Ein empfehlenswerter Kommentar zum Motu proprio Summorum Pontificum Benedikts XVI.


Gero P. Weis­haupt, in Aachen gebo­ren und auf­ge­wach­sen, jetzt Gerichts­vi­kar des Bis­tums s’Hertogenbosch und Dozent für Kir­chen­recht am Prie­ster­se­mi­nar der­sel­ben Diö­ze­se, hat im Inter­net einen kir­chen­recht­li­chen Kom­men­tar zum MP Sum­morum Pon­ti­fi­cum publi­ziert [„Das Motu Prop­tio Sum­morum Pon­ti­fi­cum Bene­dikts XVI. und der Begleit­brief. Ein kir­chen­recht­li­cher Kom­men­tar“ – https://​kir​chen​recht​li​cher​-kom​men​tar​.gero​-​p​-weis​haupt​.com], der hier in der Ver­si­on vom 17. Febru­ar 2010 von Prä­lat Dr. Mar­kus Wal­ser bespro­chen wird.

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In einer Art Vor­wort ver­weist der Ver­fas­ser auf eine Auto­bio­gra­phie des jet­zi­gen Hei­li­gen Vaters Papst Bene­dikts XVI. und dama­li­gen Kar­di­nals, die im Jahr 1997 publi­ziert wur­de und in der er sich Joseph Ratz­in­ger eine „lit­ur­gi­sche Ver­söh­nung“ wünsch­te, die das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil nicht als Bruch, son­dern „als Ent­wick­lungs­stu­fe“ ver­steht. Auf einer wei­te­ren Sei­te wer­den zen­tra­le Aus­sa­gen des Begleit­briefs zum Motu Pro­prio wie­der­ge­ge­ben. Weis­haupt inter­pre­tiert das MP Sum­morum Pon­ti­fi­cum als päpst­li­che „Wei­chen­stel­lung“ „für eine neue lit­ur­gi­sche Bewe­gung“. Es scheint in der Tat so, als ob es Spu­ren einer klei­nen lit­ur­gi­schen Renais­sance gäbe. Somit könn­te man im Umkehr­schluß der fol­gen­den Aus­sa­gen Kar­di­nal Ratz­in­gers in der jet­zi­gen Kir­chen­kri­se wie­der etwas Hoff­nung schöp­fen: „Ich bin über­zeugt, daß die Kir­chen­kri­se, die wir heu­te erle­ben, weit­ge­hend auf dem Zer­fall der Lit­ur­gie beruht, die mit­un­ter sogar so kon­zi­piert wird, ‚etsi Deus non dare­tur‘: daß es in ihr gar nicht mehr dar­auf ankommt, ob es Gott gibt und ob er uns anre­det und erhört“ (Joseph Ratz­in­ger, Aus mei­nem Leben. Erin­ne­run­gen, Mün­chen 1997, S. 174).

Nun folgt im Ablauf der Inter­net-Publi­ka­ti­on der Text des Motu Pro­prio in latei­ni­scher Spra­che und in einer deut­schen Über­set­zung, wie sie in den „Ver­laut­ba­run­gen des Apo­sto­li­schen Stuhls“, Nr. 178 abge­druckt wur­de. Dabei dürf­te sich in der deut­schen Über­set­zung von Art. 1 im letz­ten Satz ein nicht erfor­der­li­ches „sie“ ein­ge­schli­chen haben.

Im Vor­wort erläu­tert der Ver­fas­ser, daß sei­ne Publi­ka­ti­on eine Inter­pre­ta­ti­on und ein Kom­men­tar des Geset­zes­tex­tes sein will und dar­über hin­aus auch auf Fra­gen der „nach­kon­zi­lia­ren Sakra­men­ten­dis­zi­plin“ (bes­ser: der Sakra­men­ten­dis­zi­plin nach dem Zwei­ten Vati­ca­num; denn seit dem Apo­stel­kon­zil ist eigent­lich alles „nach­kon­zi­li­ar“) ein­geht. Unab­hän­gig von der Aus­sa­ge des Gesetz­ge­bers in Art. 1, daß das Mis­sa­le Pius V. bzw. Johan­nes XXIII. nie abro­giert wur­de, kommt der Ver­fas­ser auf­grund der Ana­ly­se der Tex­te des Zwei­ten Vati­ka­nums und des Mis­sa­le Pauls VI. zum glei­chen Schluß. Zu Recht wird fest­ge­stellt, daß der Gesetz­ge­ber wohl an die Insti­tu­te des gott­ge­weih­ten Lebens und an die Gesell­schaf­ten des apo­sto­li­schen Lebens gedacht hat, für die Per­so­nal­prä­la­tur aber kei­ne Rege­lung vor­sieht (Art. 3, FN 96). Kor­rekt weist der Verf. bei Art. 5 dar­auf hin, daß die bestän­di­ge Grup­pe von Gläu­bi­gen nicht aus Pfarr­an­ge­hö­ri­gen bestehen muß. Ein Pfarr­zwang besteht hier nicht. Auch wird betont, daß diö­ze­sa­ne Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen, die dem MP Sum­morum Pon­ti­fi­cum wider­spre­chen, nich­tig sind.

