(Peking) 19 Jahre (von 1961 bis 1979) war er in einem Laogai (chinesisches Konzentrationslager) im kommunistischen China eingesperrt ohne eine wirkliche Schuld außer jener, die maoistische Revolution abgelehnt und „die Partei“ kritisiert zu haben. Auch heute setzt Harry Wu den Kampf gegen das kommunistische Regime Chinas fort, gegen jenes Regime, das ihn mehrfach eingesperrt, verurteilt und schließlich des Landes verwiesen hat, aus dem er bereits nach dem ersten Lageraufenthalt geflüchtet war und in den USA Zuflucht fand.
Er und seine Freunde waren damals Universitätsstudenten, als sie in Arbeitslager gesperrt wurden, wo sie vom Hunger und vom Arbeitszwang gebeugt, sich teilweise kaum mehr auf den Beinen halten konnten und dennoch unter unmenschlichen Bedingungen Kohle aus den Bergwerken fördern, Straßen bauen und Land entsumpfen mußten. Die persönliche Erinnerung und die an seine Freunde gibt Wu noch heute die Kraft zu jenem Kampf, in dem er mit Zorn und Entschlossenheit alle Verirrungen und Verbrechen eines Landes anklagt, das die Menschenrechte nicht kennt, wo aber in Kürze die olympischen Sommerspiele beginnen, die eigentlich ein uraltes Symbol der Kultur sind.
An den Leiden der chinesischen Arbeiter hat sich seither kaum etwas geändert, wie Wu selbst in seinen Büchern bezeugt, vor allem in: Nur der Wind ist frei. Meine Jahre in Chinas Gulag. Der „chinesische Horror“ beschreibt eine erschreckende Reihe von unmenschlichen Qualen, vor deren Hintergrund sich derzeit der enorme Wirtschaftsaufschwung Chinas vollzieht. Aber „dieses China wird nicht überleben“, ist Harry Wu überzeugt, „denn wer kommandiert, die Partei, bekennt sich weiterhin zum kommunistischen Credo“. An den daraus resultierenden internen Widersprüchen werde auch dieses Regime zerbrechen.
Der Kommunismus schaffte das Privateigentum ab, ebenso die Meinungsfreiheit, die Redefreiheit und die Religionsfreiheit. Doch die sich verbreitende wirtschaftliche Freiheit läßt das Bedürfnis nach wirklicher Freiheit wachsen. Die Menschen schätzen den Wohlstand, wünschen sich aber Privateigentum. Sie wollen das Land besitzen, das sie bearbeiten und auf dem sie wohnen. Vergleichbar gehe es den gläubigen Katholiken. Sie wollen nicht mehr von Peking ernannte Bischöfe, sondern das Wort von Bischöfen hören, die vom Papst ernannt wurden bzw. mit diesem in voller Einheit stehen. Langsam werde der Wille, sich der Kontrolle und der Bevormundung durch die Partei zu entziehen, das gesamte System überwinden. Mit den Worten von Wu ausgedrückt: „Die Partei wird zum Sinnbild für alles, was die Chinesen nicht wollen und wird hinweggefegt werden.“ (Il Giornale v. 20.07.2008)
Mit Blick auf die bevorstehende Sommerolympiade und die Möglichkeit, dabei das mediale Interesse auch auf die Probleme und Mißstände des Landes zu lenken, zeigt sich Wu skeptisch. Da olympische Spiele nur ein vorübergehendes, kurzzeitiges Ereignis seien, werden sie, so Wus Ansicht, letztlich von keiner Bedeutung sein. „Sobald die Scheinwerfer der Olympiade aus sind, wird auch das Interesse an den Menschenrechten wieder verschwunden sein. Die Spiele sind faszinierend, doch von kurzer Dauer. Die Verweigerung der Menschenrechte dauert hingegen an, da sie fester Bestandteil des kommunistischen Systems ist. Es genügt nicht, nur einmal drei Monate lang darüber zu sprechen, um es zu beseitigen“, so Wu.
Sicher nicht Dank der olympischen Spiele werde es in China künftig keine Hinrichtungen mehr geben, werden die Frauen endlich frei sein, ihre Kinder zur Welt zu bringen, werde es Religionsfreiheit geben oder auch nur die Möglichkeit, im Internet zu surfen, und schon gar nicht werde der makabre Organhandel von zum Tode Verurteilten ein Ende finden. „Nur das Ende des Kommunismus“, so Wu, „kann diesem Schrecken ein Ende bereiten und die Tür zu Besserem öffnen.“
(CR/JF)