von Michale Koller
Mit Spannung erwarten Chinas Katholiken einen seit Monaten für Ostern angekündigten Brief Papst Benedikts XVI.. Das Schreiben wird sich an alle richten: Die Katholiken in der offiziellen, staatlich anerkannten Kirche, sowie die im Untergrund. Für die pastorale Situation ist die Frage nach einem Botschafteraustausch zwischen dem Vatikanstaat und China entscheidend. Zwischen dem Vatikan und China bestehen seit 1951 keine diplomatischen Beziehungen. Seit Beginn des Pontifikats Benedikts XVI. hat sich der Heilige Stuhl diesbezüglich mehrfach kompromissbereit gezeigt. Der Vatikan signalisierte sogar Bereitschaft, die Botschaft im demokratischen Taiwan aufzugeben, weil die Volksrepublik diese als abtrünnige Provinz betrachtet. Der Bischof von Hongkong, Kardinal Zen Zekiun, der bei dem Entscheidungsprozeß stark eingebunden ist, gab sich vor einem Jahr noch recht optimistisch, die Möglichkeit betreffend, einen Nuntius bis spätestens 2008 nach Peking zu entsenden: „Wir hoffen, daß es nicht zu lange dauert“, sagte er bei einem Deutschlandbesuch kurz vor seiner Kreierung zum Kardinal Ende März vorigen Jahres. Aber schon bald danach, Ende April 2006, wurde in Südchina der 41-jährige Priester Ma Yinglin, auf Betreiben der Patriotischen Vereinigung zum Bischof geweiht, ohne Zustimmung des Papstes. Kardinal Zen sah dies als Affront und riet zum Abbruch der Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking. „Wir können nicht nachgeben. Wenn jemand knallhart Tatsachen schafft, wie kann man dann von Dialog reden,“ war von ihm zu hören. Der Kardinal hatte schon im vorigen Jahr den Papst um eine baldige Entpflichtung von den Leitungsaufgaben seines Bistums ersucht, um sich als diplomatischer Berater ganz der Diplomatie zwischen Rom und Peking widmen zu können. Papst Benedikt XVI. erteilte dem 75-Jährigen jedoch jüngst diesbezüglich eine Absage. Der Kardinal war einer der Teilnehmer des Sondergipfels zur Lage der katholischen Kirche in China, der im Januar im Vatikan stattfand, bei dem die Versammelten nach eigenem Bekunden die besonders ernsten und dringendsten kirchlichen Probleme in China untersucht hatten.
Dazu dürfte die Weihe Ma Yinglins und noch weiterer Priester ohne die Zustimmung Roms zu Bischöfen gezählt haben, die voriges Jahr vollzogen wurden. Kardinal Zen hatte in der Folge protestiert und gemeint, es sei Zeit, daß der Vatikan in der Frage einen kompromißlosen Kurs einnehme. In der Tat sind die Weihen ohne Zustimmung des Vatikans ein Rückschritt: Schließlich haben Rom und Peking sich seit zwei Jahren immer wieder über Bischofsernennungen abgestimmt. Auch in der Frage nach der Religionsfreiheit ist die Situation prekär und frustrierend für Rom: „Die Kontrolle der Kirche in China ist für westliche Begriffe unglaublich. Und ich erwarte leider keine Besserung in Zukunft“, beklagt Kardinal Zen regelmäßig. Auch als vor genau zwei Jahren ein neues Religionsgesetz eingeführt worden sei, habe dies nichts daran geändert.
Zens Mitbruder im Bischofsamt, Su Zhimin, ist seit 1996 aus politischen Gründen inhaftiert, an unbekanntem Ort. Nach Erkenntnissen des katholischen Hilfswerks Kirche in Not werden einige Bischöfe regelmäßig kurzzeitig festgenommen, wenn sie sich politisch engagiert zeigen und sie große Autorität gewinnen. Polizisten holten sie von zu Hause ab und hielten sie dann in Hotelzimmern fest, um sie „von den Vorzügen der staatlichen Ordnung Chinas zu überzeugen“. Oft sind diese Geistlichen aber schon längst wieder auf freiem Fuß, wenn ihre Festnahme im Westen über Menschenrechtsorganisationen erst bekannt wird.
