(Rom) Eigentlich sei es bereits etwas Besonderes, daß man überhaupt darüber spricht. Nach Jahrzehnten der Marginalisierung „durch eine falsche Hermeneutik des Konzils“, kehre die Eucharistische Anbetung wieder zurück in den Mittelpunkt des christlichen Lebens, so Pater Justo Lo Feudo in einem Interview, das Andrea Zambrano für „Bussola Quotidiana“ mit ihm führte. Weltweit entstanden in den vergangenen zehn Jahren mehr als 3000 Anbetungsorte, 1200 allein in den USA.
Die Anwesenheit vor dem Allerheiligsten Sakrament des Altares belebt den Glauben neu, weckt Bekehrungen und Berufungen in der katholischen Welt. Derzeit findet dazu am Salesianum in Rom eine Tagung zum Gedankenaustausch zwischen Experten und sieben Kardinälen statt. Ihren Höhepunkt und Abschluß findet die Tagung am Donnerstag mit dem von Papst Benedikt XVI. zelebrierten Fronleichnamsgottesdienst und anschließender Prozession.
Pater Justo Lo Feudo wurde 1941 in Buenos Aires geboren. Er gehört den Missionaren der Allerheiligsten Eucharistie an, einem neuen Ordens diözesanen Rechts, zu dessen Charisma vor allem die Förderung und Verbreitung der ständigen Anbetung in den Diözesen und Pfarreien zählt. Der Orden wurde am 17. Juli 2007 vom Bischof von Frejus-Toulon, Msgr. Dominique Rey, im französischen Paray-le-Monial kanonisch errichtet in der Überzeugung, daß die Neuevangelisierung von der Anbetung ausgeht.
Pater Lo Feudo, was erwacht in der Kirche neu?
Das, was der Papst meint, wenn er von einem eucharistischen Frühling spricht, der das Staunen vor der Eucharistie weckt.
Frühling? Wollen Sie damit sagen, daß vorher Winter herrschte?
Aufgrund irriger seelsorglicher Überlegungen und einer falschen Hermeneutik wurde die Eucharistie banalisiert und ging dieses Staunen verloren.
Warum?
Die Gründe sind vielschichtig, angefangen damit, daß eine gewisse Liturgie die Schwächung der eucharistischen Anbetung gefördert hat. Hinzu kommt die Kreativität, die dem Sakralen widerspricht. Die Eucharistie verweist auf das Opfer und auf das Abendmahl, das nicht ein bloßes Mahl zwischen Gleichen ist, sondern etwas Heiliges. Die Eucharistische Anbetung führt uns zum Essentiellen zurück und verlängert das Mysterium, das in der Heiligen Messe zelebriert wird.
Welche Schritte führten zu diesem unerwarteten Frühling? Denken Sie an die Anbetung, die Benedikt XVI. 2005 auf dem Marienfeld in Köln hielt?
Auf medialer Ebene ja, doch gab es kurz zuvor auch die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia von Papst Johannes Paul II. und das Eucharistische Jahr. 2004 haben wir sehr viele Orte mit ewiger Anbetung eröffnet. Es gibt inzwischen zahlreiche lehramtliche Dokumente, in denen empfohlen wird, daß jede mehr oder weniger wichtige Stadt zumindest eine Kapelle hat, an der ewige Anbetung stattfindet.
Tag und Nacht? Wer nimmt daran teil?
Es ist schwer, eine verallgemeinernde Antwort zu geben, denn die Entstehungsgeschichte ist in jedem Ort anders. Es läßt sich jedoch sagen, daß es viele Menschen sind, die nach ihrer persönlichen Bekehrung sich von der Präsenz des Allerheiligsten Altarsakraments angezogen fühlen. Manchmal stößt man auf mehr Widerstand bei Gläubigen, die schon immer in der Kirche waren. Oder auch auf manchen Priester, der sie ablehnt, unter Berufung auf eine falsche Hermeneutik laut der uns die heilige Eucharistie nicht gegeben worden sei, um angebetet zu werden.
Bis zu welchem Grad?
Der Papst erinnert uns immer wieder den hl. Augustinus zitierend, daß niemand von diesem Fleisch ist ohne es anzubeten.
Was gibt die Anbetung, was die Kommunion nicht gibt?
Es ist nicht ein mehr, sondern eine Verlängerung und Vertiefung des Augenblicks der Begegnung. Nehmen wir zum Beispiel den Moment der Heiligen Messe nach der Kommunion. Johannes Paul II. hielt zehn Minuten der Danksagung, statt dessen stelle ich fest, daß die Menschen oft keine drei Minuten ertragen, dann beginnen sie unruhig zu werden, zu husten, sich zu bewegen.
Wir leben in einer Gesellschaft der Bilder? Wie erklären Sie, daß die Eucharistie nicht nur ein Götzenbild ist?
Ohne Gottes Gnade ist das unmöglich und doch habe ich Personen gesehen, die Gott fern standen und sich als Atheisten oder Agnostiker bezeichneten und die heute anbeten. Wer hat das gewirkt? Der Herr, antworte ich mir.
Anbetung in einer hektischen Welt, wo die Menschen ständig auf der Suche nach Ablenkung und Zerstreuung sind? Scheint das nicht eine immense Herausforderung?
Man muß eine neue Sichtweise gewinnen, nämlich daß auch die Zeit evangelisiert gehört. Man verharrt nicht vor einem Bild, sondern vor einer realen Präsenz. Im Grunde geht es für jeden von uns darum, in der Woche eine Stunde zu finden, die wir Jesus schenken.
Besteht in der Anbetung nicht die Gefahr, daß man etwas Tun möchte: sprechen, lesen oder anderes?
