Der Brief wurde nach Aussage der Verfasser nicht beantwortet, weshalb er am 12. Februar 2010 als offener Brief publiziert wurde.
An Bischof Bernard Fellay, Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Exzellenz,
die bedeutsamen Unterschiede in den Meinungen, Handlungen und Ankündigungen der Leitung der Bruderschaft St. Pius X. über die Beziehungen mit dem Vatikan verursacht starke Verwirrung bei den Gläubigen. Mehrere aber wollten es nicht bei ihrer Beunruhigung belassen und haben sich an ihre Priester gewandt, um diesen ihre Zweifel und Bedenken anzuvertrauen. Leider waren viele Priester nicht in der Lage zu antworten. Ihre Meinungen waren folglich nicht überzeugend und am Ende rieten sie nur, das Vertrauen in die Leitung der Bruderschaft St. Pius X. nicht zu verlieren.
Deshalb stellen wir Ihnen mit großer Ehrfurcht die folgenden Fragen:
Exzellenz, wir sollen Vertrauen haben, aber in welche Autorität?
In diejenige, die im Jahr 2003 eine Übereinkunft mit Rom wegen seines synkretistischen Geistes verweigert hat, und schrieb: „Mit Grauen und Abscheu distanzieren wir uns von einer solchen Art, die Kirche zu sehen und die ‚Communio‘ zu leben. Wie kann man vorgeben, das modernistische ‚Rom‘ habe sich geändert, es sei der Tradition gewogen geworden? Welche Illusion!“ [1]Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 65, Dezember 2003 Oder in die Autorität, die 2009 mit großer Freude ankündigte, daß die Voraussetzungen gegeben sind, die theologischen Gespräche zu beginnen. In der Tat haben sie schon ihren Anfang genommen! Änderte sich Rom, so gäbe es keinen Grund, diese Frage zu stellen. Hat das modernistische Rom sich aber geändert? Hat es die synkretistische „Communio“ aufgegeben, die vor sieben Jahren soviel „Abscheu“ hervorrief? [2]Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 64, Juli 2003. Bischof Fellay schrieb: „Im Klartext: Wir glauben erst dann, daß Rom wirklich eine Geste gegenüber der Tradition gemacht hat, wenn es, auf … Continue reading
Im Gegenteil nehmen die führenden Vertreter des Vatikans und der Papst selbst immer wieder an „ökumenischen“ Versammlungen teil; sie akzeptieren auch diese Versammlungen in verschiedenen Diözesen. Laut Bischof de Galarreta: „Benedikt XVI. hängt an der Theologie des II. Vatikanischen Konzils. Seine Lehre und seine Regierung der Kirche sind mit dem Geist des Konzils ganz übereinstimmend. Auf dieser Grundlage will er die Bruderschaft St. Pius X. in die offizielle Kirche überführen in Übereinstimmung mit dem Ökumenismus.“
Exzellenz, mit groβer Ehrfurcht dringen wir auf unsere Frage: Wir sollen Vertrauen setzen, aber in welche Autorität?
In diejenige, die früher – wie die Kardinäle Ottaviani und Bacci – in kritischer Überprüfung annahm, daß „diese Riten sich in wahrhaft beunruhigender Weise von den diesen Gegenstand definierenden Texten des Konzils von Trient entfernen“. [3]Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 62, 2002
Oder in die Autorität, die sich über das Motu proprio Summorum Pontificum erfreut, obwohl dieses erklärt: „Das vom hl. Pius V. promulgierte und vom sel. Johannes XXIII. neu herausgegebene Römische Meßbuch hat hingegen als außerordentliche Ausdrucksform derselben Lex orandi der Kirche zu gelten. Diese zwei Ausdrucksformen der Lex orandi der Kirche werden aber keineswegs zu einer Spaltung der Lex credendi der Kirche führen; denn sie sind zwei Anwendungsformen des einen Römischen Ritus.“
Warum freut sich die Bruderschaft St. Pius X. über so etwas? Sind die Messe von Paul VI. (die „unechte“ Messe nach Erzbischof Lefebvre) und die Heilige Messe wirklich zwei Anwendungsformen des einen Römischen Ritus? Bitte, Exzellenz, erklären Sie uns, wann und wie sich die neue Messe der katholischen Theologie angenähert hat!
Exzellenz, immer mit großer Ehrfurcht stellen wir Ihnen dieselbe Frage wieder: In welche Autorität sollen wir Vertrauen setzen? In diejenige, die im Jahre 2006 sagte: „Wir können nicht um die Rücknahme einer nichtigen Exkommunikation bitten.“ Oder in die Autorität, die im Jahre 2009 die Exkommunikation anerkannte: „Wir haben um die Rücknahme der Exkommunikation gebeten.“ Und diese Autorität erfreut sich über diese Rücknahme, läßt das Magnifikat in allen Kapellen der Bruderschaft singen und dankt von Herzen dem Papst.
