Auch der Papst verurteilt Psychotechniken in der Pastoral


von Rudolf Willeke

Anzei­ge

Bei den Ad-Limi­na-Besu­chen der deut­schen Bischö­fe in Rom im Novem­ber letz­ten Jah­res hat Papst Bene­dikt XVI. den katho­li­schen Ober­hir­ten eine gan­ze Rei­he von Ermah­nun­gen für die prak­ti­sche Seel­sor­ge mit auf den Heim­weg gege­ben. u.a. erklär­te er mit der gan­zen Auto­ri­tät sei­nes Lehr­am­tes, daß „Grup­pen­dy­na­mi­sche Rol­len­spie­le, Selbst­er­fah­rungs­grup­pen und ande­re psy­cho­lo­gi­sche Expe­ri­men­te mit Men­schen“ in der katho­li­schen Pasto­ral „fehl am Plat­ze“ sei­en, weil die­se Metho­den und Tech­ni­ken, so sei­ne Begrün­dun­gen, „eher Ver­wir­rung und Unsi­cher­heit“ als „Glau­bens­wis­sen“ unter Trai­nern und Teil­neh­mern ver­mit­teln und weil sie nicht auf „seriö­sen und intel­lek­tu­ell red­li­chen Grund­la­gen basieren.“

Der Hei­li­ge Vater hat­te gute Grün­de, zu den „psy­cho­lo­gi­schen Expe­ri­men­ten mit Men­schen“ Stel­lung zu neh­men, denn die grup­pen­dy­na­mi­schen Metho­den und Psy­cho­tech­ni­ken sind seit etwa 1980 fester Bestand­teil des Reli­gi­ons­un­ter­richts in Schu­len, der Prie­ster­aus­bil­dung in Bischöf­li­chen Semi­na­ren, der Seel­sor­ge in diö­ze­sa­nen Bil­dungs­häu­sern und der Bildungs‑, The­ra­pie- und Hei­lungs­an­ge­bo­te von Bil­dungs- und Exer­zi­ti­en­häu­sern, die von jesui­ti­schen, bene­dik­t­i­ni­schen, kapu­zi­ni­schen, fran­zis­ka­ni­schen oder pal­lot­ti­ni­se­hen Ordens­ge­mein­schaf­ten getra­gen werden.

Auf „gro­ßen“ Kir­chen­ta­gen wie bei „klei­nen“ Öku­me­ni­schen Kir­chen­ta­gen wer­den die­se Metho­den offen oder ver­schlei­ert als „Spie­le“ ein­ge­setzt. Wie sehe ich mich, wie sehen mich ande­re?, als „The­ra­pie“: wie gehe ich mit Streß, mit All­tags­kon­flik­ten, mit Lam­pen­fie­ber um? oder als „neue Lern­me­tho­den“ für jun­ge expe­ri­men­tier­freu­di­ge Erwach­se­ne (Biblio­dra­ma, Rol­len­spie­le) eingesetzt.

Immer geht es um Grup­pen­dy­na­mik und um den Ein­satz von Psy­cho­tech­ni­ken durch Grup­pen­dy­na­mi­ker (Trai­ner oder Supervisoren).

Grup­pen­dy­na­mik

In jeder mensch­li­chen Grup­pe wir­ken posi­ti­ve und nega­ti­ve sozia­le Kräf­te: Sympathie/​Antipathie, Vertrauen/​Mißtrauen, Kräf­te der Integration/​Zerstörung. In der grup­pen­dy­na­mi­schen Sit­zung wird die­sen Kräf­ten (der Dyna­mik der Grup­pe) frei­er Lauf gelas­sen, damit sie auf die Teil­neh­mer zurück­wir­ken kön­nen und bei ihnen inner­see­li­sche Pro­zes­se aus­lö­sen. Der Trai­ner kennt die­se Kräf­te und dosiert sie. Zuviel Druck und Angst trei­ben die Grup­pe aus­ein­an­der, zuwe­nig Grup­pen­druck läßt nicht die Not­wen­dig­keit spür­bar wer­den, sich zu ver­än­dern, sich den Erwar­tun­gen der Grup­pe anzu­nä­hern oder zu unter­wer­fen. Der Trai­ner ver­birgt sich also hin­ter der Fas­sa­de Grup­pe und nutzt die Kräf­te des Grup­pen­pro­zes­ses, um die Teil­neh­mer zu Zie­len zu füh­ren, die nur dem Trai­ner oder Super­vi­sor bekannt sind. Die­se Zie­le hei­ßen Bewußtseins‑, Ver­hal­tens- oder gesell­schaft­li­che Ver­än­de­rung. Grup­pen­dy­na­mik hat vie­le Gemein­sam­kei­ten mit der Gehirn- oder Cha­rak­ter­wä­sche, engl.: Brain-Brushing oder social engineering.

