Zelebrationsrichtung: Papst Franziskus stoppt Vorstoß von Kardinal Sarah


(Rom) Papst Fran­zis­kus äußer­te sich zwar nicht per­sön­lich, son­dern ließ den schei­den­den Vati­kan­spre­cher und sei­nen Hof­va­ti­ka­ni­sten für sich spre­chen. Dar­aus ergibt sich den­noch ein ziem­lich kla­res Bild, daß das argen­ti­ni­sche Kir­chen­ober­haupt den Vor­stoß von Kar­di­nal Robert Sarah zugun­sten einer „Reform der Lit­ur­gie­re­form“ nicht goutierte.

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Kar­di­nal Robert Sarah, der Prä­fekt der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung, for­dert seit ver­gan­ge­nem Früh­jahr mit Nach­druck, die mit der ersten Lit­ur­gie­re­form von 1965 geän­der­te Zele­bra­ti­ons­rich­tung wie­der auf­zu­ge­ben. Statt der Zele­bra­ti­on ver­sus popu­lum hält der Kar­di­nal­prä­fekt die Zele­bra­ti­on ad ori­en­tem, das bedeu­tet in Rich­tung des wie­der­keh­ren­den Herrn für wesent­lich, um die ver­lo­ren­ge­gan­ge­ne Sakra­li­tät der hei­li­gen Lit­ur­gie wie­der­zu­ge­win­nen, aber auch für die Gene­sung der Katho­li­schen Kirche.

Im Mai sag­te der Kar­di­nal: Da man sich in der Hei­li­gen Mes­se und beim Gebet an Gott wen­de, sei es „essen­ti­ell, daß der Prie­ster und die Gläu­bi­gen gemein­sam nach Osten blicken. Das ent­spricht exakt dem, was die Kon­zils­vä­ter wünschten“.

In Lon­don lau­te­te die Kern­aus­sa­ge sei­ner Aus­füh­run­gen bei der Tagung Sacra Lit­ur­gia 2016:

„Es ist sehr wich­tig, daß wir so bald wie mög­lich zu einer gemein­sa­men Gebets­rich­tung von Gläu­bi­gen und Prie­stern zurück­keh­ren – Rich­tung Osten oder wenig­stens Rich­tung Apsis – zum wie­der­kom­men­den Herrn hin.“

Kardinal Sarahs Stich ins Wespennest

Für man­che Bischö­fe und Kar­di­na­le war es ein Stich ins Wes­pen­nest, als der afri­ka­ni­sche Kar­di­nal­prä­fekt am ver­gan­ge­nen 5. Juli sei­ne Auf­for­de­rung wie­der­hol­te und zugleich sogar ein kon­kre­tes Datum zu deren Umset­zung nann­te: den Ersten Advents­sonn­tag 2016. Genau so hält es bereits seit 2014 der Bischof von Lin­coln im US-Bun­des­staat Nebras­ka. Bischof Joseph Con­ley zele­brier­te in den bei­den ver­gan­ge­nen Jah­ren den gan­zen Advent hin­durch, im Geden­ken an die Fleisch­wer­dung Got­tes und als Aus­druck der christ­li­chen Sehn­sucht Sei­ner Wie­der­kunft, alle Hei­li­gen Mes­sen ad Deum mit Zele­bra­ti­ons­rich­tung Osten.

Zugleich for­der­te Bischof Con­ley die Prie­ster sei­nes Bis­tums auf, sei­nem Bei­spiel zu fol­gen und den Gläu­bi­gen die Bedeu­tung der Zele­bra­ti­ons­rich­tung zu erklä­ren. Schon im ersten Jahr folg­ten 40 Pro­zent aller Pfar­rei­en dem bischöf­li­chen Vor­bild. Nur am Ran­de sei erwähnt, daß das Bis­tum Lin­coln weder Mini­stran­tin­nen kennt noch an Beru­fungs­man­gel lei­det. Zwei Din­ge, die für die die Diö­ze­san­ver­ant­wort­li­chen in ursäch­li­chem Zusam­men­hang stehen.

Wie Bischof Con­ley weist auch Kar­di­nal Sarah auf Miß­ver­ständ­nis­se hin, die sich im Zusam­men­hang mit der Lit­ur­gie­re­form ein­ge­schli­chen und das lit­ur­gi­sche Ver­ständ­nis in der Kir­che kor­rum­piert hät­ten. Dazu gehört die irri­ge Mei­nung, der Prie­ster keh­re bei der Zele­bra­ti­on ad ori­en­tem den Gläu­bi­gen den Rücken zu, voll­zie­he also eine abwei­sen­de, für man­che sogar abschät­zi­ge Geste gegen­über dem gläu­bi­gen Volk. In Wirk­lich­keit, so Kar­di­nal Sarah, ste­he der Prie­ster stell­ver­tre­tend für das gesam­te gläu­bi­ge Volk vor die­sem und wen­de sich im Namen des Vol­kes an Gott.

