Zehn Jahre „Fides et ratio“


von Josef Bordat

Anzei­ge

Aus Anlaß des zehn­ten Jah­res­ta­ges der Enzy­kli­ka Fides et ratio, in der Papst Johan­nes Paul II. das Ver­hält­nis von Glau­be und Ver­nunft ver­deut­licht und die christ­li­che Reli­gi­on als Aus­druck die­ser Ver­nunft gekenn­zeich­net hat, erin­ner­te sein Nach­fol­ger, Papst Bene­dikt XVI., am 16. Okto­ber bei einer Anspra­che an der Päpst­li­chen Late­ran­uni­ver­si­tät an die gro­ße Bedeu­tung der Ver­nunft-Enzy­kli­ka: „Mit die­ser Leh­re hat sich die Kir­che zum Wort­füh­rer einer For­de­rung gemacht, die im aktu­el­len kul­tu­rel­len Kon­text auf­taucht. Sie hat die Kraft der Ver­nunft und ihre Fähig­kei­ten, zur Wahr­heit zu gelan­gen, ver­tei­di­gen wol­len, indem sie noch­mals den Glau­ben als eine beson­de­re Form der Erkennt­nis dar­stellt, dank derer man sich der Wahr­heit der Offen­ba­rung öff­net“. Gera­de heu­te gel­te, was Fides et ratio fest­stellt: „Die Lei­den­schaft für die letz­te Wahr­heit und der Wunsch, sie zu suchen, ver­bun­den mit dem Mut zur Ent­deckung neu­er Wege, dür­fen nicht ver­lo­ren gehen! Es ist der Glau­be, der die Ver­nunft dazu her­aus­for­dert, aus jed­we­der Iso­la­ti­on her­aus­zu­tre­ten und für alles, was schön, gut und wahr ist, etwas zu ris­kie­ren. So wird der Glau­be zum über­zeug­ten und über­zeu­gen­den Anwalt der Ver­nunft.“ (Nr. 56).

Doch es gibt heu­te, zehn Jah­re danach, auch eine neue Per­spek­ti­ve auf das Dau­er­the­ma Glau­be und Ver­nunft: Ging es bei Fides et ratio noch pri­mär um das span­nungs­rei­che Ver­hält­nis von Theo­lo­gie und Phi­lo­so­phie, so ist es heu­te die metho­di­sche und onto­lo­gi­sche Dif­fe­renz von Gei­stes­wis­sen­schaf­ten und Natur­wis­sen­schaf­ten, die den Streit um die Ratio­na­li­tät der Reli­gi­on umrahmt. Hier gilt dann wie­der ganz beson­ders das Wort der Enzy­kli­ka, daß, wer nicht „die Fra­ge nach dem Sinn des Daseins stellt“ – und für die­ses Schwei­gen ste­hen para­dig­ma­tisch die Natur­wis­sen­schaf­ten, soweit sie vor dem Hin­ter­grund einer mate­ria­li­sti­schen Welt­an­schau­ung betrie­ben wer­den – „ernst­haft Gefahr lau­fen [wür­de], die Ver­nunft zu rein instru­men­ta­len Funk­tio­nen zu degra­die­ren, ohne jeg­li­che ech­te Lei­den­schaft für die Suche nach der Wahr­heit.“ (Nr. 81).

Nun ist es nicht bloß so, daß Natur­for­scher häu­fig wil­lent­lich die Sinn­fra­ge umge­hen, weil sie die­se für obso­let hal­ten, viel­mehr kön­nen sie, ja, dür­fen sie nicht die Fra­ge nach dem fina­len Sinn und Zweck der auf­ge­fun­de­nen Zusam­men­hän­ge stel­len, soweit sie im Kon­text ihrer Pro­fes­si­on spre­chen, selbst wenn sie woll­ten, weil die Art ihres berech­tig­ter­wei­se beschränk­ten Zugangs zur Welt eine sol­che Tran­szen­denz­ori­en­tie­rung nicht ermög­licht. Das gilt frei­lich auch für nega­ti­ve Aus­sa­gen. Ergo: Was auch immer ein Natur­wis­sen­schaft­ler über Gott, Geist und Gna­de denkt und for­mu­liert, ent­springt mehr oder min­der tief­schür­fen­den Über­le­gun­gen, die jedoch in kei­ner Wei­se natur­wis­sen­schaft­li­che sind.

Was für die Natur­wis­sen­schaft erfor­der­lich ist, näm­lich den Gegen­stands­be­reich Natur als das For­schungs­ob­jekt in sei­ner Begrenzt­heit a prio­ri über die Tat­säch­lich­keit empi­ri­scher Äuße­rung, veri­fi­zier­bar allen anhand sinn­li­cher Wahr­neh­mung, zu bestim­men, reicht den mei­sten Men­schen nicht aus, um sich ange­mes­sen in Zeit und Raum ver­or­ten zu kön­nen. Umso mehr braucht es das gei­stes­wis­sen­schaft­li­che Regu­la­tiv, das die Fak­ten, die von der For­schung her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den, durch die Ver­bin­dung zur kul­tu­rel­len und reli­giö­sen Iden­ti­tät der Men­schen mit Sinn­ge­hal­ten anrei­chert und damit unse­re Sicht der Welt vom Erklä­ren zum Ver­ste­hen über­führt. Wer die­se an den Schlüs­sel­in­ter­pre­ta­men­ten der mensch­li­chen Selbst­ver­ge­wis­se­rung (etwa der Ursprungs­fra­ge) gelei­ste­te Deu­tungs­ar­beit als über­flüs­sig bezeich­net, über­schrei­tet den Aus­sa­ge­rah­men der Natur­for­schung und dis­kre­di­tiert die Sinn­fra­ge und das dies­be­züg­li­che dem Men­schen urei­ge­ne Bewußt­sein unzu­läs­si­ger­wei­se, wenn sie oder er – den Unter­schied von Wis­sen­schaft und Szi­en­tis­mus ver­ken­nend – ent­spre­chen­de Aus­sa­gen als wis­sen­schaft­li­che ver­stan­den haben möch­te. Da dies immer häu­fi­ger der Fall ist, bleibt Fides et ratio hoch­ak­tu­ell, wie im übri­gen auch zahl­rei­che Neu­erschei­nun­gen zum The­ma Glau­be und Ver­nunft zei­gen, die auf der am 18. Okto­ber zuen­de gegan­ge­nen Frank­fur­ter Buch­mes­se vor­ge­stellt wurden.

Wei­te­re Arti­kel des Autors zum The­ma „Glau­ben und Wis­sen“ bzw. „Reli­gi­on und Vernunft“:

Nach dem Stu­di­um (Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen, Sozio­lo­gie, Phi­lo­so­phie) und der Pro­mo­ti­on zum Dr. phil. ist Josef Bor­dat der­zeit als frei­er Publi­zist in Ber­lin tätig.

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