Ist Ökumene eine Einbahnstraße?


von Aloy­si­us Winter

Anzei­ge

Set­zen wir ein­mal vor­aus, daß die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung unter der Über­schrift: „Huber kri­ti­siert Rom“ kor­rekt zitiert, was der EKD-Vor­sit­zen­de auf der Jah­res­ver­samm­lung des Johan­ni­ter­or­dens gesagt hat (F.A.Z. vom 27. August 2007). Falls das der Fall ist (es ent­spricht auch sei­nen son­sti­gen ver­öf­fent­lich­ten Äuße­run­gen), kann man als Katho­lik nur noch ver­wun­dert den Kopf schütteln.

Kri­tik ist schließ­lich kei­ne Ein­bahn­stra­ße: er kri­ti­siert Rom, und Rom ist zu vor­nehm, ihn zu kri­ti­sie­ren. Er will uns beleh­ren, was „die christ­li­chen Kir­chen und Kon­fes­sio­nen“ und damit auch die katho­li­sche Kir­che in Wirk­lich­keit sei­en, und beschwert sich, daß Rom so fair ist, kirch­li­chen Gemein­schaf­ten kei­nen Kir­chen­be­griff über­zu­stül­pen, der für sie völ­lig unan­nehm­bar ist. Er wirft Rom eine „öku­me­ni­sche Blocka­de­po­li­tik“ vor und über­sieht geflis­sent­lich, daß Rom sich seit dem letz­ten Kon­zil „bis zum Aus­blu­ten“ (so der ver­stor­be­ne Kar­di­nal Volk mir gegen­über in einem per­sön­li­chen Gespräch) der evan­ge­li­schen Sei­te ange­nä­hert hat, wäh­rend man sich dort um kei­nen Zen­ti­me­ter bewegt habe.

Das gilt bis heu­te – wie es Huber selbst ja auch aus­drück­lich bestä­tigt: „weil wir evan­ge­lisch sind und blei­ben wol­len“. Über die vie­len Annä­he­run­gen Roms an die kirch­li­chen Gemein­schaf­ten der sog. Refor­ma­ti­on han­delt schon ein gan­zes Buch: (Fried­rich-Wil­helm Schil­ling v. Can­statt, Öku­me­ne katho­li­scher Vor­lei­stun­gen (= Distin­guo 2), Bad Hon­nef 1: Bök­mann 2. Aufl. 1993). Sogar an dem „Con­si­li­um“, der Reform­kom­mis­si­on, die mit der Vor­be­rei­tung des neu­en „Ordo Mis­sae“ beauf­tragt war, waren sechs pro­mi­nen­te pro­te­stan­ti­sche „Beob­ach­ter“ betei­ligt, wie der (lei­ten­de) Sekre­tär die­ses Gre­mi­ums berich­tet (Anni­ba­le Bug­nini, Die Lit­ur­gie­re­form 1948–1975. Zeug­nis und Testa­ment (Deut­sche Aus­ga­be), Frei­burg-Basel-Wien: Her­der 1988, 220 f.), was im Ergeb­nis offen­bar deut­li­che Spu­ren hin­ter­las­sen hat.

Wenn sich bis­her irgend­wo auf evan­ge­li­scher Sei­te etwas auch nur mini­mal bewegt zu haben schien, wur­de sofort eine distan­zie­ren­de Absa­ge irgend­ei­nes Uni­ver­si­täts­in­sti­tu­tes ver­öf­fent­licht, und Frau Hei­ke Schmoll hat dann in der F.A.Z. alle wie­der in die Start­po­si­tio­nen zurück­be­or­dert. Wo also liegt die Blocka­de in Wirklichkeit?

Man kann Rom nicht vor­wer­fen, was man selbst prak­ti­ziert. Wenn sich Huber „eine star­ke römisch-katho­li­sche Kir­che“ wünscht, ist nicht zu begrei­fen, war­um er dann auf­zählt, was er alles bei uns Katho­li­ken ‚befremd­lich’ fin­det. Auch wir hät­ten Grund, vie­les auf evan­ge­li­scher Sei­te ‚befremd­lich’ zu fin­den, aber wir wol­len kei­nen Streit trotz der pro­te­stan­ti­schen ‚Nadel­sti­che’, wie sie der evan­ge­li­sche Bischof Mar­tin Hein kürz­lich dem Papst nach­ge­sagt hat.

Wir sind aller­dings dar­über besorgt, daß man den eige­nen Heils­weg an die Mei­nun­gen eines ehe­ma­li­gen Paters der Augu­sti­ner-Ere­mi­ten bin­det, die man zu „Ein­sich­ten der Refor­ma­ti­on“ erklärt, und dabei die „Wol­ke von Zeu­gen“ der frü­hen Chri­sten­heit übersieht.

Es ist natür­lich rich­tig, die Dif­fe­ren­zen nicht durch sprach­li­che Gemein­plät­ze zu ver­ne­beln, wie das viel­fach gesche­hen ist. Mit einem klein­sten gemein­sa­men Nen­ner ist nie­man­dem gehol­fen. Dann soll­te man aber auch nicht durch schein­bar unwe­sent­li­che Äußer­lich­kei­ten den Ein­druck erwecken, als sei­en die Unter­schie­de nicht mehr von beson­de­rem Belang, so wenn etwa evan­ge­li­sche Amts­trä­ger eine Sto­la tra­gen. Die­se ist von alters her das Zei­chen der Prie­ster­wei­he, die aber von den sog. Refor­ma­to­ren abge­schafft wurde.

Zeigt man so das gefor­der­te Pro­fil? Und wenn evan­ge­li­sche Pfar­rer anwe­sen­de Katho­li­ken zur Teil­nah­me an ihrem Abend­mahl ein­la­den, wie es immer wie­der geschieht, dann ist das für sie viel­leicht ein Aus­druck christ­li­cher Offen­heit, für die Katho­li­ken aber ist es eine Ver­füh­rung zu schwer­stem Unge­hor­sam, auf die vie­le her­ein­fal­len. Wie will man das ver­ant­wor­ten? Nur nüch­ter­ne Sach­lich­keit und der Rück­griff auf die Grund­fra­gen kann öku­me­nisch wirk­lich wei­ter­hel­fen, damit man nicht ver­sucht, den zwei­ten Schritt vor dem ersten zu tun, also z.B. über Inter­kom­mu­ni­on zu reden, bevor die Amts­fra­ge geklärt ist usw..

Wenn alle Sei­ten zustim­men könn­ten, alles glau­ben zu wol­len, was Gott in Jesus Chri­stus geof­fen­bart hat, wären wir aller­dings einen ent­schei­den­den Schritt vor­an­ge­kom­men, soweit es an uns liegt. Die erhoff­te Ein­heit, die unser Herr vor sei­nem Lei­den von sei­nem Vater erbe­ten hat, kann aller­dings trotz aller Bemü­hun­gen nicht von uns ‚gemacht’, son­dern letzt­lich nur auf unser gemein­sa­mes instän­di­ges Gebet hin von Gott geschenkt werden.

Dr. theol. Lic. phil. Aloy­si­us Win­ter ist em. o. Pro­fes­sor für Fun­da­men­tal­theo­lo­gie, Reli­gi­ons­phi­lo­so­phie und phil.-theol. Propädeutik.

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