Exzellenz, wir sind der Bruderschaft St. Pius X. sehr dankbar. Wir wollen aber der katholischen Kirche immer treu bleiben. Bitte entsprechen Sie unserer Erwartung: bitte, beantworten Sie unsere Fragen, damit wir uns nicht verlassen fühlen. Im Jahre 1988 war die Bruderschaft St. Pius X. mit dem Zustand der Exkommunikation sehr zufrieden, daß selbst Priester und Seminaristen darum baten. Wie können wir heute verstehen, daß die Leitung der Bruderschaft um die Rücknahme einer solchen Exkommunikation gebeten hat?
Exzellenz, in welche Autorität sollen wir Vertrauen setzen? In diejenige, die von einer nichtigen Exkommunikation sprach? [4]Bischof Fellays Predigt am 2. Februar, 2006 in Flavigny Oder in jene, die öffentlich für die Rücknahme dieser Exkommunikation gedankt hat und so die Rechtsgültigkeit dieser bekannte? [5]Dankbrief der vier Bischöfe an Benedikt XVI. Dieser zweite Punkt ist sehr bedeutend, denn die Leitung hat mehrfach den Gläubigen gesagt, diese Exkommunikation sei nichtig. In dem Dankbrief an Benedikt XVI. aber, der von den vier Bischöfen unterschrieben wurde, haben dieselben die Rechtsgültigkeit dieser Exkommunikation seit den Bischofweihungen im Jahr 1988 bis zum 21. Januar 2009 anerkannt.
Diese Gegensätze der Leitung der Bruderschaft St. Pius X. bewirken unser Mißtrauen. Wer darf uns dies zum Vorwurf machen? Exzellenz, noch eine Frage: Was ist aus der Ehrfurcht der Bruderschaft St. Pius X. vor der Heiligen Jungfrau Maria geworden? Die Leitung der Bruderschaft St. Pius X. rechnet ihr das Motu proprio Summorum Pontificum an, in dem die Heilige Messe erniedrigt wird. Die Leitung rechnet ihr die Rücknahme der Exkommunikation durch ein Dekret an, das Pater Bouchacourt für „sehr kläglich“ erklärt; ein Dekret, das nach Bischof de Galarreta „mit der Wahrheit und dem Recht nicht übereinstimmt“. [6]Jesus Christus n° 121, 2009 Wie kann man sagen, dieses Motu proprio und dieses Dekret seien von der Heiligen Jungfrau geschenkte Gnaden? Wie kann man verstehen, daß eine solche Erklärung, die von vielen Gläubigen für lasterhaft gehalten wird, von der Leitung der Bruderschaft St. Pius X. stammt?
Exzellenz, über ein Jahr nach der Angliederung von Campos haben Sie uns vor einem solchen Ereignis gewarnt. „So wird der Kampf allmählich verwässert, und man gewöhnt sich schließlich an die Situation. In Campos selbst wird sicherlich alles, was positiv traditionell ist, bewahrt, daher sehen die Gläubigen keine Veränderung, mit Ausnahme der Scharfsinnigeren, die die Tendenz bemerken, häufiger und respektvoller von aktuellen römischen Erklärungen und Ereignissen zu sprechen, wobei die Warnungen von früher und die Abweichungen von heute unerwähnt bleiben; die große Gefahr ist daher, sich schließlich an die Situation zu gewöhnen und nicht mehr zu versuchen, ihr abzuhelfen.“[7]Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 63, 2003 Was sollen wir nun denken, wenn wir dieselbe Tendenz in der Bruderschaft St. Pius X. bemerken?
Nun wird in der Bruderschaft St. Pius X. häufiger und respektvoller von Rom gesprochen. Es genügt uns, die respektvollen und lobesvollen Dankbriefe an Benedikt XVI. zu lesen. Sie selbst, Exzellenz, sprechen von ihm als „einem redlichen Menschen, der für die Kirche eine große Sorge trägt“. Nun bleiben die Warnungen, die früher die Abweichungen der modernistischen Kirche aufzeigten, in der Bruderschaft St. Pius X. unerwähnt. Wo ist die amtliche Mitteilung bezüglich der letzten Enzyklika von Benedikt XVI.?
