Kardinal Schönborn, die Homosexualität und der Relativismus in Österreichs Kirche


(Wien) Ein jun­ger Öster­rei­cher, der mit sei­nem Freund zusam­men­lebt und die­se Bezie­hung im Sin­ne des in Öster­reich gel­ten­den Geset­zes als homo­se­xu­el­le Part­ner­schaft ein­tra­gen hat las­sen, wur­de mit gro­ßer Mehr­heit in den Pfarr­ge­mein­de­rat der Pfar­rei Stüt­zen­ho­fen in Nie­der­öster­reich gewählt. Stüt­zen­ho­fen gehört zur Erz­diö­ze­se Wien. Der zustän­di­ge Erz­bi­schof, Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born hat der Wahl nach einem „aus­führ­li­chen Gespräch“ und gegen die Emp­feh­lung des Orts­pfar­rers sei­nen „Segen“ erteilt. Die Fra­ge ist auch in Rom Gesprächs­ge­gen­stand, spä­te­stens seit der Vati­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li in der Tages­zei­tung La Stampa einen Arti­kel ver­öf­fent­lich­te.

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Der Fall des 26jährigen Flo­ri­an Stangl und noch mehr die Ent­schei­dung Kar­di­nal Schön­borns wird in der katho­li­schen Kir­che weit über Öster­reich hin­aus Dis­kus­sio­nen aus­lö­sen. Die Pfarr­ge­mein­de­rä­te sind eine vom Kir­chen­recht vor­ge­se­he­ne Ein­rich­tung mit dem Ziel, die Gläu­bi­gen an der Aus­ar­bei­tung und der Durch­füh­rung des Pfarr­le­bens mit­wir­ken zu las­sen. Stangl erhielt 96 von 142 abge­ge­be­nen Stimmen.

Katho­li­sche Leh­re für Katho­li­ken nur optio­nal?

Der Pfar­rer von Stüt­zen­ho­fen, Ger­hard Swier­zek for­der­te Stangl wegen des offen­sicht­li­chen Aus­le­bens sei­ner Homo­se­xua­li­tät auf, nicht die hei­li­ge Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen und auf sei­ne Wahl zu ver­zich­ten. Stangl ist jedoch der Ansicht, selbst ent­schei­den zu kön­nen, wel­chen Teil der kirch­li­chen Leh­re er für sich gel­ten läßt und wel­chen nicht: „Ich füh­le mich an die Leh­re der Kir­che gebun­den, aber die For­de­rung keusch zu leben, fin­de ich unrea­li­stisch“, so Stangl öffentlich.

In einer ersten Reak­ti­on erklär­te der Pres­se­spre­cher der Erz­diö­ze­se Wien, daß das Zusam­men­le­ben in einer ein­ge­tra­ge­nen homo­se­xu­el­len Ver­bin­dung mit der Funk­ti­on eines Pfarr­ge­mein­de­rats unver­ein­bar ist. Der jun­ge Stüt­zen­ho­fe­ner bat dar­auf um ein Gespräch mit Kar­di­nal Schön­born, der sowohl Stangl als auch des­sen Part­ner zum Mit­tag­essen ins erz­bi­schöf­li­che Palais ein­lud. Nach der Begeg­nung ver­öf­fent­lich­te der Erz­bi­schof eine neue Stel­lung­nah­me. Dar­in tat er kund, daß es „auch unter den Pfarr­ge­mein­de­rä­ten vie­le“ gebe, „deren Lebens­ent­wür­fe nicht in allem den Idea­len der Kir­che ent­spre­chen. Im Blick auf ihr jewei­li­ges Lebens­zeug­nis in sei­ner Gesamt­heit und auf ihr Bemü­hen um ein Leben aus dem Glau­ben freut sich die Kir­che über ihr Enga­ge­ment. Damit stellt sie die Idea­le nicht in Frage.“

Kar­di­nal Schön­born „beein­druckt“

Schön­born lob­te die Teil­nah­me Stangls am Pfarr­le­ben der nie­der­öster­rei­chi­schen Pfar­rei und stell­te fest, daß die „Form­feh­ler“ bei der Wahl nicht das Wahl­er­geb­nis selbst in Fra­ge stel­len“. Der Kar­di­nal führ­te aus, vom Glau­ben Stangls „sehr beein­druckt“ zu sein. Er kön­ne nun ver­ste­hen, war­um die Pfarr­an­ge­hö­ri­gen ihn mit sol­cher Ein­deu­tig­keit gewählt hätten.

Der Erz­bi­schof annul­lier­te die Wahl nicht, kün­dig­te aber Ände­run­gen der Wahl­ord­nung an, um die Vor­aus­set­zun­gen genau­er zu defi­nie­ren, die Kan­di­da­ten für einen Sitz im Pfarr­ge­mein­de­rat mit­brin­gen müssen.

Schön­borns Ent­schei­dung wirft vie­le Fra­gen auf

Schön­borns Ent­schei­dung wirft mehr Fra­gen auf, als sie klärt. In sei­ner Stel­lung­nah­me geht der Kar­di­nal mit kei­nem Wort auf die kirch­li­che Leh­re zur Homo­se­xua­li­tät, objek­ti­ve Aus­schlie­ßungs- und Nich­tig­keits­grün­de bei der Wahl eines Pfarr­ge­mein­de­ra­tes oder das gel­ten­de Kir­chen­recht ein.