Bei der Bestim­mung zum Bre­vier­ge­bet (Art. 9 § 3) kommt der Ver­fas­ser zum Schluß: „Betet ein sol­cher Kle­ri­ker das Bre­vi­a­ri­um Roma­num in der Form der Lit­ur­gia Horarum, dann kommt er der in can. 273 § 2, 3° ihm auf­er­leg­ten Pflicht zum Bre­vier- bzw. Stun­den­ge­bet nach.“ Zu prä­zi­sie­ren ist der Satz im Kom­men­tar zu Art. 10: „Da die Per­so­nal­pfar­rei nicht ter­ri­to­ri­al begrenzt ist, gehö­ren zu ihr alle Gläu­bi­gen, die ihren Wohn­sitz im Juris­dik­ti­ons­be­reich des Diö­ze­san­bi­schofs (Orts­or­di­na­ri­us) haben und einer Kate­go­rie zuzu­ord­nen sind, zu deren seel­sorg­li­chen Betreu­ung der Diö­ze­san­bi­schof (Orts­or­di­na­ri­us) die betref­fen­de Per­so­nal­pfar­rei errich­tet hat.“ Jede Per­so­nal­pfar­rei ist selbst­ver­ständ­lich ter­ri­to­ri­al begrenzt; auch wenn das pri­mä­re Kri­te­ri­um der Zuge­hö­rig­keit ein per­so­na­les ist, bleibt als sekun­dä­res der Wohn­sitz. Es kann in einem Bis­tum meh­re­re Per­so­nal­pfar­rei­en mit dem glei­chen Kri­te­ri­um, aber ande­rer ter­ri­to­ria­ler Umschrei­bung geben, z.B. auch meh­re­re Per­so­nal­pfar­rei­en für den außer­or­dent­li­chen Ritus. Der Kom­men­tar springt dann von 10.3. zu 10.5 (10.4. fehlt).

Nach den Aus­füh­run­gen zu den Nor­men des Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum fol­gen Über­le­gun­gen zu aktu­el­len Fra­gen der Sakra­men­ten­dis­zi­plin, die mit fol­gen­den Zita­ten zusam­men­ge­faßt wer­den können:

  • Die Kom­mu­ni­on unter bei­den Gestal­ten ist für die Gläu­bi­gen im außer­or­dent­li­chen Ritus nicht mög­lich. Es ist üblich, in der Form der Mund­kom­mu­ni­on den Her­ren­leib zu emp­fan­gen. „Den­noch kann die Hand­kom­mu­ni­on auch in der über­lie­fer­ten Form der Meß­fei­er kir­chen­recht­lich nicht ver­wei­gert wer­den, wenn ein Gläu­bi­ger trotz mehr­ma­li­ger Unter­wei­sung durch den Prie­ster zu erken­nen gibt, die­se Form vorzuziehen.“
  • „Da es sich bei den Dienst­äm­tern (mini­ste­ria) des Lek­tors, der nicht die nach der frü­he­ren Dis­zi­plin zu ertei­len­de soge­nann­te nie­de­re Wei­he des Lek­tors erhal­ten hat, der Meß­die­ne­rin und des Kom­mu­ni­on­hel­fers bzw. der Kom­mu­ni­on­hel­fe­rin nicht um fun­da­men­ta­le Rech­te der Getauf­ten han­delt, von denen ihr Heil abhängt, kön­nen sie in der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Meß­ri­tus in Aner­ken­nung und Respekt vor den dor­ti­gen Gewohn­hei­ten, die zum Gewohn­heits­recht ver­stärkt sind, nicht zum Ein­satz kom­men. Was den außer­or­dent­li­chen Kom­mu­ni­ons­pen­der angeht, so ist die­ser Dienst in der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Mess­ri­tus völ­lig aus­ge­schlos­sen, nicht nur weil die Kom­mu­ni­ons­pen­dung durch Lai­en kein in der Tau­fe begrün­de­tes Recht ist, son­dern auch weil die frü­he­re Dis­zi­plin bzw. das alte Recht den Lai­en-Kom­mu­ni­on­hel­fer nicht kennt.“
  • „Die erleich­ter­te Nor­men über die eucha­ri­sti­sche Nüch­tern­heit und den zwei­ma­li­gen Kom­mu­nion­emp­fang an einem Tag sind als Nor­men eucha­ri­sti­scher Fröm­mig­keit auf­zu­fas­sen. Sie haben kei­nen Bezug zum ritu­el­len Voll­zug der Mes­se. Dar­um ist es den Gläu­bi­gen frei­ge­stellt, zwi­schen der stren­ge­ren Dis­zi­plin des alten Rechts und den erleich­ter­ten Bestim­mun­gen der nach­kon­zi­lia­ren Lit­ur­gie­re­form zu wählen.“

