zudem offen­siv zur Schau gestellt wird, reiht sich in eine Ket­te von Ent­schei­dun­gen Kar­di­nal Schön­borns ein, die im Vati­kan kei­ne Bil­li­gung finden.

Bischöf­li­ches Ver­sa­gen zwingt Papst einzugreifen

Der Papst sah sich zum Ein­grei­fen genö­tigt, weil der Wie­ner Kar­di­nal sei­nen Pflich­ten als regie­ren­der Erz­bi­schof nicht nach­kommt, wobei im Vati­kan, wo Kar­di­nal Schön­born als Mensch und Theo­lo­ge durch­aus ange­se­hen und geschätzt ist, Unklar­heit dar­über zu herr­schen scheint, ob sei­ne Schwä­che aus einer Über­for­de­rung des Theo­lo­gen durch das Bischofs­amt kommt, das auch Dis­zi­pli­nar­ge­walt beinhal­tet, oder aus einem ihm nach­ge­sag­ten Hang zur Har­mo­nie, der um fast jeden Preis Kon­flik­te ver­mei­den will. Die Reak­ti­on des Kar­di­nals auf die Papst­wor­te wei­sen in die­se Rich­tung. Der Wie­ner Erz­bi­schof „erkauft“ sich die Ruhe um einen zu hohen Preis, wie man im Vati­kan meint. Ein nach der Papst-Schel­te gege­be­nes Inter­view des Kar­di­nals mit dem ORF (Nie­der­öster­reich-Heu­te) brach­te nicht aus­rei­chen­de Klä­rung. Die Signa­le blei­ben unscharf.

Kla­re Wor­te fand der Wie­ner Erz­bi­schof gegen die For­de­rung nach einem „Frau­en­prie­ster­tum“: „hier hat die Kir­che nicht die Voll­macht, das von Jesus Über­kom­me­ne zu ändern“. Eben­so beton­te der Kar­di­nal, „das Wort ‚Unge­hor­sam‘ kann so nicht ste­hen blei­ben. Ich den­ke, wir brau­chen hier eine Klä­rung, auch eine öffent­li­che Klä­rung, und ich den­ke, wir müs­sen sie bald ange­hen“. Es bleibt die Fra­ge, war­um man seit dem „Auf­ruf zum Unge­hor­sam“ der „Pfar­rer­initia­ti­ve“ des von Kar­di­nal Schön­born 1999 als Gene­ral­vi­kar ent­las­se­nen Msgr. Hel­mut Schül­ler soviel Zeit ver­strei­chen ließ und es offen­sicht­lich deut­li­cher Wor­te des Pap­stes bedurf­te, um tätig zu wer­den. Zum Fall Stüt­zen­ho­fen blieb der Kar­di­nal wei­ter­hin wage. Eine Aus­set­zung der Wahl Stangls zum Pfarr­ge­mein­de­rat bis die­ser sei­ne Posi­ti­on über­den­ken und klä­ren könn­te, scheint nicht beab­sich­tigt. Künf­tig wer­den sich ande­re auf die­sen Prä­ze­denz­fall beru­fen können.

Papst: wah­re Erneue­rung ver­rät die Glau­bens­leh­re nicht

Der Papst erneu­er­te mit sei­nem „Nein“ gegen Irr- und Abwe­ge kraft­voll sei­ne For­de­rung nach einer authen­ti­schen Erneue­rung der Kir­che. Bene­dikt XVI. for­dert eine Erneue­rung, die nicht die Glau­bens­leh­re ver­rät. Die nicht den kurz­fri­sti­gen und eben­so kurz­sich­ti­gen Erfolg durch Anbie­de­rung an eine anti­christ­li­che Welt sucht.
Die Erneue­rung, die sich Papst Bene­dikt XVI. vor­stellt, ist eine ganz ande­re, wie er bereits durch eine Rei­he von Initia­ti­ven seit Beginn des Pon­ti­fi­kats gezeigt hat. Über die jüng­ste Initia­ti­ve berich­tet der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri in der Tages­zei­tung Il Foglio. Er spricht von einer „histo­ri­schen Initia­ti­ve“ auch ange­sichts der dunk­len Wol­ken, die sich durch Angrif­fe immer neu über der katho­li­schen Kir­che zusam­men­zie­hen, und die bereits die Zustim­mung aller füh­ren­den Stel­len im Vati­kan gefun­den habe.

