In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ erklärte der Geheimdienst-Experte Isakowicz-Zaleski, Wielgus sei nicht nur ein kleiner Kollaborateur gewesen. Er habe „sehr wohl gewußt, welche Art von Zusammenarbeit er ausübte“, sagte der Krakauer Geistliche. Wenn jemand für die Spitzeltätigkeit im Ausland angeworben wurde und über 20 Jahre in der Kartei des Geheimdienstes geführt wird, zeigt das, daß er ein wichtiger Agent war.
Der Priester widersprach damit ausdrücklich Jozef Glemp, der Zweifel an der Verläßlichkeit der belastenden Akten geäußert hatte. „Für mich sind die Dokumente sehr ernst zu nehmen, auch wenn sie nicht wie das Evangelium gelesen werden dürfen“, so Isakowicz-Zaleski. Er habe bei seinen Archivstudien zwar Ungenauigkeiten oder Lücken aber niemals Fälschungen festgestellt.
Über die Lage der polnischen Kirche besorgt
Die Zeitung „Rzeczpospolita“ veröffentlichte auf ihrer Internetseite einen offenen Brief, den auch bekannte Persönlichkeiten unterzeichneten. Darin heißt es: „Das Böse zu verbergen oder seine Bedeutung herunterzuspielen schadet der Kirche und dem öffentlichen Leben, mit dem die Kirche seit ewigen Zeiten verbunden ist, enorm. Die Wahrheit zu bekennen schadet dem Sünder nicht. Ganz im Gegenteil: Dieses Bekenntnis wäre ein Beweis dafür, daß er seine eigene Schwachheit überwunden hat und eine Stärkung für ihn und seine Brüder.“ Bis zum heutigen Mittag haben fast 1400 Personen den Brief unterzeichnet.
Mittlerweile wird auch über das Ziel der Geheimdienstaktion „Primas“ spekuliert.
Während Pater Tadeusz Isakowicz-Zaleski sagte, er kenne mindestens einen der Namen hinter den zwölf Decknamen, erklärt der Historiker der Krakauer Filiale des Instituts für das Nationale Gedächtnis (IPN), Marek Lasota, ein Ziel sei es gewesen, Wojtyla und Wyszynski zu entzweien. Das soll aber keinen Erfolg gehabt haben.
Die Zeitung „Dziennik“ schreibt, die Staatsicherheit versuchte, ihre Agenten in der Umgebung von zwei für sie als gefährlich eingestuften Kardinälen zu plazieren: bei dem 1981 verstorbenen Primas Stefan Wyszynski und beim Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla, dem späteren Papst Johannes Paul II.
Zur gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche in Polen sagte Isakowicz-Zaleski: „Das ist erst der Anfang der Besserung nach einer 16 Jahre lang nicht geheilten Krankheit.“ In seinem Buch über die Agenten in der Kirche, das bald veröffentlicht werden wird, will er vier Namen von Angehörigen der heutigen Bischofskonferenz nennen, die mit dem Staatsicherheitsdienst zusammengearbeitet haben sollen.