Mehrere Agenturen und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) melden, daß wegen „Propaganda gegen die kommunistische Regierung“ der Priester Nguyen Van Ly zu acht Jahren Haft verurteilt worden ist. Zwei Mitangeklagte wurden zu sechs und fünf Jahren und zwei weitere zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Im Gerichtssaal in Hue in Zentralvietnam kam es bei der Urteilsverkündung zu Tumulten. Der 60-jährige Pater Nguyen Van Ly unterbrach den Prozeß mehrfach mit Zwischenrufen. Er prangerte die kommunistische Justiz an und warf Vietnam vor, nach den Gesetzen des Dschungels zu leben, ehe er aus dem Saal gebracht wurde.
Pater Ly, der bereits 15 Jahre wegen seines öffentlichen Eintretens für die Menschenrechte im Gefängnis verbringen mußte, hatte nach Auskunft der IGFM unmittelbar nach seiner letzten Haftentlassung im Jahre 2005 seine Bürgerrechtsarbeit wieder aufgenommen und ausländischen Medien über Menschenrechtsverletzungen berichtet. Der Prozeß stand nach Ansicht der IGFM unter unakzeptablen Vorzeichen: Pater Ly kannte erst 15 Tagen vor dem Prozeß die Klageschrift, konnte aber weder die Akten einsehen noch Belastungszeugen befragen. Laut IGFM, der die Klageschrift vorliegt, wurden den Verurteilten vorgeworfen, „Propaganda, mit dem Ziel, die Volksregierung zu verleumden und zu beschimpfen, betrieben und Dokumente und Kulturgüter mit oppositionellem Inhalt gegen den sozialistischen Staat Vietnam hergestellt, gehortet und in Umlauf gebracht zu haben.“ Unter diesen Dokumenten seien welche, durch die die Situation der Religionsfreiheit in Vietnam verleumdet würde. Die vietnamesische Oberste Staatanwaltschaft der Provinz Thua Thien und Hue sah in den Aktivitäten von Pater Ly eine systematische; oppositionelle Arbeit gegen den Staat und Pater Ly als Drahtzieher an. Pfarrer Ly habe Interviews an reaktionäre Medien im Ausland gegeben. Er habe politisch reaktionäre Organisationen wie den Block 8406, die Progressive Partei Vietnams und den Parteiverbund Lac Hong mit dem Ziel gegründet, ein „Gegengewicht“ zum vietnamesischen Staat zu bilden. Gegengewicht, so die IGFM, ist die gängige Umschreibung des Begriffs Opposition, den die vietnamesische Regierung konsequent zu meiden versucht, um die Existenz Oppositioneller nicht zugeben zu müssen.
Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Angehörige der Angeklagten durften an der Verhandlung nicht teilnehmen. Ob den Angeklagten ein Pflichtverteitiger zu zugeteilt wurde, ist nicht bekannt.
Die Angeklagten Nguyen Phong, Nguyen Binh Thanh, Hoang Thi Anh Dao und Le Thi Le Hang hatten in der Verhandlung ausgesagt, daß sie während der Inhaftierung zwischen dem 16. und 19. Februar gefoltert worden seien. Sie seiem am Schlafen gehindert worden und hätten nichts zu Essen bekommen. Unter diesen Umständen haben sie ihre Geständnisse gemacht. Vor dem Gericht widerriefen sie ihre Geständnisse. Der Vorsitzende der Progressiven Partei Vietnams (PPV), Nguyen Phong, hatte während seiner Haft die Auflösung der PPV angeordnet, die Zusammenarbeit mit der oppositionellen Partei „Für das Volk“ aufgekündigt und Pfarrer Ly als „Drahtzieher“ der PPV angezeigt.
In Vietnam sind alle Parteien außer der offiziellen kommunistischen Partei verboten.
(Jens Falk)