von Mgr. Luciano Alimandi
Damit wir aus unserer „Welt“ herauskommen, wo sich im Allgemeinen alles um unser „Ich“ dreht – da unser durch die Sünde verletztes Wesen egozentrisch wurde – brauchen wir das Gebet. Nur wenn wir uns Gott öffnen, mit Demut und Vertrauen, werden das Licht und die Kraft seiner Wahrheit in unsere Herzen eindringen und unsere Gedanken erleuchten.
„Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit“ (Ps 23,7): diese inspirierten Worte des Psalmisten landen uns dazu ein, sie drängen uns dazu, in uns den „König der Herrlichkeit“, den Herrn Jesus, aufzunehmen. Die „Pforten“ der höheren Mächte der Seele – Intellekt, Gedächtnis und Wille – sollen sich der Gnade öffnen und diese „Bewegung“ des Wesens wird in erster Linie vom Gebet begünstigt.
Das demütige und zuversichtliche Gebet hat nicht nur die Macht unsere Pforten zu „zu öffnen“ sondern es hilft auch den anderen die ihren zu öffnen. Wenn die Tore des Herzens für Christus verschlossen sind, dann nützten alle anderen Anstrengungen nichts.
Die Gnade des gegenwärtigen Augenblicks fließt in der Seele, nur wenn dieses sich dem Herrn öffnet im Gebet. Wer an die Macht des Gebets glaubt, stellt dieses allem voran: vor jeder pastoralen Handlung, sucht er bei ihm Zuflucht und stärkt sich durch das Gebet; er läßt sich vom Gebet begleiten bei seinem Handeln und durch das Gebet bringt er es zur Vollendung. Dies lehren uns die Heiligen!
Wie viel Weisheit geben sie an uns weiter und darüber schreibt auch der heilige Johannes vom Kreuz: „Diejenigen, die sehr aktiv sind und die glauben, daß sie die Welt mit ihren Predigten und mit ihren äußeren Taten umfassen seien daran erinnerten, daß es für die Kirche besser wäre und es Gott besser gefallen würde, ohne das gute Beispiel in Betracht zu ziehen, daß sie dadurch abgeben würden, wenn sie mindestens die Hälfte der Zeit mit ihm im Gebet verbringen würden, auch wenn es ihnen nicht gelingen würde ein so hohes Gebet zu erreichen wie dieses.
Gewiß würden sie dann mit weniger Anstrengung mehr mit einem Werk erreichen als mit tausenden durch ihr Gebet und durch die geistigen Kräfte, die er durch dieses erlangt, andernfalls würde sich alles darauf reduzieren mit dem Hammer zu schlagen und kaum etwas zu erreichen oder manchmal auch gar nichts oder sogar einen Schaden zu verursachen. Gott gewähre, daß das Salz nicht geschmacklos werde, denn dann wäre alles, was nach außen eine gute Wirkung erzielen könnte, nicht wirksam, denn es ist sicher, daß kein gutes Werk getan werden kann ohne Gott.“ (vgl. Cantico Spirituale B, Strophe 29,3).
Das Gebet hat auch eine reinigende Macht: es läutert unsere Absichten und lehrt uns bei allem, was wir tun, den Willen und die Herrlichkeit Gottes zu suchen und unseren Vorteil und unsere Ehre zu suchen. Jeder Heilige ist ein Mensch des Gebets und die „aktivsten“ Heiligen sind diejenigen, die am meisten beteten. Fragte man Mutter Teresa von Kalkutta, worin die geheime Kraft ihrer Kongregation liegt, so nannte sie das Beispiel ihrer Schwestern, die sich in der Kapelle vor dem Allerheiligsten Sakrament seit den ersten Morgenstunden der Anbetung widmeten. Hier finden die Missionarinnen von der Nächstenliebe die Kraft für ihren schonungslosen Einsatz für die Armen! Ein Gigant der Heiligkeit, wie der heilige Pater Pio von Pietralcina hat sein ganzes Leben lang das Gebet an die erste Stelle gestellt: jeden Tag widmete er ihm mehrere Stunden und je älter er wurde, umso intensiver und länger war sein Gebet.
Papst Benedikt XVI. macht das Gebet zu einem der Schwerpunkte seines Lehramtes. In Lourdes sagte er erst vor kurzem: „Maria ruft uns hier in Erinnerung, daß das innige und demütige, vertrauensvolle und beständige Gebet einen zentralen Platz in unserem christlichen Leben haben soll. Das Gebet ist unerläßlich, um die Kraft Christi empfangen zu können. ‚Wer betet vertut nicht seine Zeit, selbst wenn die Situation alle Anzeichen der Dringlichkeit besitzt und einzig zum Handeln zu treiben scheint’ (Enzyklika Deus caritas est, Nr 36).
Sich ganz von den Aktivitäten in Anspruch nehmen lassen bringt die Gefahr mit sich, daß das Gebet seine spezifische christliche Bedeutung und seine wahre Wirksamkeit verliert. Das Rosenkranzgebet, das Bernadette und den Lourdes-Pilgern so teuer ist, enthält in sich die Tiefe der Botschaft des Evangeliums. Es führt uns zur Betrachtung des Antlitzes Christi hin. Aus diesem Gebet der Demütigen können wir reiche Gnaden schöpfen“ (Benedikt XVI., Predigt in Lourdes, 14. September 2008).
Die Lehre der Kirche und das Leben der Heiligen zeigen uns deutlich, daß die geistliche Entwicklung einer Seele nur möglich, ist, wenn diese auf dem Weg des Gebets voranschreitet.
Es geht nicht darum, ein Gebet nach dem anderen zu sagen, die Übung des Glaubens sozusagen zu vervielfältigen, sondern darum, in der Gegenwart Gottes, unter seiner Obhut zu leben, die voller Liebe für jedes einzelne Geschöpf ist.
Wie wahr wird das, wenn wir uns im Gebet vor dem Tabernakel versammeln, wo die heilige Eucharistie aufbewahrt wird! Hier ist Jesus reell gegenwärtig: es ist wirklich Er, der auf uns schaut, der auf uns wartet, der uns so liebt…wie wir sind. Das stille Verweilen vor dem eucharistischen Christus gehört zu den schönsten Gebeten, die wir sagen können und es ist so einfach für alle. Man muß es nur wollen! Die mütterliche Vermittlung und das Beispiel der Heiligen sollen uns im Entschluß stärken, Jesus auf dem Weg des Gebets zu folgen, denn er ist der beste Weg von allen!