Aus der Stel­lung­nah­me geht eben­so wenig her­vor, wor­auf sich der Kar­di­nal für sei­ne Ent­schei­dung stützt außer sei­nen sub­jek­ti­ven Ein­drücken. Die Ent­schei­dung, die genau den Erwar­tun­gen des Main­stream ent­spricht, ruft inner­kirch­lich star­ke Irri­ta­tio­nen hervor.

Die „Form­feh­ler“ auf die Schön­born anspiel­te, bezie­hen sich auf eine ver­pflich­ten­de Erklä­rung, die alle Kan­di­da­ten, die sich einer Pfarr­ge­mein­de­rats­wahl stel­len, unter­schrei­ben müs­sen. Dar­in beken­nen sich die Kan­di­da­ten zur Glau­bens­leh­re und zur kirch­li­chen Ordnung.

Die katho­li­sche Kir­che ver­ur­teilt nicht die Homo­se­xu­el­len als Per­so­nen, sehr wohl aber das Aus­le­ben der Homo­se­xua­li­tät und lehnt des­halb jede Aner­ken­nung von Son­der­rech­ten ab, die aus die­ser sexu­el­len Nei­gung her­ge­lei­tet wer­den wie die ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaf­ten oder ein Adoptionsrecht.

In Stüt­zen­ho­fen hat­ten die Kan­di­da­ten die­se Erklä­rung nicht unter­zeich­net. Die ableh­nen­de Hal­tung des Orts­pfar­rers, der in der Fra­ge die katho­li­sche Leh­re ver­tritt, scheint den Kar­di­nal nicht wei­ter zu küm­mern. Wel­che „Ände­run­gen“ des Wahl­rechts Msgr. Schön­born genau mein­te, geht aus sei­ner Erklä­rung nicht hervor.

Das Pen­del zwi­schen Main­stream und Glaubenslehre

Das Signal, das der Wie­ner Erz­bi­schof aus­sen­det ist ein­deu­tig: Der ein­zel­ne Gläu­bi­ge kann sich nach eige­nem Belie­ben jene Tei­le des  katho­li­schen Glau­ben und der kirch­li­chen Ord­nung zusam­men­su­chen, die er anneh­men und die er ableh­nen will. Aus den öffent­li­chen Erklä­run­gen geht nicht her­vor, ob der Kar­di­nal als Hir­te den pasto­ra­len Ver­such unter­nahm, das nie­der­öster­rei­chi­sche Pfarr­ge­mein­de­rats­mit­glied Stangl von der Rich­tig­keit der katho­li­schen Leh­re, weil gott­ge­wollt, zu über­zeu­gen und ihn von sei­ner aus­ge­leb­ten Homo­se­xua­li­tät abzu­brin­gen. Die Ver­laut­ba­run­gen nach dem Mit­tag­essen zu dritt las­sen dies nicht ver­mu­ten. Eben­so wenig, ob Stangl und die ande­ren Stüt­zen­ho­fe­ner Pfarr­ge­mein­de­rä­te im nach­hin­ein die ver­pflich­ten­de Erklä­rung abge­ben muß­ten und wel­che Glaub­wür­dig­keit eine sol­che im Fal­le Stangls hät­te. Die War­nun­gen Papst Bene­dikts XVI. vor einer „Dik­ta­tur des Rela­ti­vis­mus“ schei­nen im erz­bi­schöf­li­chen Palais in Wien nur ein­ge­schränkt Gehör zu finden.

Schön­born folgt Kar­di­nal Martini

Eini­ge Tage vor den Ereig­nis­sen in Öster­reich war es Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni, eme­ri­tier­ter Erz­bi­schof von Mai­land, der eine Öff­nung Rich­tung Homo-Part­ner­schaf­ten anreg­te. In einem Inter­view­buch mit Igna­zio Mari­no sprach er sich für die Ver­tei­di­gung der Fami­lie aus, die auf der Ehe von Mann und Frau beru­he. Gleich­zei­tig schie­ne es ihm „nicht schlecht“, wenn homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen eine gewis­se „Sta­bi­li­tät“ gewän­nen, wes­halb der Staat die­se auch „för­dern“ könne.

Kar­di­nal Sco­la ver­tei­digt Ehe und Familie

Völ­lig ande­rer Mei­nung ist dage­gen der regie­ren­de Erz­bi­schof von Mai­land und Nach­nach­fol­ger Mar­ti­nis, Ange­lo Kar­di­nal Sco­la. Mit Blick auf das bevor­ste­hen­de Welt­fa­mi­li­en­tref­fen in Mai­land erklär­te er, daß der „Begriff Fami­lie sich nicht für ande­re For­men des Zusam­men­le­bens eig­net. Sich den­noch dar­auf zu ver­stei­fen, ihn unbe­dingt gebrau­chen zu wol­len, ver­wirrt und führt nur dazu die kost­ba­re kon­sti­tu­tio­nel­len Aspek­te der wah­ren Fami­lie zu ent­lee­ren“, wie der Vati­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li berichtet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mes­sa in Latino

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