„Histo­ri­sche Initia­ti­ve“ des Osser­va­to­re Roma­no zur Bedeu­tung der Frau in der Kirche

In den kom­men­den Wochen wird der Osser­va­to­re Roma­no eine Son­der­bei­la­ge zum The­ma „Frau­en, Kir­che, Welt“ ver­öf­fent­li­chen, die ganz den Frau­en gewid­met sein wird. Kon­zept und Redak­ti­on liegt in den Hän­den zwei­er ehe­ma­li­ger Femi­ni­stin­nen. Lucet­ta Sca­raf­fia und Rit­an­na Arme­ni gehö­ren seit eini­ger Zeit zu den her­aus­ra­gen­den Federn der offi­ziö­sen Tages­zei­tung des Pap­stes. Die Idee ist es, die Frau­en her­vor­zu­he­ben, die die Kir­che groß machen und auf­zu­zei­gen, daß es im Post-Femi­nis­mus durch­aus einen kir­chen­freund­li­chen „Femi­nis­mus“ gibt, wenn man die­sen Begriff ideo­lo­gie­frei ver­wen­den will. Die Kir­che ist reich, ja über­reich an bedeu­ten­den Frau­en­ge­stal­ten. Eine der bedeu­tend­sten kirch­li­chen Bewe­gun­gen unse­rer Zeit, die Foko­la­r­i­ni, wur­de von einer Frau, Chia­ra Lubich gegrün­det. Ein Ehe­paar der Foko­lar-Bewe­gung ver­faß­te die Medi­ta­ti­ons­tex­te zum dies­jäh­ri­gen Kar­frei­tags-Kreuz­weg des Pap­stes am Kolosseum.

Seit den 50er Jah­ren, als noch kei­ne Frau im Vati­kan tätig war, hat sich im Kir­chen­staat, gera­de was Prä­senz und Gewicht der Frau­en anbe­langt, viel geän­dert. Eine Ent­wick­lung, die sich in den letz­ten Jah­ren des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. und unter Bene­dikt XVI. stark beschleunigte.

2003 bekräf­tig­te die Frau des dama­li­gen bri­ti­schen Pre­mier­mi­ni­sters Che­rie Blair nach einer Audi­enz bei Johan­nes Paul II. ein undif­fe­ren­zier­tes Kli­schee über den Vati­kan und die Frau­en: „Man soll­te den Sexis­mus been­den, der noch den Vati­kan beherrscht.“ Sie tat es poli­tisch kor­rekt nicht in der Audi­enz mit dem Papst, son­dern danach. Die Wor­te waren offen­sicht­lich mehr für die Jour­na­li­sten und eine bestimm­te Kli­en­tel bestimmt, als für die katho­li­sche Kirchenführung.

Sca­raf­fia: Weib­li­che Prä­senz als Sicher­heits­me­cha­nis­mus gegen Pädophilie

Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Tar­cis­io Ber­to­ne mach­te es sich zum Ziel, die Rol­le der Frau­en in den Ent­schei­dungs­ebe­nen des Vati­kans zu stär­ken. 2007 erklär­te er in einem Inter­view der links­li­be­ra­len Tages­zei­tung La Repubbli­ca: „Wir ent­wer­fen die Neu­er­nen­nun­gen im Vati­kan, alle wis­sen es, und im Rah­men der Ver­ant­wor­tun­gen, der Cha­ris­men und der Qua­li­tä­ten der Frau­en wer­den sie Auf­ga­ben übernehmen.“

Kurz dar­auf griff Sca­raf­fia im Osser­va­to­re Roma­no das The­ma auf und schlug die Frau­en als Lösung für das Pädo­phi­lie-Pro­blem des Kle­rus vor: „Eine stär­ke­re, nicht unter­ge­ord­ne­te weib­li­che Prä­senz hät­te den Schlei­er männ­li­cher Omer­tà  zer­ris­sen, die häu­fig in der Ver­gan­gen­heit das die Unta­ten mit Schwei­gen zudeckte.“

Die Frau­en um Papst Johan­nes Paul II. und Papst Bene­dikt XVI.