Häufig tappen wir in die Falle, immer etwas tun zu wollen. Unsere anbetende Anwesenheit vor dem Allerheiligsten ist aber keineswegs passiv: sie ist offen für die Gnade. So wie wir uns nicht der Sonne aussetzen können, ohne von ihren Strahlen getroffen zu werden, so können wir nicht vor dem Herrn bleiben, ohne, trotz unseres unscharfen, oft verbogenen Glaubens, von seinen Gnaden erreicht zu werden.
Ein Beispiel?
Ich denke an ein Mädchen: es hatte sich mit dem Satanismus eingelassen. Es gelang ihr herauszukommen, doch blieb sie sehr nachtragend. Ein Mitbruder von mir sagte ihr: „Ich kenne die richtige Medizin für dich. Geh täglich für eine Stunde zur eucharistischen Anbetung.“
Und?
Drei Monate später sah ich sie wieder: ein Lamm! Merken Sie sich: Die ewige Anbetung ist der mächtigste Exorzismus, den eine Stadt haben kann.
Wie organisieren sich die Gemeinschaften?
In der Regel startet man mit 400 bis 700 Teilnehmern, von denen jeder eine Stunde in der Woche vor dem Allerheiligsten verbringt. Es gibt Gruppen mit bis zu 10.000 Betern. Die Mundpropaganda ist großartig.
Wie entstand die Anbetung geschichtlich?
Der heilige Pierre Julien Eymard ist einer der Heiligen, die damit besonders in Zusammenhang stehen. Das Bedürfnis zur Anbetung entstand jedoch sehr bald in der Kirche durch die Aufbewahrung der Eucharistie für die Kranken. Wenn Er anwesend ist, dann kann man anbeten, weil das ein im Herzen des Menschen verankertes Bedürfnis ist.
Welche Notwendigkeit besteht, Tag und Nacht anzubeten?
Das ist eine entscheidende Frage und ebenso wichtig ist die Antwort. Man betet Jesus Christus an, Ihn, der nie aufhört Gott zu sein und uns seine ewige Liebe schenkt. Es handelt sich also um eine Teilnahme an der himmlischen Liturgie, wo der Vater und der Sohn ohne Unterlaß anbetet werden.
Wo liegt das größte Hindernis? Beter für die Nachtstunden zu finden?
Anders als man vermuten möchte, nein. Sicher, nachts sind weniger Beter anwesend, doch die Nachtbeter sind treuer und verantwortungsbewußter.
Wir vereinbart sich die Anbetung mit der Marienverehrung?
Ich bin der Gottesmutter geweiht. In meinem ganzen Priestertum sehe ich ihre Handschrift. Wir bitten immer darum, die Anbetungskapellen Maria zu weihen, weil sie die erste Anbeterin war.
Was erwarten Sie vom Papst im Zusammenhang mit der gerade stattfindenden Tagung?
Daß er uns bestärkt. Er selbst sagte, daß die Anbetung kein Luxus, sondern eine Priorität ist.
Wie sieht es weltweit aus?
Inzwischen gibt es rund 3000 Anbetungskapellen, in denen ewige Anbetung gehalten wird. Fast die Hälfte davon befinden sich in den USA. Allein in Texas, in der Gegend von Huston existieren soviele wie in ganz Italien zusammen. Dort wirkt ein Priester, der sich besonders darum bemüht. Wir sollten aber nicht vergessen, daß die ständige Anbetung von Gläubigen vorangebracht wird.
Und in Ländern, in denen die Christen verfolgt werden oder bis vor kurzem verfolgt wurden?
Es geschehen erstaunliche Dinge. In Moskau zum Beispiel, aber auch in Temeschwar in Rumänien. Die Initiative ging von den griechischen Katholiken aus, doch hatten sie nicht genug Gläubige, um die ganze Woche abzudecken, so wandten sie sich an die römischen Katholiken. Als die Zahl noch immer nicht ausreichte, gingen wir zum orthodoxen Metropoliten, der uns segnete und uns erlaubte, unter den orthodoxen Gläubigen die Initiative bekannt zu machen. Wir erreichten die notwenige Beterzahl und nun gibt es dort schon seit fünf Jahren ewige Anbetung. Das ist Ökumene, wenn man bedenkt, daß die Orthodoxen keine eucharistische Anbetung kennen.
Wie sieht es im westlichen Europa aus?
In Frankreich gibt es etwa 50 Anbetungskapellen, ebenso viele in Italien. Sehr lebendig ist die Situation auch in Spanien, wo am 30. Juni die ständige Anbetung in Saragossa beginnt. Auch in Genf in der Stadt Calvins gibt es inzwischen eine ewige Anbetung. Besonders hart ist es derzeit, die Anbetung in Deutschland zu verbreiten oder in Ländern wie Holland. In Österreich hingegen gibt es schon den einen und anderen Ort, ebenso in England und Irland.
Und in Ländern, die nicht traditionell christlich sind?
In Syrien gibt es eine ewige Anbetung, aber gerade der Irak hat etwas fast Unglaubliches. Als die Briten Basra verließen, gab es zwei Anbetungsorte, einen in Mosul im Nordirak und einen in Basra im Süden. Beim Abzug der Briten wurde eine Ausgangssperre verhängt. Das schien die ständige Anbetung zu gefährden. So brachten die Gläubigen das Allerheiligste in eine Privatwohnung, wo die Anbetung fortgesetzt wurde. Am Morgen kehrte man in die Kirche zurücke. Sehen Sie? Das ist Glaube.
(Bussola Quotidiana/Übersetzung von Giuseppe Nardi, Bild: BQ)