Einer dieser Bischöfe, die durch häufige Polizeibesuche drangsaliert werden, ist Bischof Julius Jia Zhiguo von Zhengding. Das Regime will damit engagierte Geistliche einschüchtern, auch um Proteste gerade vor Staatsbesuchen zu vermeiden. So war es auch im November 2005, unmittelbar vor dem Besuch des US-Präsidenten George W. Bush. Anläßlich des Staatsbesuchs kamen außer Bischof Julius Jia Zhiguo auch ein Priester und zehn Seminaristen in Xushui City (Provinz Hebei) unter Arrest. Genaue Zahlen, die über das Ausmaß der staatlichen Repression von Christen und Angehörigen anderer Religionen in China Aufschluß geben, sind schwer zu bekommen. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, daß mindestens 100.000 Menschen in China aus religiösen Gründen in Lagerhaft sitzen. Darunter sind viele Angehörige nichtchristlicher Bekenntnisse, vor allem von der Meditionsbewegung Falun Gong, die quasi-religiösen Charakter hat.
„Von systematischer Verfolgung von Katholiken wie damals während der Kulturrevolution kann jedoch keine Rede sein“, sagt Michael Ragg von der Deutschen Sektion des katholischen Hilfswerks Kirche in Not. Es seien „kaum noch Priester für längere Zeit inhaftiert“. Darüber hinaus kam im vorigen Jahr der Weihbischof der nordchinesischen Diözese Baoding, An Shuxin, nach zehn Jahren Haft frei. Der chinesischen Regierung geht bei den Repressionen vor allem um Kontrolle. Das bestätigt auch das in Sankt Augustin ansäßige katholische China-Zentrum: „Die Ausübung religiöser Riten unterliegt keiner Einschränkung. Die Regierung in Peking will vielmehr die Kontrolle über die Kirchenverwaltung und die religiöse Erziehung. Da haben sie Angst, die Übersicht zu verlieren“, sagt der Direktor Pater Anton Weber (SVD). Etwa die Hälfte der insgesamt zwölf Millionen Katholiken, die nach Angaben des China-Zentrums in der Volksrepublik leben, gehören nicht der offiziellen Kirche an und sind damit nicht registriert. Nach Angaben des Zentrums kommt es öfter zu Übergriffen des Staatsapparates vor allem auf den Klerus, um diesen zum Übertritt in die Patriotische Vereinigung zu zwingen. „Es gibt aber auch viele Fälle von Angehörigen der offiziellen staatlich kontrollierten Kirche, die den Druck spüren, der von der Regierung ausgeht,“ sagt Pater Anton Weber.
Bereits mit der ersten großen Verfolgungswelle in den Jahren nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 arbeiteten die Kommunisten auf die Sammlung der Katholiken in einer Peking hörigen Gemeinschaft hin. Sämtliche ausländischen Missionare wurden vertrieben und sehr viele chinesische Geistliche, darunter beinah alle Bischöfe, landeten im Gefängnis. Im Jahr 1957 gründete Peking dann die „Katholische Patriotische Vereinigung“, deren Kontrolle noch heute die Bischofskonferenz der offiziellen Kirche untersteht. Die Vereinigung existiert nicht in den Sonderverwaltungszonen Macao und Hongkong, die weder von der Verfolgungswelle ab 1949 noch von der noch schlimmeren während der Kulturrevolution ab 1966 betroffen waren.
Hongkong etwa war bis zum 1. Juli 1997 englische Kronkolonie, weshalb hier eine ganz andere pastorale Situation vorliegt. Die Machthaber in Peking versprachen bei der Übergabe, die demokratischen Strukturen in Hongkong nicht anzutasten. Aber im 60-köpfigen Rat von Hongkong sind lediglich 24 Bürgervertreter frei gewählt. Im Jahr 2003 versuchte Peking seine Vorstellung bei der Abfassung des neuen Grundgesetzes der Stadt durchzusetzen. Am 1. Juli desselben Jahres gingen 500.000 Menschen gegen den Entwurf eines Artikels auf die Straße, auf dessen Grundlage möglicherweise mißliebige Organisationen oder Aktivitäten untersagt worden wären. Ganz vorne mit dabei war Kardinal Zen, der weit über die katholische Kirche hinaus geschätzt wird. Peking zog den Entwurf daraufhin zurück und beäugt den katholischen Würdenträger spätestens seit diesem Zeitpunkt sehr kritisch.