Gastbeitrag von Andreas Kirchmair
- Modell eines Embryos in der
12 Woche.
Bild: Der Durchblick
Am 3.9.07 haben über 50 österreichische Lebensschützer ein Manifest veröffentlicht. In diesem wandten sie sich gemeinsam mit Gleichgesinnten und Organisationen aus insgesamt sechs Ländern an den Papst und baten ihn anläßlich seines bevorstehenden Besuchs um Stärkung im Einsatz für die ungeborenen Kinder. Dieser Hilferuf der Plattform Allianz für die ungeborenen Kinder wurde dem österreichischen Nuntius übermittelt und hat durchaus Aufsehen erregt. Die Rede Papst Benedikt XV. in der Wiener Hofburg klang zum Teil wie eine Antwort des Hl. Vaters auf diesen Aufruf.
Der Aufruf wurde innerhalb von sechs Wochen erarbeitet. Wir sind dabei von einer nüchternen Analyse der IST-Situation beim Lebensschutz ausgegangen: Hier in Österreich ist die Lage besonders schlimm, die Heuchelei reicht tief ins katholische Lager. De facto wird bereits ein Recht auf Abtreibung gelebt, ungeachtet der Gesetzeslage sowie der demographischen Entwicklung und trotz des Einsatzes vieler Initiativgruppen, die sich unermüdlich um Schadensbegrenzung bemühen. Menschen, die gegen Abtreibung aufstehen und für Menschenrechte ungeborener Kinder eintreten, werden immer jünger und immer mehr, obwohl sie nicht nur von der Politik, sondern zumeist auch innerkirchlich bedrängt und diskriminiert werden. Aber so großartig das Engagement der meist katholischen Pro-Life Gruppen und einzelner Personen war und ist, ihre gesellschaftspolitische und kirchliche Relevanz in den letzten 30 Jahren ist gering geblieben. Man hat die Ungeborenen aufgegeben, will die Wahrheit nicht sehen und empfindet Lebensschützer als Störenfriede.
Im Aufruf konnten aus Zeit‑, Platz- und aus Prioritätsgründen nicht alle mit dem Lebensschutz zusammenhängenden Themen angesprochen werden. Ich greife nur die aktive Sterbehilfe heraus. Ein Land, das Abtreibung erlaubt und fördert, muß logisch zwingend früher oder später auch Euthanasie erlauben. Insofern sitzen die ungeborenen mit den alten Menschen in einem Boot. Wer sich gegen Euthanasie schützen möchte, muß zuerst den gebrochenen Damm zum Lebensschutz Ungeborener reparieren helfen.
Zunächst müssen wir Katholiken bereit sein, vor der „eigenen Haustüre“ zu kehren. Denn wo liegen die teilweise weit zurückliegenden Ursachen für den großen innerkirchlichen Widerstand gegen die Ideen des Pro-Life? Ich denke da an das frühere Unrecht von Christen gegen ledige Mütter und ihre Kinder, denen oft nur die Wahl geblieben ist zwischen der Schmach einer unehelichen Geburt ihres Kindes oder einer Abtreibung (Väter hatten es da viel leichter). An das heutige Unrecht an Müttern, die von so vielen Seiten zur Abtreibung ihres Kindes gedrängt werden, ohne daß Christen sich schützend vor sie stellen. Keine Rede von „freier Entscheidung“! Stalking ist inzwischen verpönt, Druck zur Kindesabtreibung immer noch nicht. Ich denke an die materiellen Sorgen von „Müttern in Not“ in einem der reichsten Länder der Welt. An den massiven Widerstand katholischer Kreise und Bischöfe gegen Humanae Vitae und Evangelium Vitae. Zuletzt erinnere ich an Geschichte und Film des Trojanischen Krieges, wo Priamos, der König von Troja, seinen Todfeind Achill um den Leichnam seines Sohnes Hektor bittet, um ihn zu bestatten. Seine Bitte wird erfüllt. Wer bittet heute Ärzte und Krankenhäuser um die Leichname der getöteten Ungeborenen? Wer läßt sie bestatten, anstatt zuzulassen, daß sie als Sondermüll oder Organabfall entsorgt werden? Fazit: Die hohen Abtreibungszahlen in unserem Land spiegeln auch ein jahrzehntelanges Versagen des katholischen Österreich und seiner Hirten wider. Deshalb der Wunsch um ehrliche Gewissenserforschung im Manifest und um Zeichen der Reue und Wiedergutmachung auch seitens der katholischen Ortskirche.
