Leugnung des Völkermords an Armeniern in Frankreich nicht mehr strafbar – Auswirkungen auf Shoah-Leugnung unklar – Genugtuung in Türkei


(Paris) Der fran­zö­si­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof erklär­te das von bei­den Häu­sern des fran­zö­si­schen Par­la­ments beschlos­se­ne Gesetz, das die Leug­nung des Geno­zids an den christ­li­chen Arme­ni­ern durch die mos­le­mi­schen Tür­ken unter Stra­fe stellt, für ver­fas­sungs­wid­rig. Begrün­det wird die Ent­schei­dung mit der „Ver­let­zung der Mei­nungs- und Rede­frei­heit“. Die Tür­kei nahm das Urteil mit Genug­tu­ung auf. Die Leug­nung der „Sho­ah“ wird in Frank­reich hin­ge­gen wei­ter­hin straf­recht­lich ver­folgt. Die Ver­bots­ge­set­ze gegen die Leug­nung von Völ­ker­mor­den schu­fen in Frank­reich ein inein­an­der ver­floch­te­nes „Reli­gi­ons­drei­eck“ zwi­schen christ­li­chen Arme­ni­ern, mos­le­mi­schen Tür­ken und euro­päi­schen Juden, des­sen wei­te­re Ent­wick­lung noch nicht abseh­bar ist.

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Staats­prä­si­dent Nico­las Sar­ko­zy, der das von den Ver­fas­sungs­rich­tern auf­ge­ho­be­ne Gesetz unter­zeich­net hat­te, beauf­trag­te das Rechts­amt umge­hend mit der Aus­ar­bei­tung eines neu­es Geset­zes, das der Ent­schei­dung des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs Rech­nung trägt. Sako­zy ver­tritt den Stand­punkt, daß eine öffent­li­che Leug­nung des Völ­ker­mords an den christ­li­chen Arme­ni­ern „inak­zep­ta­bel sei und mit dem Gesetz bestraft wer­den müs­se“, heißt es in der offi­zi­el­len Stel­lung­nah­me der Präsidialkanzlei.

Es ist noch nicht klar, wel­che Aus­wir­kun­gen die Ent­schei­dung des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs auf ein ande­res Gesetz haben wird, das in Frank­reich die Leug­nung der Sho­ah unter Stra­fe stellt. Wer den Völ­ker­mord wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges an den Juden leug­net, kann in Frank­reich mit bis zu einem Jahr Gefäng­nis und einem Buß­geld von bis zu 45.000 Euro bestraft wer­den. Bis­her waren die­sel­ben Stra­fen auch im Gesetz gegen die Leug­nung des Geno­zids an den Arme­ni­ern vorgesehen.

77 Abge­ord­ne­te der Natio­nal­ver­samm­lung und 65 Sena­to­ren des fran­zö­si­schen Par­la­ments waren vor den Ver­fas­sungs­ge­richts­hof gezo­gen, weil sie das Gesetz für ver­fas­sungs­wid­rig hiel­ten. Die Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten aus bei­den Häu­sern ver­tra­ten den Stand­punkt, daß ein Mei­nungs­de­likt geschaf­fen wer­de und damit die von der Ver­fas­sung garan­tier­te Rede- und Mei­nungs­frei­heit ver­letzt wer­de. Das Höchst­ge­richt gab ihnen nun recht.

Die Erst­ein­brin­ge­rin des Geset­zes gegen die Leug­nung des Völ­ker­mords an den Arme­ni­ern, die Abge­ord­ne­te Vale­rie Boy­er, zeig­te sich ent­täuscht über die Ent­schei­dung des Höchst­ge­richts. Sie schaf­fe eine „Ungleich­heit“ unter den Opfern der Geno­zi­de. „Frank­reich hat die Exi­stenz von zwei Völ­ker­mor­den aner­kannt, des Holo­caust und des Geno­zids an den Arme­ni­ern von 1915. Die Opfer des Holo­caust sind vor Leug­nung geschützt, die Opfer des Völ­ker­mords an den Arme­ni­ern nicht“, so Boyer.

Die Füh­rer der arme­ni­schen Gemein­schaft in Frank­reich kri­ti­sier­ten das Urteil des Ver­fas­sungs­ge­richts scharf. Franck Mou­rad Papa­zi­an sieht hin­ter der Ent­schei­dung eine „Akti­on der tür­ki­schen Lob­by“. „Wir füh­len uns durch die Ent­schei­dung des Ver­fas­sungs­ge­richts, das sich an poli­ti­schen Über­le­gun­gen ori­en­tiert statt sich auf die Rechts­la­ge zu stüt­zen, zutiefst belei­digt, so der Spre­cher der Arme­ni­er in Frank­reich, Papa­zi­an. Ähn­lich kom­men­tier­te auch Sena­tor Her­vé Mar­seil­le: „Wenn wir den Geno­zid an den Juden bestrei­ten, kön­nen wir bestraft wer­den; wenn wir den Völ­ker­mord an den Arme­ni­ern bestrei­ten, nicht. So haben wir eine staat­li­che Bestra­fung für den einen, aber nicht für den ande­ren. Vor dem Gesetz soll­ten alle gleich sein.“

Text: Asianews/​Giuseppe Nardi
Bild: Asianews

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