(Rom) Kardinal Walter Kasper begleitete am vergangenen Sonntag Papst Benedikt XVI. bei dessen weithin gewürdigten Besuch der römischen Synagoge. Bereits seit elf Jahren bekleidet der deutsche Purpurträger hohe Ämter im Vatikan. Zwei Jahre als Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, seit 1991 als dessen Vorsitzender. Papst Johannes Paul II., der Kardinal Kasper nach Rom berief, übertrug ihm auch die Beziehungen zu den Juden. Am Sonntag saß Kasper in der Synagoge neben dem Papst. Genauso wird es am kommenden Montag in der Lateranbasilika sein, wenn Benedikt XVI. die Gebetswoche für die Einheit der Christen abschließen wird. Kardinal Kasper vollendet im März sein 77. Lebensjahr. Für seine Nachfolge werden bereits einige Namen gehandelt. Als unausgesprochener Favorit gilt wiederum ein Deutscher, der Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller. Als Alternative wird der Italiener Bruno Forte genannt, Bischof von Chieti-Vasto.
Die Ernennung Kaspers 2001 durch Johannes Paul II. erfolgte unter allgemeiner Zustimmung sowohl christlicher wie jüdischer Seite. Sie signalisierte allen Seiten, daß Rom den Weg des Dialogs, der Verständigung und der Annäherung fortsetzen wollte. Entsprechend wurde seine Berufung an die Spitze des Dikasteriums, das für den Dialog mit den anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften und den Juden zuständig ist, „von der Ökumene sehr geschätzt“, wie Daniel Deckers schrieb, der bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die Berichterstattung über die katholische Kirche in Deutschland zuständig ist.
Kasper repräsentierte das nachkonziliare Deutschland der Tübinger Schule. Jenes Deutschland, das in der katholischen Kirche auf eine Öffnung zu den protestantischen Gemeinschaften und vor allem zum Judentum drängte. „Niemand konnte die ökumenischen Schübe besser verkörpern, die für die nachkonziliare Kirche so grundlegend waren, als ein Deutscher“, zitiert Paolo Rodari im Il Foglio einen namentlich nicht genannten Kurienkardinal. „Nach der Phase des Holländers Johannes Willebrands und des Australiers Edward Cassidy wurde Wojtyla von verschiedenen Seiten nahegelegt, daß die Ökumene eines Deutschen bedurfte.“
Dabei sind die Beziehungen zwischen den Kardinälen Ratzinger und Kasper keineswegs ungetrübt. Papst Benedikt XVI. äußerte dies selbst, als er 2008 Kasper zum 75. Geburtstag gratulierte. „Nicht immer waren wir derselben Meinung, wir wußten uns aber immer einig auf dem Weg des Dienstes für Christus und die Kirche.“ Die Meinungsunterschiede betreffen vor allem das Grundverständnis der Ökumene. Für Benedikt XVI. ist die Notwendigkeit zentral, daß sich die verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften „cum e sub Petro“ verbunden fühlen. Für Kasper ist der Dialog wichtiger, auch wenn die Verbundenheit mit Rom nicht anerkannt wird.
(Palazzo Apostolico/GN; Foto: Johannes Joas)