(Frankfurt am Main/ Istanbul) Am 24. April 1915 – morgen vor 95 Jahren – begann mit der Verhaftung von 235 armenischen Intellektuellen in Istanbul der Völkermord an den Armeniern, bei dem in den Jahren 1915 bis 1917 bis zu 1,5 Millionen Armenier ermordet wurden. Auch Hunderttausende assyrische und andere Christen wurden während des 1. Weltkrieges durch das damalige Osmanische Reich im Rahmen pantürkisch-islamischer Bestrebungen systematisch umgebracht. Anläßlich des 95. Jahrestages des bisher von 22 Staaten und dem Europaparlament als Völkermord eingestuften Gesamt-Geschehens fordert die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte den Oberbürgermeister der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt Istanbul zu einer versöhnlichen Geste der Anerkennung und Toleranz gegenüber den heute in Istanbul lebenden Armeniern und zur Unterstützung der von türkischen Intellektuellen angekündigten Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Dies ist unser aller Schmerz“ auf.
Der Oberbürgermeister der Metropole Istanbul soll, so die IGFM, als Oberhaupt der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 auch die Zerstörung der blühenden armenischen Kultur im damaligen Konstantinopel mit ihren Dichtern und Denkern durch eine öffentliche Schweigeminute anerkennen. Die IGFM hält einen jährlich wiederkehrenden Gedenktag und die Errichtung eines Denkmals zum 100. Jahrestag des Völkermordes für notwendig.
Bis 2015 sollte ein großes Gedenkbuch mit den Biographien der umgebrachten Dichter und Denker und eine dokumentarische Ausstellung der zerstörten Armenier-Kultur entstehen. Es stünde der Stadtverwaltung gut an, sich von aktuellen antiarmenischen Morddrohungen durch türkische Nationalisten, wie im Februar 2010 auf der manipulierten Webseite der türkisch-armenischern Zeitschrift AGOS geschehen, zu distanzieren. Deren Chefredakteur Hrant Dink wurde am 19. Januar 2007 in Istanbul auf offener Straße erschossen. Weiterhin sollte Istanbul als Europäische Kulturhauptstadt 2010 die Resolution des Europaparlaments vom 10. Februar 2010, die unter anderen ein Klima intellektueller Freiheit und die Ermöglichung der Ausbildung christlicher Theologen fordert, uneingeschränkt umsetzen.
Nach Auffassung der IGFM kann sich die Istanbuler Stadtregierung gerade aus ihrer Geschichte heraus – hierzu gehört die Ermordung Hrant Dinks und das Wirken des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk – für die vom Europaparlament geforderte Abschaffung des Strafrechtsartikels 301 – Beleidigung der türkischen Nation – einsetzen, um ein Zeichen gegen die von diesem Artikel ausgehende Bedrohung der Meinungsfreiheit zu setzen. Ebenso sei die schon lange international geforderte Öffnung der christlich-theologischen Seminare und prinzipiell die Ermöglichung der Ausbildung christlicher Theologen in Istanbul mehr als überfällig, so die IGFM. Hierzu gehöre die Öffnung des 1969 geschlossenen Seminars der Armenier und die von der türkischen Regierung schon oft versprochene Zulassung des 1971 eingestellten Lehrbetriebs des berühmten griechisch-orthodoxen Seminars auf der Istanbul vorgelagerten Insel Chalki (Heybeli).
(PM/ JF)