(Agram) Über die Verbrechen und Folgen des Kommunismus, vor allem die tiefen Wunden, die er im Leben vieler Personen und ganzer Länder und Gesellschaften hinterlassen hat, sei es noch immer schwer zu reden und werde zuviel geschwiegen. Dieser Ansicht sind die Kardinäle und Vorsitzenden von dreizehn mittel- und osteuropäischen Bischofskonferenzen. Die Kirchenvertreter trafen sich im kroatischen Agram zu einer Tagung über „Die Mission der Kirche in den Ländern Mittel- und Osteuropas 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems“.
Es sei für viele nach wie vor schwierig über die schwerwiegenden Folgen der kommunistischen Diktatur zu sprechen. Die Wunden seien noch zu frisch. Viele wollten auch gar nicht, daß darüber gesprochen werde, vor allem im westlichen Europa, so die Bischöfe. „Die Wunden des Kommunismus verlangen nach Hilfe durch Gott und die Kirche, um den Menschen zu heilen“, so die versammelten Oberhirten, die bei ihrer Tagung vor allem des seligen kroatischen Märtyrerbischofs Kardinal Aloisius Stepinac gedachten. Stepinac, der im Zweiten Weltkrieg zahlreichen Juden das Leben rettete, war 1945 von den Kommunisten verhaftet und in einem Schauprozeß zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Nach sechs Jahren wurde er zwar aus der Haft entlassen, mußte aber bis an sein Lebensende im Hausarrest verbringen.
Die Tagung der Kardinäle und Bischöfe ist bereits die dritte ihrer Art. Nach Budapest 2004 und Prag 2007 richtete die Erzdiözese Zagreb und die kroatische Bischofskonferenz das Treffen auf Einladung des Erzbischofs von Agram, Kardinal Josip Bozanic, aus, der auch stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Bischofskonferenz ist.
Im Schlußdokument stellen die kirchlichen Würdenträger und Oberhirten fest, „daß die Tendenz, über das, was während des Kommunismus wirklich geschah, zu schweigen, noch immer sehr stark ist. Der psychologische Druck jener Epoche lastet noch immer auf der Gesellschaft der betroffenen Staaten und führt zu einem Klima der Polarisierung und einer Atmosphäre des Mißtrauens.“ Aus diesem Grund, so das Dokument, „ist es notwendig den jüngeren Generationen zu helfen, daß sie die wahre Geschichte erfahren, und gleichzeitig die Erinnerung an jene wachzuhalten, die für den Glauben zum Martyrium bereit waren.“
Die in Agram erfolgte Analyse der derzeitigen Situation habe in den Bischöfen den Willen bestärkt, „sich den Herausforderungen zu stellen, die auf die Kirche und Europa zukommen, vor allem auf dem Gebiet der Bioethik, der Neurowissenschaften und der Globalisierung, um an einem dauerhaften Frieden zu bauen“. „Die Kirche ist in Europa heute aufgerufen, mit allen den Dialog zu pflegen, vor allem aber die Gewissensfreiheit zu verteidigen und den neuen Ideologien, die im Vormarsch sind, entgegenzutreten“, heißt es im Schlußdokument weiter. Besonderes Ziel der Kirche sei dabei „der Schutz des Lebens und der Familie, die Erziehung der Kinder und Jugendlichen, die Versöhnung in der Gesellschafte und zwischen den Völkern“.
Auf der Tagung wurde auch beschlossen, „in den einzelnen Ländern verschiedene und differenzierte Tagungen zu historischen Fragen anzuregen und durchzuführen, um die Wahrheit über das Leben und die Verfolgung der Kirche und der Christen während des Kommunismus ans Licht zu bringen.“
(SIR/JF)