(London/Rom) Die anglikanische Kirche von England ist einen kirchenrechtlichen Schritt weiter auf dem Weg zu einem „rosa Episkopat“. Trotz der Proteste konservativer Gruppen rückt bei den Anglikanern die Möglichkeit näher, Bischöfinnen zu ernennen.
Eine Mehrheit der Diözesen stimmte für die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt. Laut anglikanischem Kirchenrecht wurde damit eine wichtige Hürde genommen. Die Letztentscheidung steht dem anglikanischen „Kirchenparlament“, der Generalsynode zu. Nach derzeitigem Stand dürfte dies im nächsten Jahr der Fall sein.
Eine demokratisch gestaltete, von der jeweiligen Mehrheit abhängige Kirche
Einige anglikanische Provinzen, Australien, USA und Kanada, haben bereits Bischöfinnen eingeführt. Die Ernennung von Frauen und Homosexuellen zu Pfarrern und Bischöfen sowie die Homo-„Ehe“ sind seit Jahren die umstrittensten Themen in der anglikanischen Weltgemeinschaft, die weltweit rund 80 Millionen Gläubige zählt. Die liberale Vorgangsweise steht fest: Den liberalen Kräfte schwebt eine demokratisch gestaltete, von der jeweiligen Mehrheit abhängige Kirche vor. Zunächst soll die Zulassung der Frauen zum Bischofsamt erreicht werden, dann die Zulassung von erklärten Homosexuellen zum Priesteramt. Gestärkt durch die mediale Unterstützung versuchen die Liberalen die traditionellen Kräfte in die Defensive zu drängen. Sie tun diese ohne Rücksicht wie in einem politischen Richtungskampf. Parallel schwillt die Zahl der Anglikaner an, die eine solche „liberale“ Wende ablehnen und deshalb in die Diaspora abwandern oder in die Einheit mit der katholischen Kirche zurückkehren.
Der Primas der Weltgemeinschaft, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, bemüht sich den fortschreitenden Erosionsprozeß einzudämmen. Bereits im vergangenen Jahr verzichteten fünf Bischöfe der Kirche von England auf ihr Hirtenamt und schlossen sich der katholischen Kirche an, nachdem Papst Benedikt XVI. den rückkehrwilligen Anglikaner einen eigenen kirchenrechtlichen Status in der katholischen Weltkirche gewährte. Die Apostolische Konstitution Anglicanorum coetibus vom November 2009 machte den Weg frei für katholische Personalordinariate anglikanischer Tradition.
Erzbischof Williams arbeitet noch an einem Schlichtungsversuch zwischen den sich feindlich gegenüberstehenden Positionen, um die auseinanderstrebenden Teile von einem definitiven Bruch abzuhalten. Er will seinen Vorsitz nicht mit einer Kirchenspaltung desavouieren und denkt deshalb recht offen über einen vorzeitigen Rücktritt nach.
Der Vereinigung Forward in Faith (FiF) scheint jedoch der Geduldsfaden zu reißen. Dort fühlt man sich durch die Liberalen schlichtweg öffentlich vorgeführt. Man sieht in deren Vorgehen im Namen von „Demokratie“ und „Gleichberechtigung“ den Versuch, das eigentliche religiöse Wesen der Kirche zu zertrümmern.
Massenflucht der Konservativen nach Rom
Tatsächlich treibt auch Primas Williams die Sorge um, die anglikanische Kirche könnte an dem sich zuspitzenden Streit unwiederbringlich zerbrechen. Das befürchtete Szenario wäre, daß sich der traditionelle Teil der anglikanischen Kirche mit Rom uniert, der liberale Teil sich in absehbarer Zeit durch Selbstauflösung totläuft und dazwischen eine Myriade kleiner und kleinster Gruppe und Grüppchen selbständiger, sich verlaufender Gemeinschaften übrigbleibt, aber keine anglikanische Kirche mehr. Die Massenflucht der Konservativen nach Rom, wie sie in den USA und Australien bereits stattfindet, könnte bald auch England treffen, „wenn der liberale Feminismus zwar Bischöfinnen durchgesetzt, aber die anglikanische Kirche erlegt haben wird“, heißt es ungeschminkt bei FiF.
Die „Liberalen“ scheinen an ihrem Zeitplan festzuhalten. 2006, 2008 und 2010, so die Etappen, ebnete die anglikanische Synode von York der Einsetzung von Bischöfinnen den Weg. Für 2012 ist die Endabstimmung vorgesehen. Die Yorker Synode hat nur für England Gültigkeit. Jede der 38 anglikanischen Kirchenprovinzen ist unabhängig. Das gilt auch für Wales und Schottland. Das Kernland des Anglikanismus gilt jedoch als wegweisend.
Katholiken-Orthodoxe-Orientalen: „Kompromiß“ bei „Priesterinnen“ und „Bischöfinnen“ unmöglich
Die Vorentscheidung von York bedeutet eine schwere Belastung des anglikanisch-katholischen Dialogs. Sollte im kommenden Jahr die Generalsynode ihre Zustimmung zu Bischöfinnen geben, wäre ein neuer Tiefpunkt in den mühsam aufgebauten Beziehungen zu Rom erreicht. Mehrfach machte die katholische Kirche bei Treffen darauf aufmerksam, daß gewisse Entscheidungen zwar dem Zeitgeist entsprechen mögen, aber nicht der göttlichen Offenbarung und der kirchlichen Überlieferung. Die einseitige Aufkündigung des ökumenischen Dialogs durch die „liberalen“ Anglikaner dürfte die Rückkehrbewegung nach Rom beschleunigen.
Alle Kirchen, die sich auf die apostolische Sukzession berufen, kennen nur das männliche Priestertum und daher nur Bischöfe. Die Weihe von Frauen wird kategorisch ausgeschlossen, weil es – wie Papst Benedikt XVI. bekräftigte – nicht im Ermessensspielraum der Menschen liege, das göttliche Gesetz willkürlich zu verändern. In dieser Frage sind daher Kompromisse nicht denkbar. Der Dialog mit den Anglikanern werde weitergehen, versichert man an der römischen Kurie, denn das sei ein Auftrag, den Christus gab und stets neu gibt.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider