Zu den Aussagen von Erzbischof Zollitsch: Verwirrung, Spaltung und Verunsicherung


Kom­men­tar von Pfar­rer Hendrick Jolie

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Die Äuße­run­gen des Erz­bi­schofs zur Kom­mu­ni­ons­pen­dung an soge­nann­te „wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne“ (Zeit online vom 31.08.2011) haben für gro­ßes Auf­se­hen gesorgt. Denn schon län­ger wird der Deutsch­land­be­such des Hei­li­gen Vaters von inter­es­sier­ter Sei­te genutzt, um ver­meint­lich not­wen­di­ge „Refor­men“ öffent­lich­keits­wirk­sam zu prä­sen­tie­ren. Wenn dies von lin­ken Split­ter­grup­pen, rom­kri­ti­schen Theo­lo­gen oder links­ka­tho­li­schen Pres­su­re-Groups betrie­ben wird, so braucht einen das nicht zu wun­dern: Wir leben in einem Medi­en­zeit­al­ter, und der Kampf um öffent­li­che Auf­merk­sam­keit ist här­ter gewor­den. Da nutzt man schon ein­mal die Popu­la­ri­tät des deut­schen Pap­stes, um die eige­nen Lieb­lings­the­men, die anson­sten im Kir­chen­all­tag ein Küm­mer­da­sein fri­sten, im Wind­schat­ten des gegen­wär­ti­gen Pon­ti­fex zu lancieren.

Wenn der ober­ste Katho­lik und Vor­sit­zen­de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz sich in der inner­kirch­lich auf­ge­heiz­ten Stim­mung mit der­art umstrit­te­nen The­sen in die Öffent­lich­keit wagt, dann stellt sich die Fra­ge, ob er die Wir­kung sei­ner Wor­te wohl ermes­sen hat: War ihm bewußt, was sei­ne Wor­te anrich­ten? War es am Ende sogar beab­sich­tigt? Ist es außer­dem höf­lich, in die­ser Wei­se (über ein kir­chen­di­stan­zier­tes Medi­um wie die „ZEIT“) Kri­tik an „Rom“ zur Spra­che zu brin­gen, nach­dem der glei­che Erz­bi­schof erst weni­ge Wochen vor­her die Gele­gen­heit hat­te, sämt­li­che „Reform­ideen“ in einem aus­führ­li­chen Gespräch mit dem Papst zur Spra­che zu brin­gen? Nach dem Gespräch mit dem Hei­li­gen Vater (13.08.2011) beton­ten die Bischö­fe, der Papst habe ihnen für den Dia­log­pro­zess unein­ge­schränk­te Rücken­deckung zuge­sagt. Wäre das auch der Fall gewe­sen, wenn Erz­bi­schof Zol­lit­sch die Kar­ten auf den Tisch gelegt und dem Papst gesagt hät­te, wohin die Rei­se im Grun­de gehen soll?

Ein Wei­te­res: Der in Mann­heim begon­ne­ne Dia­log­pro­zeß ist der umstrit­te­ne Ver­such der deut­schen Bischö­fe, den durch das „Theo­lo­gen-Memo­ran­dum“ (04.02.2011) sicht­bar gewor­de­nen „Riß“ des Katho­li­zis­mus (der von nicht weni­gen als „laten­tes Schis­ma“ emp­fun­den wird) zu hei­len. Die­ser Ver­such muß des­halb als umstrit­ten gel­ten, weil er auf einer m.E. unzu­rei­chen­den Dia­gno­se beruht: So hat­te Erz­bi­schof Zol­lit­sch in einem Impuls­re­fe­rat (Zukunft der Kir­che – Kir­che für die Zukunft. Plä­doy­er für eine pil­gern­de, hören­de und die­nen­de Kir­che, Eröff­nungs­re­fe­rat zur Voll­ver­samm­lung der DBK am 20.09.2010) sei­ne Sicht der Kir­chen­kri­se dar­ge­legt. Als das eigent­li­che Pro­blem des deut­schen Katho­li­zis­mus erwähnt er den Gegen­satz zwi­schen jenen in der Kir­che, denen die Über­set­zungs­lei­stung des Glau­bens in die neue Zeit zu lang­sam, und jenen, denen sie zu schnell geht. Bei allem Respekt: „Die­sen Gegen­satz gibt es zwar, aber er spielt heu­te in der Kir­che kei­ne nen­nens­wer­te Rol­le, weil er über­la­gert wird von einem viel tie­fer­lie­gen­den Gegen­satz: näm­lich zwi­schen denen, die am katho­li­schen Glau­ben fest­hal­ten, und jenen, die ihn über Bord gewor­fen haben und des­halb eine „neue“ Kir­che wol­len.“ [1]Pater E. Reck­ten­wald FSSP, https://​www​.kath​-info​.de/​i​m​p​u​l​s​r​e​f​e​r​a​t​.​h​tml Ist den Bischö­fen die­ser Tat­be­stand noch nicht auf­ge­fal­len? Ein ein­wö­chi­ges Pfar­rei­prak­ti­kum in einer x‑beliebigen Pfar­rei könn­te hier schnell­stens Abhil­fe schaffen.

Auf­grund der Aus­wahl der Dele­gier­ten für die erste Etap­pe des Dia­log­pro­zes­ses in Mann­heim (09. – 10.07.2011) – die mei­sten Ver­tre­ter stam­men aus dem libe­ra­len Gre­mi­en­ka­tho­li­zis­mus der Diö­ze­sen, wenn auch eini­ge Ali­bi-Dele­gier­te aus den neu­en geist­li­chen Bewe­gun­gen zuge­gen waren – konn­te es nie­man­den über­ra­schen, daß in Mann­heim die alt­be­kann­ten pro­gres­si­sti­schen For­de­run­gen erho­ben wur­den, unter ande­rem natür­lich die Zulas­sung von „Wie­der­ver­hei­ra­te­ten“ zur Hei­li­gen Kommunion.

Bei die­ser For­de­rung, die wir hier näher beleuch­ten wol­len, wur­de geschick­ter­wei­se der Begriff der „Barm­her­zig­keit“ ein­ge­führt: Hin­sicht­lich der geschei­ter­ten Ehen und der anschlie­ßen­den Wie­der­hei­rat for­de­re man eine „Pasto­ral der Barm­her­zig­keit“. Der Begriff der Barm­her­zig­keit ist – neben­bei bemerkt – in die­sem Zusam­men­hang völ­lig unan­ge­bracht. Barm­her­zig­keit meint die Zuwen­dung Got­tes zum Sün­der und zwar unter der Vor­aus­set­zung, daß die­ser umkehrt, sei­ne Schuld erkennt und um Ver­ge­bung bit­tet und nicht zuletzt die Bereit­schaft bekun­det, die Sün­de in Zukunft zu mei­den. So hat­te – für Theo­lo­gen eigent­lich pein­lich genug – bereits das Theo­lo­gen-Memo­ran­dum in einem Rund­um­schlag die kirch­li­che Moral­leh­re als „rigo­ro­se Moral ohne Barm­her­zig­keit“ gegei­ßelt. Das ist nicht nur pole­misch, son­dern auch eine intel­lek­tu­el­le Fehl­lei­stung. Denn die Moral­theo­lo­gie kennt den Begriff der Barm­her­zig­keit sehr wohl – aller­dings in den Sin­ne, daß Gott dem­je­ni­gen, der gegen die gött­li­chen Gebo­te ver­stößt, jeder­zeit durch das Buß­sa­kra­ment Ver­ge­bung anbie­tet – aller­dings zu den o.a. Bedin­gun­gen. Des­we­gen gibt es katho­li­scher­seits kei­ne „Moral ohne Barm­her­zig­keit“. Das hät­ten die Theo­lo­gen doch wis­sen müssen.

