Liebe Brüder und Schwestern!
Der heilige Johannes vom Kreuz ist neben Theresia von àvila, über die ich vor zwei Wochen gesprochen habe, die zweite große Gestalt der Reform des Karmelordens. Johannes wurde 1542 in Fontiveros bei àvila geboren. Nach einer schwierigen Jugend trat er mit 21 Jahren bei den Karmeliten in Medina del Campo ein und wurde zum Studium an die Universität von Salamanca geschickt. Kurz nach seiner Priesterweihe 1567 kam es zur entscheidenden Begegnung mit Theresia von àvila. Fasziniert von den Ideen dieser Heiligen, widmete er von da an sein ganzes Leben der Erneuerung des Karmels. Er nahm den Beinamen »vom Kreuz« an und gründete in Duruelo das erste Reformkloster für den männlichen Zweig des Ordens. Sein Einsatz brachte ihm heftigen Widerstand ein, er mußte sogar eine monatelange schwere Kerkerhaft im Karmel von Toledo erdulden, aus der er sich schließlich durch eine abenteuerliche Flucht befreien konnte. Johannes starb 1591 in àšbeda, wurde 1726 heiliggesprochen und 1926 von Papst Pius XI. zum Kirchenlehrer erhoben. Durch seine poetischen Schriften gilt Johannes vom Kreuz als ein Klassiker der spanischen Literatur und Mystik. In seinen vier Hauptwerken – Aufstieg auf den Berg Karmel, Die Dunkle Nacht, Der Geistliche Gesang und Die lebendige Flamme der Liebe – beschreibt er den geistlichen Weg des Menschen hin zur mystischen Vereinigung mit dem dreifaltigen Gott. Die Seele vollzieht durch die drei göttlichen Tugenden Glauben, Hoffnung und Liebe einen Prozeß der Reinigung. Aber es ist nicht eigentlich der Mensch, der sich heilig macht: Der Mensch muß offen sein, darf sich Gott nicht entgegensetzen, doch das Eigentliche der Heiligkeit kommt davon, daß Gottes Licht in uns hereinleuchtet, uns umwandelt und uns frei macht. Insofern ist es nicht ein Weg großer asketischer Anstrengungen, sondern ein Weg, der Gott Raum läßt und damit uns sagt, was eigentlich Heiligkeit ist. Heiligkeit ist das Offensein: sich von Gott lieben lassen, sich ihm aussetzen und so sich von ihm umformen und reinigen lassen. Es ist nicht Last des Herumwerkelns, sondern Freude des Beschenktseins von Gottes Liebe, der uns hilft, das andere, das Mühsame unseres Lebens zu ertragen und recht zu bewältigen.
Sehr herzlich heiße ich alle Brüder und Schwestern deutscher Sprache willkommen, besonders die Pilger aus der Diözese Eisenstadt in Begleitung von Bischof Ägidius Zsifkovics. Der heilige Johannes vom Kreuz lädt uns ein, unser ganzes Dasein mit allen Freuden und Mühsalen im Licht des Herrn zu sehen und mit ihm den Aufstieg zum wahren Leben in Gott zu wagen. Lassen wir uns also von der Liebe Christi formen, damit Er in uns und durch uns wirkt. Die Heiligkeit ist kein Privileg weniger, sondern Berufung und Geschenk eines jeden Christen. Gottes Gnade führe euch auf allen euren Wegen.