(Augsburg) Am Rande der gestrigen Betriebsversammlung kritisierte Timm Boßmann, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe bei Weltbild, die Herausnahme von pornographischen und esoterischen Titeln aus dem Weltbildkatalog:
„Durch das Zurückführen ganzer Programmteile könnte es wirtschaftlich schwierig werden für Weltbild“, so Boßmann.
Der Konzern selbst erklärte am 27. Oktober:
„Der Umsatzanteil der kritisierten Artikel ist minimal. Bücher, die über das Stichwort ‚Erotik‚ im Internet zu finden waren, erzielten im aufgelaufenen Kalenderjahr 2011 einen Anteil von weniger als 0,017 % des Gesamtumsatzes der Verlagsgruppe Weltbild.“
In derselben Pressemitteilung bedrohte Weltbild dann noch die Presse:
„Festzustellen ist: ‚Pornographie‚ ist rechtlich ein eindeutig definierter Begriff. Weltbild bietet in seinem Sortiment keine Pornographie an und hat das nie getan.“ … Die Behauptungen seien „schlichtweg unwahr und diffamierend. Das Unternehmen prüft rechtliche Schritte gegen die Verleumder.“
Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hält den von den deutschen Bischöfen beschlossenen Verkauf der Weltbild-Gruppe für einen richtigen Schritt. Die katholische Kirche als Besitzer sei zuletzt mit der Entwicklung des Unternehmens überfordert gewesen, sagte Marx in einem Interview mit der Zeitung Die Welt (Montag).
Die Hoffnung der Katholiken, die erwartet hatten, daß die deutschen Bischöfe ihrer Verantwortung gerecht werden, indem der Pornohandel nun eingestellt und das Unternehmen in Einklang mit der katholischen Sozial- und Morallehre umgebaut wird, wurde mit den Äußerungen von Erzbischof Reinhard Marx zerschlagen. Die deutschen Bischöfe möchten demnach mit Pornographie und Esoterik am Buchmarkt tätig sein, oder gar nicht. Die Entscheidung der Bischöfe sich ganz von der Unternehmensgruppe zu trennen, kommt einem unverständlichen wie ebenso falschen Eingeständnis gleich, daß Buchhandel unter katholischer Führung und für Katholiken in der heutigen Zeit nicht mehr möglich wäre. Eine andere Lesart der bischöflichen Äußerungen ist kaum möglich.
Zudem bleibt die Frage nach der Verantwortung für das Weltbild-Desaster. Bisher wurde kein von den Bischöfen ernanntes Aufsichtsratsmitglied, trotz sträflicher Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen. Bisher wurde noch keine kirchenrechtliche Untersuchung eingeleitet, die einige offene Fragen zu klären hätte: Wie konnte im Laufe der vergangenen Jahre die mehr als sagenhafte Summe von mehr als 180 Millionen Euro an Kirchensteuergeldern in die Weltbild-Gruppe gesteckt und damit zum Schaden für die katholische Kirche verheizt werden? Auf wessen Veranlassung kam es zu diesen enormen Geldtransfers für ein Unternehmen, das als Marktführer in seinem Bereich gilt? Liegt ein Fall von Mißbrauch von Kirchensteuergeldern vor? Warum ist Pater Hans Langendörfer weiterhin Mitglied des Weltbild-Aufsichtsrats?
Text: Linus Schneider
Bild: Weltbild