(Vatikan/Moskau) Obwohl die Nachricht kaum Beachtung fand, verbirgt sich dahinter ein großer Erfolg des Vatikans. Am 15. Juli trat der erste Botschafter des Heiligen Stuhls seinen Dienst in Moskau an. Msgr. Antonio Mennini wurde offiziell durch die Russische Föderation als Botschafter des Vatikans akkreditiert. Zwanzig Jahre lang war seit dem Untergang der Sowjetunion intensiv auf diese Ziel hingearbeitet worden unter Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. Mit dem Amtsantritt des 62jährigen Vatikandiplomaten ist das Ziel erreicht. Ein Erfolg, der vor allem dem Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone und Msgr. Dominique Mamberti, dem Leiter der Zweiten Sektion im Staatssekretariat, die für die Beziehungen zu den anderen Staaten zuständig ist, zuzuschreiben ist.
Im Dezember 2009 kündigte Rußlands Staatspräsident Dmitri Medwedew nach einer Audienz bei Papst Benedikt XVI. an, daß demnächst zwischen beiden Staaten die diplomatischen Beziehungen in vollem Umfang aufgenommen würden. Am 26. Juni wurde in Rom Mikolaj Sadlichow als erster Botschafter Rußlands beim Heiligen Stuhl akkreditiert.
Die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Rußland ist deshalb von größter Bedeutung, weil damit endgültig die Tore zur russisch-orthodoxen Kirche aufgestoßen wurden. Das Moskauer Patriarchat akzeptierte bis vor wenigen Jahren nicht einmal die Präsenz eines katholischen Bischofs in Moskau. Seither hat sich einiges geändert.
Mit dem neuen Pontifikat wurde der damalige Erzbischof von Moskau, Tadeusz Kondrusiewicz nach Minsk versetzt. Der Erzbischof stieß wegen seiner polnischen Herkunft stets auf Ablehnung bei den Orthodoxen. An seine Stelle trat der Italiener Paolo Pezzi, der bereits als Missionar in Sibirien gewirkt hatte. Heute sehen die Orthodoxen in den Katholiken keine historischen Feinde mehr, sondern zunehmend verbündete in gemeinsamen Anliegen. Die Begegnung zwischen dem Papst und dem Moskauer Patriarchen Kirill als Krönung des neuen Umgangs miteinander steht allerdings noch aus. Eine solche Begegnung war von Papst Johannes Paul II. intensiv gewünscht und angestrebt worden. Sie war jedoch für den 2008 verstorbenen Patriarchen Alexij II. mit einem Papst aus Polen undenkbar. Auch dem neuen Papst blieb sie verwehrt, obwohl beide, Papst und Patriarch, – einmalig in der Geschichte – deutscher Abstammung waren. Der neue Patriarch Kirill bemüht sich seit seiner Wahl Anfang 2009 um eine größere Annäherung, wie sie der Vatikan seit langem anstrebt.
Im Vatikan weiß man natürlich, daß ein Teil dieser neuen Offenheit durch die Notwendigkeit bedingt ist, daß das Moskauer Patriarchat die internationale Bedeutung und das Prestige Roms braucht, um auf internationaler Ebene gehört zu werden. Unterschwellig ist die Anschuldigung des Proselytismus gegen Rom immer noch zu hören. Fest steht aber, daß die diplomatischen Beziehungen zwischen Vatikan und Rußland auf Staatsebene und zwischen Rom und Moskau auf Kirchenebene noch nie so gut waren wie heute.
Der erste Botschafter, Msgr. Mennini, hatte diese Annäherung maßgeblich vorbereitet. Der Vatikandiplomat, der fließend Russisch spricht, ist ein Mann von größter Diskretion, ein Mann der Tat und nur weniger Worte. Ein Verhalten, das ihn die verschiedenen Aufgaben gelehrt haben werden, die er im Zuge seines Lebens als Priester und Diplomat zu erfüllen hatte.
Dazu gehören auch die dramatischen Tage der Entführung des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro im Jahr 1978. Wegen seiner persönlichen Freundschaft mit dem christdemokratischen Regierungschef wirkte Msgr. Mennini als Bindeglied zwischen der Familie des Entführten und der kommunistischen Terrororganisation Rote Brigaden. Mennini war damals Kaplan an der römischen Stadtpfarrei Santa Lucia an der Piazza Clodio. Als solcher wurde er von den Roten Brigaden kontaktiert und als solcher überbrachte er Botschaften an die Familie Moro und den Heiligen Stuhl. Die Ermordung des Ministerpräsidenten am 9. Mai 1978 nach 55-tägiger Geiselhaft konnte auch er nicht verhindern. Im Vatikan war man jedoch auf den jungen Priester aufmerksam geworden.
Sein erster Auftrag als vatikanischer Diplomat führte ihn nach Sofia in Bulgarien. Es war die heikle Zeit nach dem Attentat auf Papst Johannes Paul II., dessen Spur vom türkischen Attentäter Ali Agca direkt in die bulgarische Hauptstadt führte. Das Attentat, das der Papst wie durch ein Wunder überlebte, seine Gesundheit jedoch Zeit seines Lebens zeichnete, gilt offiziell als nicht geklärt. Es ist jedoch schwerlich denkbar, daß im damaligen Ostblock ein Satellitenregime ohne sowjetischen Befehl aus Moskau gehandelt habe.
Anschließend war Msgr. Mennini von 1984 bis 1985 an der Nuntiatur in der Türkei tätig. Schnell kletterte er die Leiter in der vatikanischen Diplomatie nach oben. Ausschlaggebend waren dabei vor allem seine ausgeprägte Zurückhaltung und absolute Diskretion, die er im Fall Moro bewiesen hatte. Der lange Weg vom Fall Moro bis in den Kreml mit nur wenigen Worten, ein Verhalten, das sowohl im Vatikan als auch in Rußland sehr geschätzt wird. So wurde er mit den höchsten Ehren als erster vatikanischer Botschafter empfangen, wo einst die Machtzentrale der Sowjetunion war.
(Palazzo Apostolico/GN, Bild: kremlin.ru)