Wenn Erz­bi­schof Zol­lit­sch nun das Wort von der „Barm­her­zig­keit“ in die­sem Zusam­men­hang auf­greift, ver­läßt er die Rol­le des Media­tors im Dia­log­pro­zeß schlägt sich auf die Sei­te der Memo­ran­di­sten und Kir­chen­re­for­mer. War das beab­sich­tigt? Im ZEIT-Inter­view spricht er zunächst ver­klau­su­liert und all­ge­mein davon, daß ihm die Umset­zung von „Refor­men“ nicht schnell genug gehe. Weni­ge Zei­len spä­ter ist jedoch schon klar, was der Erz­bi­schof dar­un­ter ver­steht: Es geht um Refor­men im Sin­ne des Theo­lo­gen-Memo­ran­dums. Man fragt sich ver­dutzt, wie denn der Mann­hei­mer Dia­log­pro­zeß von den Bischö­fen „ergeb­nis­of­fen“ genannt wer­den kann, wenn sich der ober­ste Katho­lik Deutsch­lands in einer wich­ti­gen Fra­ge anschei­nend schon längst fest­ge­legt hat. Der Gesprächs­pro­zeß wird damit der Lächer­lich­keit preis­ge­ge­ben. Er wur­de vor die Wand gefah­ren, bevor er rich­tig begon­nen hat. Red­li­cher­wei­se soll­ten die Ver­ant­wort­li­chen das kosten­in­ten­si­ve Spek­ta­kel been­den. Soll im Ernst noch vier Jah­re (so sieht es der Plan der DBK vor) dia­lo­gi­siert wer­den, damit man am Ende fest­stellt, daß es hin­sicht­lich der Zulas­sung Wie­der­ver­hei­ra­te­ter zur Hei­li­gen Kom­mu­ni­on ver­schie­de­ne Auf­fas­sun­gen (wie man heu­te sagt) gibt?

Noch ein­mal mei­ne bestür­zen­de Fra­ge: War­um haben die Bischö­fe dem Papst nicht rei­nen Wein ein­ge­schenkt, als der hoch­be­tag­te Pon­ti­fex sogar sei­nen Urlaub unter­brach und sich der Mühe unter­zog, einen drei­stün­di­gen Bericht (!) über den Dia­log­pro­zeß anzu­hö­ren? Wie ehr­lich ist das Vor­ha­ben der Bischö­fe, einen offe­nen Dia­log zu füh­ren, nach die­ser Ein­las­sung von Erz­bi­schof Zollitsch?

Was zunächst über­ra­schend wirkt, kann im Grun­de nur jene ver­wun­dern, die das vor­be­rei­ten­de Schrei­ben der deut­schen Bischö­fe zum Gesprächs­pro­zess nicht gründ­lich gele­sen haben (Im Heu­te glau­ben, 17.03.2011). Auf­merk­sa­men Lesern war schon damals nicht ent­gan­gen, daß die­ses Schrei­ben (das doch sicher­lich nicht ohne die Mit­wir­kung des Vor­sit­zen­den der DBK ent­stan­den war) die glau­bens­treu­en Katho­li­ken nur mit einem Neben­satz erwähnt: Wäh­rend die (im Sin­ne EB Zol­lit­schs) „reform­freu­di­gen“ Katho­li­ken mit aller­lei wohl­wol­len­den Prä­di­ka­ten bedacht wer­den („Sor­ge“, „Ver­ant­wor­tung“, „drän­gen­de Fra­gen“), cha­rak­te­ri­siert der Brief die lehr­amtstreu­en Katho­li­ken als Men­schen, „die alles beim Alten las­sen wol­len und sogar mei­nen, die Mise­re der Kir­che lie­ge dar­in, ihrem eige­nen Erbe und Selbst­ver­ständ­nis gegen­über nicht treu genug zu sein.“ (ebd. S. 2)