Psy­cho­tech­nik

Wenn man den Begriff und die Bedeu­tung der „Psy­cho­tech­nik“ ver­ste­hen und erklä­ren will, muß man zu den Anfän­gen der Theo­rie zurück: Der Tie­fen­psy­cho­lo­ge und Psy­cho­ana­ly­ti­ker S. Freud (1856–1939) lehn­te die theo­lo­gisch-phi­lo­so­phisch begrün­de­te See­len­kun­de ent­schie­den ab und stellt ihr in ver­nei­nen­der Absicht sei­ne eige­ne Sicht­wei­se vom Men­schen und vom sog. psy­chi­schen Appa­rat gegenüber.

In der Tie­fen­psy­cho­lo­gie Freuds ist der Mensch ein Säu­ge­tier (wie jedes ande­re) mit einer Tier­see­le – ohne Frei­heit und Ver­ant­wort­lich­keit. Die­ses Tier­we­sen Mensch wird durch den „psy­chi­schen Appa­rat“ ange­trie­ben und kon­trol­liert. Bild­lich gespro­chen bezieht er sei­ne Ener­gien aus den (mate­ri­el­len) Bedürf­nis­sen wie Hun­ger, Durst, Müdig­keit, beson­ders aus dem Sexu­al­trieb. Die­ser alles bestim­men­de Trieb wird aus dem Ero­s­trieb und dem Todes-/Tha­na­to­s­trieb gespeist. Die­ser mecha­ni­stisch funk­tio­nie­ren­de Appa­rat ent­hält drei Kon­troll­in­stan­zen, die Freud mit Es, Ich, Über­ich bezeichnete.

Kurz gesagt: das (bewuß­te) Ich muß Herr wer­den im eige­nen Hau­se, es muß also die Kon­trol­le über die bei­den ande­ren Instan­zen übernehmen.

Das psy­chisch-sexu­ell nor­mal ent­wickel­te Ich muß die Antrie­be aus dem „dunk­len“ Es (dem angeb­lich Unbe­wuß­ten) „sub­li­mie­ren“, in auf­bau­en­de Kräf­te umwan­deln, und es muß sich mit den Eltern­vor­bil­dern, Auto­ri­tä­ten, Idea­len „iden­ti­fi­zie­ren“, um sich ein „Gewis­sen“ (Über­ich) zu verschaffen.

Ich, Es und Über­ich müs­sen in einem „struk­tu­rier­ten“, aus­ba­lan­cier­ten Ver­hält­nis neben­ein­an­der koexi­stie­ren, andern­falls ent­ste­hen nach Freud Ungleich­ge­wich­te, Dis­so­nan­zen, Man­gel­er­schei­nun­gen oder Krank­hei­ten, z.B. Hyste­rie, Neu­ro­se, Psy­cho­se, Fixie­run­gen, Verdrängungen.

Psy­cho­tech­nik ist die Gesamt­heit der „Instru­men­te“ und Maß­nah­men, die geeig­net sind, den psy­chi­schen Appa­rat zu beeinflussen.

Aber im Wider­spruch zu Freud geht es den Links-Freu­dia­nern, Grup­pen­dy­na­mi­kern und Psy­cho­tech­ni­kern um die „Ent­sub­li­mie­rung“, d.h. um die Herr­schaft des Es, die Ent­fal­tung der Bedürf­nis­se, Lei­den­schaf­ten und Trie­be, statt um Sublimierung.

Dar­über­hin­aus um die „Eman­zi­pa­ti­on“ von den Eltern, Vor­bil­dern, Idea­len – statt um Struk­tu­rie­rung, damit ins­ge­samt um die Schwä­chung und Ver­un­si­che­rung (Ent­sta­bi­li­sie­rung) der Gesamt­per­sön­lich­keit (der Ich-Iden­ti­tät, der Ich-Stär­ke). Die Links-Freu­dia­ner for­dern wie die „Anti­au­to­ri­tä­ren“, daß die Trie­be und Bedürf­nis­se Herr wer­den im eige­nen Hau­se und das Über­ich geschwächt oder besei­tigt wird.