Die Son­der­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no wird sich wahr­schein­lich auf die heu­te in der Kir­che akti­ven Frau­en kon­zen­trie­ren. Inzwi­schen haben die Frau­en auch inner­halb der vati­ka­ni­schen Mau­ern ein nicht uner­heb­li­ches Gewicht. Bene­dikt XVI. hat zwar nicht unmit­tel­bar auf der Ent­schei­dungs­ebe­ne Frau­en an sei­ner Sei­te, die Ein­fluß neh­men könn­ten, wie Johan­nes Paul II. mit Wan­da Pol­taws­ka und Schwe­ster Pas­ca­li­na. Bene­dikt XVI. hat jedoch vier Frau­en um sich, kei­ne Ordens­schwe­stern, son­dern Lai­en, die sich Gott geweiht haben, die sich um sei­nen Haus­halt küm­mern. Er pflegt mit ihnen einen bis­her für Päp­ste unge­wohnt herz­li­chen Umgang. Sie neh­men an sei­nen Mit­tag- und Abend­essen teil. Das ermög­licht eine ver­trau­te Gesprächs­ebe­ne ganz ohne jedes Pro­to­koll. Der Papst unter­hält bis heu­te einen „direk­ten Draht“ zu sei­ner Sekre­tä­rin, Bir­git Wan­sing vom Schön­statt-Insti­tut, seit sei­ner Zeit, als er als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on nach Rom kam. „Legen­där ist ihre Gewandt­heit, die Hand­schrift des der­zei­ti­gen Pap­stes zu ent­zif­fern, des­sen enor­me Biblio­gra­phie sie stän­dig und minu­ti­ös aktua­li­siert“, schrieb 2007 die Monats­zeit­schrift 30Giorni über sie.

Wan­sing arbei­tet gemein­sam mit Ingrid Stam­pa, die eben­falls der Schön­statt-Bewe­gung ange­hört, an der Aus­ar­bei­tung der Tex­te des Pap­stes mit. Ihnen kommt dabei ange­sichts der theo­lo­gi­schen Gei­stes­grö­ße Bene­dikts XVI. zwar nicht jenes Gewicht zu, das ande­ren im Ver­gleich wäh­rend des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. zukam, ihre Mit­ar­beit ist jedoch wertvoll.

350 Frau­en geben im Vati­kan mit den Ton an

Im Vati­kan arbei­ten gut 2000 Ange­stell­te. Mehr als 350 von ihnen sind heu­te Frau­en. Der bis­her „jüng­ste“ weib­li­che „Zugang“, der den Auf­stieg in eine füh­ren­de Funk­ti­on im Vati­kan schaff­te, ist Nic­la Spez­za­ti, Jahr­gang 1952, die vom Papst zur Unter­se­kre­tä­rin der Ordens­kon­gre­ga­ti­on ernannt wur­de. Spez­za­ti pro­mo­vier­te in Mai­land mit Aus­zeich­nung im Fach Geschich­te und absol­vier­te anschlie­ßend jeweils mit Aus­zeich­nung ein Stu­di­um der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten und der Theo­lo­gie in Rom. Die Ordens­schwe­ster beklei­de­te zahl­rei­che Auf­ga­ben in ihrem Orden, im Bil­dungs­we­sen, unter­rich­tet seit 2001 an der Uni­ver­si­tät Bari und ist Mit­glied der Euro­päi­schen Kon­fe­renz der Frau­en des Mittelmeerraums.

Hil­de­gard von Bin­gen, ein gro­ßes Frau­en­ka­pi­tel in der Kirchengeschichte

Ein ganz neu­es, gro­ßes Kapi­tel der Frau in der Kir­che will Papst Bene­dikt XVI. mit der Erhe­bung Hil­de­gards von Bin­gen zur Kir­chen­leh­re­rin aufschlagen.

Text: Palaz­zo Apostolico/​Giuseppe Nardi

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