Lebensschützer sollten öfter gemeinsam auftreten. Das Manifest dokumentiert einen weiteren Schritt einer Kooperation österreichischer und europäischer Lebensschutzorganisationen, einer wurde bereits am 1.6.07 in St. Pölten mit einem gemeinsamen Symposium gesetzt. Für die Zukunft wesentlich wird eine weit engere Zusammenarbeit zwischen Pro-Life Organisationen und Bischöfen sein, wie sie bereits mit Weihbischof Laun, Erzbischof Kothgasser und Nuntius Farhat besteht.
Der Lebensschutz braucht klare Worte und ein Ende der Verharmlosung und der Mehrdeutigkeit. Wir leben in einem unerklärten Kriegszustand gegen die nächste (dezimierte) Generation, gegen die eigene Zukunft, wir sind ein Volk, das beschlossen hat zu sterben. Der Lebensschutz braucht Menschen, die Taten setzen und öffentlich Farbe bekennen: Jede einzelne Abtreibung tötet ein Kind, zerstört zumeist die Beziehung der Eltern des Kindes, belastet seine Eltern, seine Familie, das ärztliche Personal und letztendlich die ganze Gesellschaft. „Wer ein Kind rettet, rettet die Welt“, sagt der Talmud, aber das gilt auch umgekehrt.
Der Papst hat bewußt gerade an die österreichischen Politiker appelliert, „nicht zuzulassen, daß die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird“. Die hysterische und manipulative, politische und mediale Reaktion auf die Rede des Hl. Vaters (incl. ängstlicher kirchlicher Reaktionen) hat klar gezeigt, daß da das größte Tabuthema in unserem Land angerührt wurde. Trotz all dem bin ich persönlich felsenfest überzeugt: Das „Goldene Kalb“ Fristenregelung ist ein Trojanisches Pferd im österreichischen Rechtssystem, mit seinen tödlichen Früchten einer „Kultur des Lebens“ diametral entgegengesetzt und das frauenfeindlichste Gesetz unserer Zeit. Es wird früher oder später genauso fallen wie der Eiserne Vorhang. Gesetzlich braucht es etwas Neues, wo auch Erkenntnisse der letzten 30 Jahre einfließen sollten.
Abzuwarten bleibt, ob jetzt die österreichische Kirche nach der Stärkung durch den Papstbesuch den Mut faßt, einen neuen Kurs einzuschlagen. Trotz der Zerreißprobe, die dann unweigerlich folgen würde, wäre es dringend notwendig. Papst Benedikt hat den Weg gewiesen: „Vielmehr mache ich mich zum Anwalt eines zutiefst menschlichen Anliegens und zum Sprecher der Ungeborenen, die keine Stimme haben. Ich verschließe nicht die Augen vor den Problemen und Konflikten vieler Frauen und bin mir bewußt, daß die Glaubwürdigkeit unserer Rede auch davon abhängt, was die Kirche selbst zur Hilfe für die betroffenen Frauen tut.“ Wir alle sollten gemeinsam mit dem Hl. Vater Anwälte und Sprecher der namenlosen, ungeborenen Kinder sein und dabei auf Gottes Hilfe vertrauen.
Andreas Kirchmair ist Diplom-Ingenieur der Informatik und selbständiger Unternehmensberater in der Steiermark, verheiratet, Vater von 4 Kindern und war Koordinator der Allianz für die ungeborenen Kinder.