(Hamburg) Die Schweizer Ärztin Brida von Castelberg betrauert in der Wochenzeitung Die Zeit die steigende Zahl der Abtreibungen. Die Zürcher Gynäkologin schreibt in der Kolumne „Schweizerspiegel“ mit schonungsloser Offenheit von dem Dilemma der Ärzte angesichts des Schwangerschaftsabbruchs.
„Der Eid des Hippokrates, der für alle Mediziner verbindlich ist, verbietet explizit die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruches, und doch werden wir Ärzte von Staats wegen dazu angehalten, dies zu tun“, skizziert sie die Problematik. Daher suchten Ärzte vor sich selbst nach einer Rechtfertigung, warum sie einen Eingriff vornehmen, der eigentlich „gegen unser Selbstverständnis verstößt“.
Castelberg umkreist von allen Seiten das Thema der Abtreibung: Sie schreibt von Frauen, die von ihren Partnern zum Abbruch gezwungen werden, aber auch von Männern, die gerne das Kind aufziehen würden, das ihre Partnerin abtreiben lassen will. Sie erwähnt das Argument, dass Frauen in schlechter sozialer Situation lieber „nicht noch ein Kind“ bekommen sollten – verweist aber auch auf die Einwohner des Kinderheims in der Nachbarschaft: „Das Lachen der spielenden Kinder wirkt auf mich nicht unglücklich.“
Die 57-jährige Ärztin, selbst kinderlos, weist aber auch auf die andere Seite der Medaille hin: Auf die Frauen, die mit großen Aufwand auf dem Weg der künstlichen Befruchtung zu einem Kind kommen wollen; auf die Mütter von Behinderten, denen in der Gesellschaft angezeigt wird, „so etwas könne man doch heutzutage vermeiden“. Castelberg zitiert am Ende ihres Artikels die US-Feministin Naomi Wolf „Der Feminismus muß als gescheitert angesehen werden, wenn die Töchtergeneration noch zu diesem Mittel zu greifen hat, das alle Beteiligten zur Inhumanität zwingt.“
(JB; Foto: Archiv JF)