Benedikt XVI.: Für eine Kreativität zum Guten – Die Heiligen tragen Kräfte der Reform in sich


Ein Blick in die Geschich­te der Kir­che zeigt uns, daß Kir­che immer wie­der der Reform bedarf, weil das Schwer­ge­wicht der Gewohn­hei­ten des Men­schen sie immer nach unten zieht, aber daß in ihr auch immer wie­der Kräf­te der Reform auf­bre­chen, daß eine Krea­ti­vi­tät zum Guten hin immer wie­der neu da ist und daß es die Hei­li­gen sind, die die­se Kräf­te der Reform in sich tragen.

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Im 13. Jahr­hun­dert waren es die Bet­tel­or­den, vor allem die Min­der­brü­der des hei­li­gen Franz von Assi­si und der Pre­di­ger­or­den des hei­li­gen Domi­ni­kus, die eine dau­er­haf­te und tief­ge­hen­de kirch­li­che Erneue­rung brach­ten. Damals war gegen die Immo­bi­li­tät der gro­ßen monasti­schen Orden und der Hier­ar­chie ein Auf­be­geh­ren in der Kir­che leben­dig, das nach der Ein­fach­heit des Evan­ge­li­ums ver­lang­te – nach der Armut – und sich in Gegen­satz zu Glanz und Grö­ße der offi­zi­el­len Kir­che setz­te: Armuts­be­we­gun­gen, die aber dann sogleich auch in Häre­sie ver­fie­len, die Mate­rie in einem fal­schen aske­ti­schen Stre­ben ablehn­ten, als etwas Böses betrach­te­ten, die schließ­lich davon aus­gin­gen, daß es nicht nur Gott, son­dern ein böses Prin­zip gibt, weil in der Welt so viel Böses ist, das sie in der Mate­rie ver­an­kert sahen und so mit dem guten Impuls zur Ein­fach­heit, zur Armut, zur Stren­ge des Glau­bens und des Lebens zer­stö­re­risch wirk­ten, weil sie die Grö­ße Got­tes ver­min­der­ten und die Schöp­fung nicht mehr liebten.

In die­ser Situa­ti­on sind Gestal­ten wie Franz und Domi­ni­kus auf­ge­stan­den, die auch den Impuls der Armut, der Ein­fach­heit, der Radi­ka­li­tät des Evan­ge­li­ums in sich tru­gen, aber ihn in der Kir­che und mit der Kir­che als den wah­ren Ort des Evan­ge­li­ums leb­ten und so in ihr Erneue­rung schu­fen, die dann auch Euro­pa erneu­ern und umge­stal­ten konnte.

Für sie war es wesent­lich, daß sie in der Armut des Evan­ge­li­ums das Evan­ge­li­um wört­lich leb­ten, aber daß sie es in der Gemein­schaft mit dem Papst und mit der Kir­che voll­brach­ten und so von innen her das gan­ze Volk Got­tes erneu­ert haben. Dazu gehör­te dann nicht nur die­ser, sagen wir, öko­no­mi­sche Fak­tor, die Ein­fach­heit des Lebens, die sich einer bestimm­ten Wirt­schafts­form ent­ge­gen­stell­te und sie auch erneu­ern half, son­dern vor allem die Ver­kün­di­gung des Evangeliums.

Es waren gro­ße Ver­kün­di­ger, die das Evan­ge­li­um wie­der als leben­di­ge Kraft im 13. Jahr­hun­dert neu zu den Men­schen zu brin­gen ver­moch­ten und so, wie es der Wil­le des hl. Franz war, Volk Got­tes aus der Ein­fach­heit der Ursprün­ge neu sam­mel­ten. Sie waren Pre­di­ger, Beicht­vä­ter, För­de­rer der Fröm­mig­keit, und damit ent­stand einer­seits die Radi­ka­li­tät derer, die sich ganz die­ser Bewe­gung anschlos­sen, aber auch der Wil­le der ande­ren, mit dabei zu sein, die soge­nann­ten Drit­ten Orden, Men­schen, die in den Beru­fen der Welt leb­ten, aber den Geist des Evan­ge­li­ums, den ihnen die­se Gemein­schaf­ten vor­leb­ten, auch tra­gen woll­ten, in dem Wis­sen, daß man in jedem Stand hei­lig sein kann, wenn auch in ver­schie­de­nen Formen.

Dazu kam dann die neue Orga­ni­sa­ti­on: Es waren nicht mehr orts­fe­ste, sta­bi­le Gemein­schaf­ten, son­dern beweg­li­che, die von einem Gene­ral­obe­ren gelei­tet wur­den und damit mit einer neu­en Fle­xi­bi­li­tät das Wort ver­kün­den konn­ten, so daß die dyna­mi­sche Kraft der Mis­si­on neu erstan­den ist. Und schließ­lich auch eine neue Dyna­mik der Aus­ein­an­der­set­zung mit den gro­ßen gei­sti­gen Pro­ble­men der Zeit. In jener Zeit sind die Uni­ver­si­tä­ten ent­stan­den, und die Bet­tel­brü­der gehör­ten zu den ersten Stu­den­ten und Pro­fes­so­ren, die mit neu­er Radi­ka­li­tät und Kühn­heit nach der Ein­heit von Glau­be und Ver­nunft frag­ten und so zu einer neu­en Blü­te christ­li­cher und mensch­li­cher Kul­tur bei­getra­gen haben. In alle­dem haben sie auch uns etwas zu sagen: Erneue­rung der Gesell­schaft kommt aus einer tie­fen Begeg­nung mit dem Evan­ge­li­um, aus der Radi­ka­li­tät des Lebens mit dem Evan­ge­li­um, das dann sich in sei­ner Grö­ße neu öff­net. Hei­lig­keit ist radi­kal geleb­tes Evan­ge­li­um, und wir müs­sen heu­te wie­der den Mut haben, dies zu ver­su­chen. Es gibt ja auch heu­te sol­che Bewe­gun­gen, die neue Dyna­mik in die Kir­che her­ein­tra­gen und von denen wir uns anspre­chen las­sen wollen.

Von Her­zen grü­ße ich alle deutsch­spra­chi­gen Teil­neh­mer an die­ser Audi­enz. Der Hei­li­ge Geist hel­fe uns, mutig und kohä­rent das Evan­ge­li­um zu leben und zu bezeu­gen. Er las­se es nie an Hei­li­gen feh­len, die der Welt die Schön­heit des Glau­bens sicht­bar machen und sie so für Chri­stus gewin­nen. Der Herr beglei­te uns alle mit sei­ner Lie­be und gebe uns den Mut und die Kraft, das Evan­ge­li­um zu lie­ben und zu leben.

(chie­sa-cat­to­li­ca/GN)

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