Es fol­gen als drit­tes Kapi­tel die „Zie­le“, die der Ver­fas­ser im MP Sum­morum Pon­ti­fi­cum sieht. Die durch­aus inter­es­san­ten und zutref­fen­den Aus­füh­run­gen zur „Reform der Reform“ – gemeint ist die Reform des Mis­sa­le Roma­num 2002 – haben die von Papst Bene­dikt XVI. gewünsch­te Befruch­tung des ordent­li­chen Ritus durch den außer­or­dent­li­chen zum Anknüp­fungs­punkt, gehen aber über das hin­aus, was im MP Sum­morum Pon­ti­fi­cum steht und in die­sem Zusam­men­hang kom­men­tiert wer­den kann. Dabei geht es z.B. um die Fra­ge der Zele­bra­ti­ons­rich­tung oder der Musi­ca Sacra im ordent­li­chen Meß­ri­tus. Der Ver­fas­ser ent­wickelt Desi­de­ra­te betref­fend Ände­run­gen im Mis­sa­le Roma­num 2002, die der Rezen­sent ohne wei­te­res unter­stützt und über deren Ver­wirk­li­chung er sich sehr freu­en wür­de. Es sind fun­dier­te und erbau­li­che Ausführungen.

Ins­ge­samt han­delt es sich um einen umfas­sen­den, sorg­fäl­tig erstell­ten und emp­feh­lens­wer­ten Kom­men­tar zum Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum Bene­dikts XVI.

Nach den ermu­ti­gen­den Aus­füh­run­gen zu den Zie­len, ist ein Blick in die Wirk­lich­keit ernüch­ternd, was als Rand­be­mer­kung ange­bracht sei: 2002 wur­de einem altern­den Papst ein Meß­buch zur Appro­ba­ti­on vor­ge­legt, das man­che als nicht geglück­te Revi­si­on einer nicht geglück­ten Reform bezeich­nen wür­den. Die­ses Meß­buch gilt es jetzt anhand der Kri­te­ri­en der Instruk­ti­on Lit­ur­giam authen­ti­cam in die Lan­des­spra­chen zu über­set­zen, wobei es durch­aus zu Ver­bes­se­run­gen im Ver­gleich zum aktu­el­len deut­schen Meß­buch kom­men kann, zum Bei­spiel bei einer (von den Bischö­fen noch nicht appro­bier­ten) genaue­ren Über­set­zung der Wand­lungs­wor­te. Es ist aber müßig, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß eine Über­set­zung kaum bes­ser sein kann, als das Ori­gi­nal. Der Spiel­raum des jet­zi­gen Pap­stes ist beim Mis­sa­le gering: Es bräuch­te küh­nen Mut, ein nicht ein­mal zehn Jah­re altes Meß­buch sei­nes Vor­gän­gers, von dem man sagt „San­to subi­to“, wesent­lich abzu­än­dern. Klei­ne Schrit­te sind erfolgt, wie etwa die Ent­fer­nung der Kin­der­hoch­ge­be­te, doch bräuch­te es für ein aus der Sicht der Tra­di­ti­on gelun­ge­nes Resul­tat ganz grund­sätz­li­che Klärungen.

Kost­pro­ben aus dem Mis­sa­le Roma­num 2002, zum Teil schon im Mis­sa­le Roma­num 1970 ent­hal­ten: Es gibt ein Meß­for­mu­lar für „Ini­tio anni civi­lis“ (für das bür­ger­li­che Neu­jahr), das aber am 1. Janu­ar nicht ver­wen­det wer­den darf. Wohl für das Chi­ne­si­sche Neu­jahr? Es gibt im Mis­sa­le 2002 etwa 40 Meß­for­mu­la­re für Ver­stor­be­ne, noch­mals deut­lich mehr als im Mis­sa­le Roma­num 1970, dar­un­ter zwei ver­schie­de­ne Tages­ge­be­te für ver­stor­be­ne Ehe­leu­te, wo man dar­um betet, daß der Herr die­je­ni­gen, die ein­an­der auf Erden in ehe­li­cher Lie­be zuge­tan waren, im Him­mel nun in der Fül­le sei­ner Lie­be ver­eint. Bis­her dach­te man: „Bis der Tod euch schei­det…“ Was ist zu beten, wenn der Ver­stor­be­ne (auf Erden) ein zwei­tes Mal treu und glück­lich ver­hei­ra­tet war? Oder viel­leicht sogar untreu war? Natür­lich kann das alles auch rich­tig ver­stan­den wer­den. Doch braucht es das? Die­se Fra­ge stellt sich bei vie­len lit­ur­gi­schen Neue­run­gen. Soll­te nicht bei jeder lit­ur­gi­schen Ände­rung die Fra­ge im Vor­der­grund ste­hen: Wie vie­le See­len wer­den dadurch gerettet?

Prä­lat Dr. Mar­kus Wal­ser ist Gene­ral- und Gerichts­vi­kar des Erz­bis­tums Vaduz

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