Bartholomaios I. wird zum Kristallisationspunkt im Kampf um Bürgerrechte in der Türkei


(Istan­bul) Bei einem Tref­fen mit der staat­li­chen Kom­mis­si­on für die Rech­te der Min­der­hei­ten sprach der öku­me­ni­sche Patri­arch von Kon­stan­ti­no­pel von der „Not­wen­dig­keit“, das „Unrecht wie­der­gut­zu­ma­chen, das die christ­li­che Min­der­heit von Istan­bul, Imvros und Ten­e­dos im Lauf der Jah­re erlit­ten hat“. Es sei Zeit, von den Wor­ten zu den Taten zu kom­men, beson­ders im Schul­be­reich. Die anti-christ­li­chen Pogro­me in Imvros und Ten­e­dos haben die christ­li­che Gemein­schaft der­ma­ßen dezi­miert, daß heu­te nur mehr knapp 300 Chri­sten dort leben.

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Es war das erste Mal, daß eine so zahl­rei­che Kom­mis­si­on mit 20 Mit­glie­dern im Pha­nar, dem Sitz des Patri­ar­chen einen Besuch abstat­te­te, um zu prü­fen, wel­che Fort­schrit­te es bei der Ach­tung der Min­der­hei­ten­rech­te durch die tür­ki­sche Büro­kra­tie gibt.

Die Dele­ga­ti­on beim Tref­fen am ver­gan­ge­nen 20. Mai wur­de von Vol­kan Boz­kir ange­führt, einem hohen Regie­rungs­be­am­ten. Anwe­send waren auch Ver­tre­ter der ortho­do­xen christ­li­chen Min­der­heit. Künf­tig sol­len die Tref­fen regel­mä­ßig abge­hal­ten wer­den, um den Aus­tausch zu fördern.

Die Rede des Patri­ar­chen ver­deut­lich­te, daß er inzwi­schen zum Bezugs­punkt für alle Staats­bür­ger gewor­den ist, die für die Erlan­gun­gen der vol­len bür­ger­li­chen Frei­hei­ten kämpfen.

Kri­ti­ker wer­fen dem Pha­nar vor, gegen die Ein­heit des tür­ki­schen Staa­tes zu intri­gie­ren. Der Patri­arch ant­wor­te­te den Kri­ti­kern, daß das öku­me­ni­sche Patri­ar­chat bereit seit 17 Jahr­hun­der­ten sei­nen Sitz in Kon­stan­ti­no­pel hat und daher nicht nur eine tief ver­wur­zel­te, son­dern sogar die „älte­ste Insti­tu­ti­on die­ser Stadt“ ist. „Nolens volens ist der Sitz des Patri­ar­chats das Zen­trum der Ortho­do­xie und gera­de das ver­leiht die­ser Stadt die beson­de­re Aus­strah­lung“, so Bar­tho­lo­mai­os I.

Der Patri­arch unter­strich auch die Wider­sprü­che bei vie­len, die die Gewäh­rung von Min­der­hei­ten­rech­ten nur auf Gegen­sei­tig­keit zwi­schen der Tür­kei und Grie­chen­land oder ganz Euro­pa for­dern. Mit beben­der Stim­me, wie Asia­news berich­tet, sag­te der Patri­arch: „Wir sind Staats­bür­ger die­ses Lan­des und als sol­che ver­lan­gen wir unse­re vol­len Rech­te. Kann es je sein, daß ein Staat sei­nen eige­nen Staats­bür­gern im Namen irgend­ei­ner Rezi­pro­zi­tät Unge­rech­tig­kei­ten auf­zwin­gen kann?“

Der Patri­arch for­der­te die Rück­ga­be der drei histo­ri­schen Kir­chen des Stadt­vier­tels Gala­ta, die vom tür­ki­schen Staat in den 20er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts beschlag­nahmt und dem soge­nann­ten „Patri­ar­chat der ortho­do­xen Tür­ken“ über­ge­ben wur­den, einem „Patri­ar­chat“, das von Kemal Ata­türk „erfun­den“ wur­de, um die Ortho­do­xie zu schwächen.

Eben­so warf Batho­lo­mai­os den Besitz der beschlag­nahm­ten reli­giö­sen Stif­tun­gen Maz­but auf, deren Rück­ga­be nach jüng­sten Infor­ma­tio­nen kei­nes­wegs sicher sein soll. Des wei­te­ren for­der­te er die Wie­der­eröff­nung der theo­lo­gi­schen Schu­len von Chalki.

Die Anspra­che des Patri­ar­chen habe die diplo­ma­ti­schen Krei­se Istan­buls „erheb­lich erschüt­tert“, berich­tet Asia­news. Gegen­über Taha Alkyol, Jour­na­list bei Mil­li­yet, erklär­te der Patri­arch, daß er vom guten Wil­len der Regie­ren­den über­zeugt sei, aber sich nun erwar­te, daß „den Wor­ten Taten folgen.“

In den poli­ti­schen Füh­rungs­krei­sen der Tür­kei schwin­de der „euro­päi­sche Traum“ und auch der Enthu­si­as­mus für Euro­pa, nicht zuletzt auch wegen der Finanz­kri­se, die der­zeit die EU beu­telt. Im Umfeld des Patri­ar­chen geht man daher aus, daß sich die Tür­kei in eine neo-otto­ma­ni­sche Rich­tung bewegt, die sich auf einen Islam „light“ stützt und sich als Regio­nal­macht außer­halb der Euro­päi­schen Uni­on zu posi­tio­nie­ren versucht.

Damit erklä­ren sich diplo­ma­ti­sche Krei­se die man­geln­de Grö­ße und Bereit­schaft, in der Min­der­hei­ten­fra­ge vom Prin­zip auf Gegen­sei­tig­keit abzu­rücken. Dahin­ter ver­stecke sich ein Man­gel an zivi­lem Wachs­tum. In der Tür­kei herr­sche nach wie vor eine zutiefst pater­na­li­sti­sche Vor­stel­lung von den Grund- und Bürgerrechten.

(Asianews/​GN, Bild: Asianews)

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