Islamistische Parlamentswahlen im ägyptischen Parlament – Christen in Angst


(Kai­ro) „Der Sieg der isla­mi­schen Par­tei­en, der den Mehr­heits­wil­len der ägyp­ti­schen Bevöl­ke­rung wider­spie­gelt, ver­setzt die Chri­sten in Angst“, so Pater Rafic Grei­che, der Spre­cher der katho­li­schen Kir­che in Ägyp­ten. Mos­lem­brü­der und Sala­fiten haben bei den jüng­sten Par­la­ments­wah­len fast zwei Drit­tel der Stim­men erhal­ten. Mit ande­ren Wor­ten: Von den ägyp­ti­schen Mos­lems, das sind 85 Pro­zent der Bevöl­ke­rung, wähl­ten 76 Pro­zent mehr oder weni­ger radi­ka­le Islamisten.

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„Wäh­rend der Wah­len kam es zu Unre­gel­mä­ßig­kei­ten, doch nichts im Ver­gleich zu den Wahl­be­trü­ge­rei­en der Muba­rak-Zeit“, so Pater Grei­che. „Um nicht an Zustim­mung zu ver­lie­ren, geben sich die isla­mi­schen Par­tei­en der­zeit sehr zurück­hal­tend. In den ver­gan­ge­nen Tagen erklär­ten sie gleich mehr­fach, daß die Chri­sten und ande­re reli­giö­se Min­der­hei­ten die glei­chen Rech­te wie die mos­le­mi­schen Staats­bür­ger haben wer­den. Es scheint aber ver­früht, eine posi­ti­ve Pro­gno­se abzu­ge­ben“, so der katho­li­sche Sprecher.

Die kon­sti­tu­ie­ren­de Sit­zung des neu­en Par­la­ments ver­lief gestern ruhig. Die Arbei­ten wur­den mit einer Gedenk­mi­nu­te für die Opfer der „ara­bi­schen Revo­lu­ti­on“ begon­nen. Zum Prä­si­den­ten des Abge­ord­ne­ten­hau­ses wur­de Moha­med El-Katat­ni, der Vor­sit­zen­de der Mos­lem­bru­der­schaft gewählt.

In den kom­men­den Tagen wer­den die Abge­ord­ne­ten die 200 Mit­glie­der der Ver­fas­sungs­ge­ben­den Ver­samm­lung bestim­men und den Über­gang der Macht vom der­zeit regie­ren­den Ober­sten Mili­tär­rat auf das Par­la­ment dis­ku­tie­ren. Der Ein­fluß der Isla­mi­sten auf die künf­ti­ge Ver­fas­sung Ägyp­tens ist damit erdrückend.

Aus den ersten Par­la­ments­wah­len seit dem Sturz von Staats­prä­si­dent Hos­ni Muba­rak, die zwi­schen Novem­ber 2011 und Janu­ar 2012 statt­fan­den, ging die Par­tei der Mos­lem­bru­der­schaft Gerech­tig­keit und Frei­heit als stärk­ste Kraft her­vor. Mit 45 Pro­zent der Wäh­ler­stim­men und 235 von 498 Sit­zen ver­fehl­te sie nur knapp die abso­lu­te Mehr­heit im neu­en Par­la­ment. Zur zweit­stärk­sten Kraft wur­de Al-Nour, die Par­tei der Sala­fiten, einer noch radi­ka­le­ren Grup­pe des isla­mi­schen Extre­mis­mus. Mit mehr als 20 Pro­zent der Stim­men und einem Vier­tel der Abge­ord­ne­ten wird sie ihr Gewicht bei der Aus­ar­bei­tung der neu­en Ver­fas­sung gel­tend machen. Die nicht-isla­mi­schen Par­tei­en, die aus der „Revo­lu­ti­on“ ent­stan­den wie Wafd und der Ägyp­ti­sche Block, erhiel­ten ledig­lich 38 und 34 Sit­ze. Nur wenn sie geschlos­sen han­deln, kön­nen sie sich zwi­schen den bei­den domi­nan­ten Isla­mi­sten­grup­pen viel­leicht einen gewis­sen Hand­lungs- und Mit­ent­schei­dungs­spiel­raum verschaffen.

Die erste Kon­fron­ta­ti­on steht mit der neu­en Ver­fas­sung bereits auf der Tages­ord­nung. Von ihr wird die Zukunft Ägyp­tens als demo­kra­ti­scher oder als isla­mi­scher Staat abhän­gen. Der­zeit befin­det sich die gesam­te Macht aller­dings noch in den Hän­den des Mili­tärs, das über ein Veto­recht gegen alle Ent­schei­dun­gen des Par­la­ments verfügt.

Erst die Prä­si­den­ten­wah­len im Juni 2012 wer­den ein voll­stän­di­ges poli­ti­sches Bild erge­ben. „Erst dann wird man sehen, ob das Mili­tär sich wirk­lich, wie zuge­sagt, aus der ägyp­ti­schen Poli­tik zurück­zieht“, so Pater Greiche.

Einst­wei­len wer­den zum Jah­res­tag der „Revo­lu­ti­on“ am 25. Janu­ar neue Unru­hen befürch­tet. Gene­ral Tan­ta­wi, der Vor­sit­zen­de des Ober­sten Mili­tär­ra­tes kün­dig­te bereits eine Null­to­le­ranz gegen gewalt­tä­ti­ge Demon­stra­tio­nen an und behaup­te­te, daß eine aus­län­di­sche Ver­schwö­rung gegen Ägyp­ten im Gan­ge sei. Als Geste des guten Wil­lens ließ der Ober­ste Mili­tär­rat 1959 Per­so­nen frei, die wäh­rend der Unru­hen 2011 ver­haf­tet wor­den waren.

Text: Asianews/​Giuseppe Nardi
Bild: Asianews

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