Ist es denn wirk­lich so absurd, wenn einer den Ein­druck hat, daß die Kir­che der letz­ten Jahr­zehn­te ihrem Erbe nicht treu genug war? Ist man des­we­gen schon jemand, der „alles beim Alten“ las­sen will? Kann es auf dem Hin­ter­grund die­ser ein­deu­tig abwer­ten­den For­mu­lie­rung noch wun­dern, daß schon weni­ge Wochen nach Beginn der Dia­log­pro­zes­ses der Vor­sit­zen­de der DBK sich ein­deu­tig als „Kir­chen­re­for­mer“ outet? Wer aber soll­te dann noch Inter­es­se an einem vier­jäh­ri­gen Dis­kus­si­ons­pro­zeß haben, wenn die Wür­fel schon gefal­len sind?

Auch das ZEIT-Inter­view lebt davon, daß Ver­tre­ter der kirch­li­chen Leh­re durch abwer­ten­de Begrif­fe in ein schlech­tes Licht gerückt wer­den. Wenn die Spen­dung der Kom­mu­ni­on an Wie­der­ver­hei­ra­te­te eine „Fra­ge der Barm­her­zig­keit“ ist, dann sind im Umkehr­schluß alle Prie­ster unbarm­her­zig, die sich in Ein­klang mit der katho­li­schen Leh­re und aus Gewis­sens­grün­den dazu nicht ermäch­tigt sehen. Als Gemein­de­pfar­rer ken­ne ich die viel­fäl­ti­ge Not von Men­schen, die nach einer zer­bro­che­nen Ehe müh­sam den Weg zurück ins Leben und auch in die Got­tes­dienst­ge­mein­de suchen. Ich ver­wah­re mich gegen den Vor­wurf, daß eine inten­si­ve Seel­sor­ge an Men­schen, die nach dem Schei­tern ihrer ersten Ehe einen leb­ba­ren Weg nach den Gebo­ten der Kir­che suchen, als unbarm­her­zig oder welt­fremd abqua­li­fi­ziert wird.

Sind denn alle Seel­sor­ger unbarm­her­zig, die sich in der Beglei­tung die­ser Per­so­nen (auch wenn sie gera­de mal nicht der Bun­des­prä­si­dent sind) der kirch­li­chen Leh­re und ihrem eige­nen Gewis­sen ver­pflich­tet wis­sen? Inso­fern sind die Wor­te Zol­lit­schs ein Schlag ins Gesicht all jener Prie­ster, die in der täg­li­chen müh­sa­men Pasto­ral vor Ort nach Wegen suchen, Men­schen in zer­bro­che­nen Ehen nahe zu sein, ohne die kirch­li­che Leh­re von der Unauf­lös­lich­keit der Ehe zu verraten.

Anstatt den Prie­stern in der gegen­wär­ti­gen Kri­sen­si­tua­ti­on behilf­lich zu sein, fällt der Vor­sit­zen­de ihnen in den Rücken. Nach der Rela­ti­vie­rung der Zöli­bats­ver­pflich­tung (16.02.2008) und der Rela­ti­vie­rung des Süh­ne­to­des Chri­sti am Kreuz (11.04.2009) ist der Vor­sit­zen­de der DBK in ein wei­te­res media­les Fett­näpf­chen getre­ten. Anstatt die Katho­li­ken im Vor­feld des Papst­be­su­ches zu stär­ken, zu eini­gen und im Glau­ben zu erneu­ern, wer­den die jüng­sten Aus­sa­gen Zol­lit­schs zu wei­te­rer Ver­wir­rung, Spal­tung und Ver­un­si­che­rung füh­ren. War­um hat er das nicht bedacht?

Pfar­rer Hendrick Jolie ist Mit­glied im Spre­cher­gre­mi­um des Netz­werks katho­li­scher Priester
Bild: istock/​kryczka

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