Sinneswandel bei den Vereinten Nationen? Ban ki-Moon beklagt selektive Abtreibung


(New York) Ändern die Ver­ein­ten Natio­nen ihre Hal­tung gegen­über der selek­ti­ven Abtrei­bung? Dafür gibt es zumin­dest eini­ge Anzei­chen. Noch vor einem Jahr hat­te die UN-Kom­mis­si­on über den Sta­tus der Frau­en an der selek­ti­ven Aus­wahl und Tötung von unge­bo­re­nen Kin­dern wegen ihres Geschlech­tes nicht ableh­nungs­wür­di­ges ent­decken kön­nen. Die Kom­mis­si­on tag­te vom 26. Febru­ar bis 9. März 2007 zum Tages­ord­nungs­punkt: „Besei­ti­gung aller For­men von Dis­kri­mi­nie­rung gegen jun­ge Frau­en und Kin­der“. Trotz des wohl­klin­gen­den Arbeits­ti­tels wur­de ein Antrag der USA von der Mehr­heit abge­lehnt, mit dem im Schluß­be­richt eine kla­re Ver­ur­tei­lung die­ser Men­schen­se­lek­ti­on, der welt­weit Mil­lio­nen von Kin­dern, vor allem Mäd­chen zum Opfer gefal­len sind, die in den demo­gra­phi­schen Sta­ti­sti­ken feh­len, fest­ge­schrie­ben wer­den sollte.

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Auch das Gewicht der Inter­na­tio­nal Alli­ance of Woman, die den ame­ri­ka­ni­schen Antrag unter­stütz­te, reich­te nicht aus, um eine Äch­tung des Kin­der­mor­des zu errei­chen. Weni­ge Tage nach der Tagung, erhob der bekann­te ame­ri­ka­ni­sche Wis­sen­schaft­ler Nico­las Eber­stadt vor der World Youth Alli­ance in New York, einer Orga­ni­sa­ti­on, die unter der Schirm­herr­schaft der UNO in Kai­ro gegrün­det wor­den war, Ankla­ge gegen den „glo­ba­len Krieg gegen die Mädchen.“

Nun scheint sich bei den Ver­ein­ten Natio­nen doch etwas zu rüh­ren. Dar­auf weist jeden­falls die Rede des UN-Gene­ral­se­kre­tärs Ban ki-Moon hin, die er vor vier Tagen vor eben der­sel­ben Frau­en­kom­mis­si­on gehal­ten hat. „Die Gewalt gegen Frau­en ist eine Ange­le­gen­heit, die nicht län­ger war­ten kann. Eine von drei Frau­en wird geschla­gen, zum Sex oder zu ande­ren Din­gen gezwun­gen. Durch die Pra­xis der vor­ge­burt­li­chen Selek­ti­on, hat eine nicht genau bekann­te Zahl nicht ein­mal das Recht zu leben. Kein Land, kei­ne Kul­tur, kei­ne Frau ob alt oder jung ist immun gegen die­se Gei­ßel. Für zu lan­ge Zeit sind die­se Ver­bre­chen unge­straft geblie­ben und die Täter auf frei­em Fuß.“

Bereits vor 17 Jah­ren hat­te der indi­sche Wirt­schafts­no­bel­preis­trä­ger Amar­tya Sen, in der New Yor­ker „Review of Books“ den Bei­trag „More Than 100 Mil­li­on Women Are Miss­in“ gegen den „Sexis­mus der selek­ti­ven Abtrei­bung“ ver­faßt. Vor 14 Jah­ren bekräf­tig­te er sei­ne Ankla­ge gegen das „Blut­bad an den Mäd­chen“, wie es vor allem in der Volks­re­pu­blik Chi­na, in Indi­en oder auch Süd­ko­rea prak­ti­ziert wird, aber auch in den west­li­chen Staa­ten vor allem bei der künst­li­chen Befruch­tung. Der wis­sen­schaft­li­che Fort­schritt erlaubt die vor­ge­burt­li­che Geschlechts­be­stim­mung. Buben haben weit grö­ße­re Über­le­bens­chan­cen. Mäd­chen wer­den häu­fig „aus­ge­son­dert“, sprich getö­tet. Amar­tya Sen nann­te die­sen Angriff auf das weib­li­che Geschlecht „eine Art von High Tech-Dis­kri­mi­nie­rung“. Das natür­li­che Ver­hält­nis zwi­schen männ­li­chen und weib­li­chen Gebur­ten beträgt 950:1000.

In Indi­en wur­den 1981 nur 962 Mäd­chen auf 1000 Buben gebo­ren, 1991 nur mehr 945 und 2001 sogar nur 927. „Die Mäd­chen sind eine bedroh­te Spe­zi­es“, schrieb die „Times of India“. Die Indi­an Medi­cal Asso­cia­ti­on sprach von einem „stil­len Holo­caust“. Satish Agniho­tri, einer der füh­ren­den indi­schen Exper­ten für Frau­en­fra­gen, nann­te die Geschlech­ter­se­lek­ti­on durch Abtrei­bung „eine Mas­sen­zer­stö­rungs­waf­fe“. Dies belegt auch eine Stu­die des United Nati­ons Popu­la­ti­on Fund (UNFPA): „Es ist kein sel­te­nes Phä­no­men, son­dern kommt über­all vor und ohne Schwie­rig­kei­ten. Es han­delt sich nicht um eine nur unter Armen und Unge­bil­de­ten ver­brei­te­te Pra­xis, sie kommt eben­so in rei­chen und wohl­ha­ben­den Regio­nen mit hohem Bil­dungs­grad vor.“

Die Rede des UNO-Gene­ral­se­kre­tärs kann daher als epo­cha­les Ein­ge­ständ­nis gewer­tet wer­den, wenn man bedenkt, daß von ver­schie­de­nen Sei­ten allen vor­an von den USA die Ver­ein­ten Natio­nen beschul­digt wer­den, für die „miss­ing girls“, für die feh­len­den Mäd­chen durch selek­ti­ve Abtrei­bung ver­ant­wort­lich zu sein, mit der Mäd­chen in meh­re­ren Län­dern (Volks­re­pu­blik Chi­na, Indi­en, Süd­ko­rea und Nord­ko­rea) das Lebens­recht ver­wei­gert wird. Ste­ven Mos­her, wohl der bedeu­tend­ste Exper­te in die­ser Fra­ge, sprach von einer „Abtrei­bungs­ach­se des Bösen, die durch die UNFPA unter­stützt wur­de“. UNO-Gene­ral­se­kre­tär Ban ki-Moon selbst stammt aus Süd­ko­rea, dem ein­zi­gen asia­ti­schen Land, das 2007 an der Sei­te der USA ver­sucht hat­te, mit der Kam­pa­gne „Love Your Daugh­ter“ (Liebt eure Toch­ter) einen Men­ta­li­täts­wan­del zugun­sten der Mäd­chen und gegen die geschlechts­spe­zi­fi­sche Abtrei­bungs­se­lek­ti­on ein­zu­lei­ten. David Alton mein­te, daß „Asi­en der ein­zi­ge Teil der Welt ist, wo es ver­bo­ten ist, eine Schwe­ster zu haben“. Bleibt zu hof­fen, daß das Ein­ge­ständ­nis des UNO-Gene­ral­se­kre­tärs Ban ki-Moon der Beginn jenes inter­na­tio­na­len Mora­to­ri­ums gegen die Gei­ßel der Kin­der­tö­tung durch Abtrei­bung ist.

(Il Foglio/​RP)

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