Seit über einem Jahr hat die Bruderschaft St. Pius X. gleichsam aufgehört, die Abweichungen der nachkonziliaren Kirche aufzuzeigen. Die Priester und Gläubigen, die diese Abweichungen aufzeigten, wurden sogar bestraft. Was ist mit den Versammlungen mit Angehörigen verschiedener Glaubensrichtungen (offenkundige Abfälle!), an denen Benedikt XVI. während des Jahres 2009 teilnahm? Gewöhnt sich die Bruderschaft St. Pius X. an diese Situation? Versucht sie nicht mehr, ihr abzuhelfen? Daher dürften Sie heute, Exzellenz, diese im Jahre 2003 geschriebenen Worte gegen Campos ohne größere Schwierigkeiten auch gegen die Bruderschaft St. Pius X richten.
Exzellenz, unsere Priester haben uns geraten, unser Vertrauen in die Leitung der Bruderschaft St. Pius X. zu setzen. Aber wie können wir dies tun, wenn einer Ihrer Priester, Pater Grégoire Celier in einem modernistischen, Benedikt XVI. zugeeigneten Buch einen Text veröffentlichen darf, in dem er einen ganz befriedigenden Ritus, Frucht einer Verbindung der modernistischen mit der traditionellen Liturgie wünscht? [8]„Benedikt XVI. und die Traditionalisten“ Verfasser: Pater Grégoire Celier und der Journalist Olivier Pichon. Ed. Entrelacs, Frankreich, 2007 Wie könnten wir dies tun? Derselbe Priester hat diese Thesen, in der die traditionelle Liturgie von dem Modernismus verseucht wird, bereits zuvor vorgestellt [9]Benedikt XVI., Ed. Terramare, Frankreich, 2010 und nach drei Jahren hat er seine Thesen noch immer nicht zurückgenommen. Nach drei Jahren ist er dafür noch immer nicht bestraft worden! Seit wann hat die Bruderschaft St. Pius X. aufgehört, die Heilige Messe des Papsts Pius V. für ganz vollkommen zu halten? Seit wann meint sie, daß die Verbindung der modernistischen und der traditionellen Liturgie ein ganz vollkommener Ritus werden kann?
Exzellenz, die Gläubigen, die versuchen, vor der Gefahr dieser Situation zu warnen, werden von einigen Priestern angegriffen. Diese Priester werfen ihnen vor, die Leitung zu tadeln, und tadeln sie dafür. Um diese Angriffe zu widerlegen, verwenden wir jene Worte, mit denen Ihre Exzellenz solche Angriffe widerlegt hat. „Die einfache Darstellung des Tatbestands“, zum Beispiel: alle Gegensätze, die wir bemerkt haben, die Schuld gegen die Heilige Jungfrau, die zwiespältige Rede, entweder für die Gläubigen, oder für den Vatikan und die Presse, usw. …, diese einfache Darstellung des Tatbestands bedeutet nicht, daß „wir uns zum Richter – der Leitung der Bruderschaft St. Pius X. – aufwerfen“, „oder sollen wir ganz einfach nicht mehr denken“. [10]Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 62, 2002
Am Ende dieses Briefes, fragen wir uns mit großer Ehrfurcht, aber auch mit großer Bestürzung: In welche Richtung geht Bischof Fellay? Wohin führt er die Priester, Brüder und Seminaristen, die Gott ihm in Obhut gegeben hat? Wohin führt er die Gläubigen, die in ihn ihr Vertrauen setzen? Welche Antwort wird er geben, wenn Gott über diese Seelen Rechenschaft fordern wird?
Hochachtungsvoll,
Jaime Adolfo Flores Guerrero – Marco Antonio Flores Guerrero
(Exzellenz Bischof Bernard Fellay bei der Priesterweihe 2009 in Zaitzkofen; Bild: Dieter Volkerts)
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↑1 | Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 65, Dezember 2003 |
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↑2 | Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 64, Juli 2003. Bischof Fellay schrieb: „Im Klartext: Wir glauben erst dann, daß Rom wirklich eine Geste gegenüber der Tradition gemacht hat, wenn es, auf die eine oder andere Weise, die generelle antitraditionelle Linie, welche die Kirche weiterhin vergiftet, ändert und korrigiert.“ |
↑3, ↑10 | Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 62, 2002 |
↑4 | Bischof Fellays Predigt am 2. Februar, 2006 in Flavigny |
↑5 | Dankbrief der vier Bischöfe an Benedikt XVI. |
↑6 | Jesus Christus n° 121, 2009 |
↑7 | Brief an die Freunde und Wohltäter Nr 63, 2003 |
↑8 | „Benedikt XVI. und die Traditionalisten“ Verfasser: Pater Grégoire Celier und der Journalist Olivier Pichon. Ed. Entrelacs, Frankreich, 2007 |
↑9 | Benedikt XVI., Ed. Terramare, Frankreich, 2010 |