Das Men­schen­bild der Psy­cho-Wis­sen­schaf­ten und Psychotechnik

Das mate­ria­li­sti­sche, geist- und see­len­lo­se Men­schen­bild der Psy­cho-Wis­sen­schaf­ten und Psy­cho­tech­ni­ken, in dem für „Gott“ und „Gewis­sen“ kein Platz ist, ist mit dem christ­li­chen Men­schen­bild, mit Erzie­hung im klas­si­schen Sin­ne und mit kirch­lich-reli­giö­ser Seel­sor­ge abso­lut unver­ein­bar. Reli­gi­on war für Freud eine „all­ge­mein mensch­li­che Zwangs­neu­ro­se“, ein Defekt im „Getrie­be.“

Man muß dem Papst dar­in zustim­men, daß die­se z.T. unfrei­wil­li­gen „psy­chy­cho­lo­gi­schen Expe­ri­men­te mit Men­schen“ aus der kirch­li­chen Pasto­ral und Bil­dung fern­zu­hal­ten sind, denn sie ste­hen im Dien­ste der anthro­po­lo­gi­schen (mensch­lich-indi­vi­du­el­len) Revolution:

Durch grup­pen­dy­na­mi­sche Bewußt­seins­än­de­rung wer­den aus Chri­sten-Men­schen sog. „Encoun­ter-Kon­ver­ti­ten,“ die sich selbst gegen­über per­mis­si­ver (wei­cher, gestat­ten­der) und spon­ta­ner, unkon­trol­lier­ter, gegen­über den Mit­men­schen aber unsi­che­rer, distan­zier­ter, miß­traui­scher, aggres­si­ver gewor­den sind und die ihrem Leben einen neu­en Sinn ver­lie­hen haben, näm­lich die­se Expe­ri­men­te und die grup­pen­dy­na­mi­sche Bewe­gung zu fördern.

Der Psy­cho­lo­gis­mus auf der Grund­la­ge der Tie­fen­psy­cho­lo­gie S. Freuds ist neben dem Marxismus/​Leninismus und dem Natio­nal­so­zia­lis­mus die drit­te Großideo­lo­gie des 20. Jahr­hun­derts, die Mil­lio­nen Men­schen das Leben geko­stet und unsäg­li­ches Leid ver­ur­sacht haben.

Auch der drit­ten Begrün­dung des Pap­stes: Feh­len der „seriö­sen und intel­lek­tu­ell red­li­chen Grund­la­gen“ der Psy­cho-Wis­sen­schaf­ten und Psy­cho­tech­ni­ken kann man nur zustim­men, wenn man sich mit den gei­sti­gen Zusam­men­hän­gen näher befaßt. „Unse­ri­ös“ ist vor allem die von Freud ent­wickel­te Psy­cho­ana­ly­se und Psy­cho­the­ra­pie, „intel­lek­tu­ell unred­lich“ sind die dar­aus her­vor­ge­gan­ge­nen ca. 700 ein­an­der viel­fach wider­spre­chen­den The­ra­pie­kon­zep­te und Psychotherapien.

50 Jah­re nach Freud gera­ten sei­ne For­schungs­me­tho­den und Theo­rien vor allem im hebräi­schen, anglo-ame­ri­ka­ni­schen, fran­zö­si­schen wie deut­schen Sprach­raum ins Kreuz­feu­er der Kri­tik. Nam­haf­te Ver­tre­ter der ver­schie­de­nen Teil­dis­zi­pli­nen bezeich­nen zusam­men mit Han Isra­el und Her­bert Selg Freud einen „patho­lo­gi­schen Lüg­ner“, eher einen „wis­sen­schaft­li­chen Schar­la­tan“ als Genie und sei­ne Tie­fen­psy­cho­lo­gie im Gan­zen wie in ein­zel­nen als „Schwin­del- und Betrugs­wis­sen­schaft,“ gebo­ren aus der Lüge.

Der ame­ri­ka­ni­sche Psych­ia­ter Prof. Dr. Th. Szasz schreibt in sei­nem Buch Der Mythos der Psy­cho­the­ra­pie zur Freud­schen „Leh­re“: „Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie ist nicht nur eine Reli­gi­on, die vor­gibt, eine Wis­sen­schaft zu sein, son­dern tat­säch­lich eine fal­sche Reli­gi­on, die ver­sucht, die wah­ren Reli­gio­nen zu zerstören.“

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