(Timphu) Das Christentum wächst im kleinen Himalayakönigreich Bhutan. Die Christen werden jedoch von den Behörden schikaniert. Jegliche Form der Mission und des Proselytismus ist verboten. Der Bau von Kirchen und die öffentliche Zelebration von Gottesdiensten sind untersagt. Msgr. Thomas Menamparampil, der Erzbischof von Guwahati in Indien bereiste geheim das Land und besuchte die Christen des Königreichs. In den knapp zwei Wochen seiner Geheimreise traf er sich mit den katholischen und protestantischen Gemeinschaften in neun Städten und Orten, um ihnen Mut zuzusprechen und sich von ihrer Lage ein Bild zu machen. Es war der erste Besuch eines Bischofs seit 18 Jahren im Himalayastaat.
Erzbischof Thomas Menamparampil konnte dank eines Ausbildungsprogramms für Jugendliche einreisen. nachdem ihm fast zwei Jahrzehnte jede Einreise untersagt wurde. Zum letzten Mal konnte er 1993 die Christen Bhutans besuchen. Nach wie vor ist Missionaren die Einreise strikt verboten. Bhutan gehört zur katholischen Diözese von Darjeeling in Indien. Das Bistum verfügt jedoch über keine legale Möglichkeit, im Königreich zu wirken. In Bhutan gibt es nur einen einzigen katholischen Priester, den Jesuiten Pater Kinley (Katholisches berichtete über ihn). Ab und zu gelingt es einigen Priestern, ins Land zu gelangen und geheim in Privatwohnungen die Heilige Messe zu zelebrieren.
Die Pastoralbesuche von Msgr. Thomas Menamparampil führten ihn nach Geddu, Timphu, Tongsa, Bumthang, Mongar, Tashigang, Kanglung und Sandrup Jongkhar, wo er zehn katholische Gemeinden besuchen konnte. Am 11. März gelangte er in die Hauptstadt Timphu. Dort zelebrierte er mit den wenigen Katholiken der Stadt die Heilige Messe. Die kleine Gemeinschaft versammelt sich seit Jahrzehnten in aller Stille in einem kleinen, unscheinbaren Privathaus. „Sie erinnerte sich noch mit großer Freude an meinen letzten Besuch vor 18 Jahren“, berichtete der Erzbischof. Damals wirkte noch Pater Machay dort, auch er aus dem Jesuitenorden. Seit seinem Tod konnte kein Missionar mehr einreisen. Die Gemeinde der Hauptstadt besteht aus Katholiken, die den Glauben im indischen Darjeeling kennengelernt und angenommen haben und ihm seither treu geblieben sind. Ihre völlige Unscheinbarkeit, die sie sich während des absolutistischen Regimes von König Jigme Singye Wangchuck aneigneten, führte schließlich zu einer gewissen Tolerierung. Die Behörden erlauben gelegentlich auch Ausländern, sich mit der Gruppe zum Gebet treffen zu dürfen.
Weiters gibt es in Bhutan eine Reihe von unabhängigen protestantischen Gruppen, die der Pfingstbewegung nahestehen. Es handelt sich meist um Gruppen von 10 bis 20 Familien, die in der Regel ohne jeden Kontakt zu anderen Christen des Landes leben.
„Überall wurden wir mit großer Begeisterung aufgenommen, auch von den Protestanten, obwohl sie wußten, daß wir Katholiken sind und ich ein Erzbischof bin. So war es möglich, allen Christen des Landes Mut zu machen und die Hoffnung zu stärken“, so der Erzbischof von Guwahati. „Viele Gemeinschaften wollten uns nicht mehr gehenlassen, so groß war ihre Freude und Sehnsucht.“
„In den kleinen Dörfern auf über 2500 Meereshöhe habe ich Menschen getroffen mit einem festen Glauben und einem starken Wunsch, das Evangelium zu hören und zu empfangen. Trotz ihrer geringen Bildung lieben sie die Heilige Schrift und kennen sie teilweise sogar recht gut. Es besteht ein großer Wunsch, nach anderen Christen, die sie besuchen, um von ihnen weitere Unterweisung im Glauben zu erhalten. So trafen wir Christen, die über keinerlei Anerkennung oder Bindung zur Kirche oder anderen christlichen Denominationen verfügen. Sie entstanden, weil jemand an einem anderen Ort den Glauben kennenlernte und in sein Dort zurückgekehrt, anderen den Glauben brachte.“
Die Christen Bhutans versammeln sich in Privathäusern. Abwechselnd stellt jede Familie ihr Haus zur Verfügung, damit sich die Gemeinschaft zum Gebet versammeln kann.
„Seit meinem letzten Besuch hat die Zahl der Christen in Bhutan stark zugenommen. Nach einigen Angaben sollen es heute bereits mehr als 10.000 sein. Vor allem unter den aus Nepal stammenden Ethnien Bhutans sind Bekehrungen häufig“, so der Erzbischof. Die Nepalesen stammen aus einem hinduistischen Umfeld (fast 40 Prozent der Bhutaner). Die dominante Volksgruppe Bhutans sind Tibeter und daher Buddhisten. Sie machen rund 60 Prozent der Bevölkerung aus.
Ein Auszug aus dem Bericht von Erzbischof Thomas Menamparampil:
„Obwohl es keine direkte Verfolgung gibt, versucht die Regierung jede andere Religion außer dem Buddhismus zu entmutigen. Bei allen öffentlichen Angelegenheiten, z.B. für ein Schulstipendium, für eine Anstellung im öffentlichen Dienst muß die Religionszugehörigkeit angegeben werden. Christen haben dann keine Chance. Ihnen bleibt daher auch der Zugang zur höheren Bildung verwehrt. In einem Dorf sagten mir die Bewohner, daß ihnen die Behörden die Stromzufuhr abgeschnitten haben, als sie erfuhren, daß es Christen im Dorf gibt. Damit aber noch nicht genug, drohten sie auch die Wasserzufuhr für jedes Haus abzustellen, das für Gebetstreffen genützt werde. Solche drastischen Maßnahmen werden in der Regel immer dann ergriffen, wenn ein Buddhist oder Hindu eine Anzeige erstattet.
Dennoch traf ich keine entmutigte oder besorgte Christen. Viele beten und erhoffen den Tag, an dem die Religionsfreiheit auch für die Christen gilt. Sie sind überzeugt, wenn sie den Buddhisten mit Freundlichkeit und Liebe begegnen, eines Tages die Religionsfreiheit zu erlangen. Einige Gruppen planen bereits unverzagt am Bau einer Kirche in ihren Dörfern. Sie müssen allerdings sehr vorsichtig handeln, da der Einfluß der buddhistischen Mönche noch sehr groß ist, die keine Gelegenheit auslassen, um auf die Überlegenheit und Bedeutung der buddhistischen Kultur für Buthan hinzuweisen.
Das Konzept von ‚Kultur‘ ist für Asien von größter Bedeutung. Der größte Teil der Menschen unterscheidet nicht zwischen Kultur und Religion. Das Christentum kann also nur vermittelt werden, wenn es nicht die verschiedenen kulturellen Identitäten kompromittiert. Dies stellt die Verkündigung vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Auch einfache Asiaten haben ein ausgeprägtes kulturelles Bewußtsein. Unsere Herausforderung ist es, sie zu einer vertiefen Beschäftigung mit der eigenen Identität anzuhalten, mit ihrer Aufgabe auf Erden und ihrem Schicksal.
Während meiner Pastoralreise begleiteten mich die Worte Jesajas (2,2–4): Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.
Es ist nicht ohne Grund, daß der Herr den Himalaya über alle anderen Berge der Erde erhoben hat. Es ist unsere Aufgabe, dem Herrn auch auf diesen Bergen und unter diesen großartigen Menschen den Weg zu bereiten.“
(Asianews/ Giuseppe Nardi, Bild: Asianews)