Helle Aufregung in höchsten Kirchenkreisen bis hinauf zum Papst

Die Auf­for­de­rung des Kar­di­nal­prä­fek­ten schreck­te ver­schie­de­ne Kir­chen­ver­tre­ter auf höch­ster Ebe­ne auf, sogar auf aller­höch­ster Ebe­ne. Dar­auf deu­tet der Arti­kel des päpst­li­chen Hof­va­ti­ka­ni­sten Andrea Tor­ni­el­li hin. Tor­ni­el­li schrieb am Mon­tag „Meß­ze­le­bra­ti­on: kei­ne Ände­rung der Altä­re“. Der Titel geht bereits ans Eingemachte.

Mit der Ände­rung der Zele­bra­ti­ons­rich­tung, wie sie Kar­di­nal Sarah unter Beru­fung auf die fast 2000jährige Tra­di­ti­on der Kir­che und das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil for­dert, könn­ten nach einem hal­ben Jahr­hun­dert die ver­wai­sten Hoch­al­tä­re wie­der­ent­deckt und wie­der ihrer eigent­li­chen Funk­ti­on zuge­führt wer­den. Gleich­zei­tig wür­den die erst mit der Lit­ur­gie­re­form ein­ge­füg­ten „Volks­al­tä­re“ über­flüs­sig oder müß­ten zum Teil ver­setzt werden.

Das erklärt die Auf­re­gung, die seit Anfang Juli herrscht. Eine Auf­re­gung, die bis zu Papst Fran­zis­kus hinaufreicht.

Kardinal Robert Sarah
Kar­di­nal Robert Sarah

Tor­ni­el­li, der als inof­fi­zi­el­ler Papst­spre­cher gilt, bemüh­te sich in sei­nem Arti­kel abzu­wie­geln. Die Auf­for­de­rung von Kar­di­nal Sarah sei mehr eine „Ein­la­dung“ gewe­sen. Sie sei im Rah­men einer Tagung aus­ge­spro­chen wor­den und daher „kein offi­zi­el­les Doku­ment“. Tor­ni­el­li mach­te den­noch, wenn auch ten­den­zi­ös, die glo­ba­le Bedeu­tung des Sarah-Vor­sto­ßes deutlich:

„Die Wor­te von Sarah gin­gen um die Welt und fan­den begei­ster­te Unter­stüt­zung durch soge­nann­te tra­di­tio­na­li­sti­sche Inter­net­sei­ten und Blogs, auch weil der Kar­di­nal hin­zu­ge­fügt hat­te, in Über­ein­stim­mung mit dem Papst eine Stu­die ein­zu­lei­ten, um zu einer ‚Reform der Lit­ur­gie­re­form‘ zu gelan­gen, um die Sakra­li­tät des Ritus zu verbessern.“

Die Stu­die sei wich­tig, so Kar­di­nal Sarah ver­gan­ge­ne Woche in Eng­land, weil es sich gezeigt habe, daß eini­ge lit­ur­gi­sche Refor­men „nach dem Zeit­geist“, aber „im Wider­spruch zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil“ zusam­men­ge­stellt wor­den sei­en. Damit hät­ten sich „lit­ur­gi­sche Irr­tü­mer“ ein­ge­schli­chen. Eine schwer­wie­gen­de Fest­stel­lung, die eigent­lich eine Reak­ti­on des Pap­stes ver­lan­gen würden.

Kardinal gegen Kardinal und die „Reform der Reform“

Die Auf­re­gung war so groß, daß Kar­di­nal Vin­cent Nichols, der Erz­bi­schof von West­min­ster, in des­sen Diö­ze­se die Tagung statt­fand, bei der Kar­di­nal Sarah sei­ne Auf­for­de­rung geäu­ßert hat­te, umge­hend einen Brief an die Prie­ster sei­nes Bis­tums schrieb, mit dem er sie auf­for­der­te, der Auf­for­de­rung von Kar­di­nal Sarah nicht zu fol­gen. Er begrün­de­te sei­ne Ver­wei­ge­rung unter ande­rem mit „gel­ten­den Bestimmungen“.

Die Unru­he erfaß­te daher schnell auch Papst Fran­zis­kus, der Kar­di­nal Sarah nach des­sen Rück­kehr aus Lon­don sofort zu sich zitier­te. Über den Inhalt der Audi­enz ist nichts bekannt. Er kann auf­grund der wei­te­ren Ereig­nis­se nur erahnt werden.

Gestern, 11. Juli, nahm Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ zum Sarah-Vor­stoß Stellung.

Lom­bar­di habe, so sekun­dier­te Tor­ni­el­li, des­sen Arti­kel eben­falls gestern erschien, „offen­sicht­lich eine mit dem Papst und dem Kar­di­nal ver­ein­bar­te Erklä­rung“ zur Zele­bra­ti­ons­rich­tung abge­ge­ben.  Letz­te­res wird in Rom aller­dings bezwei­felt. Laut Lom­bar­di habe es sich bei der Auf­for­de­rung von Kar­di­nal Sarah an die Prie­ster um „ein Miß­ver­ständ­nis“ gehandelt.

Deut­li­cher for­mu­lier­te Tor­ni­el­li: Mit der Erklä­rung sei „die Bedeu­tung der Sarah-Ein­la­dung demon­tiert“ und auch der Aus­druck „Reform der Reform“ zurück­ge­wie­sen wor­den, Der päpst­li­che Hof­va­ti­ka­nist ver­gaß nicht, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß die­ser Aus­druck eigent­lich von Papst Bene­dikt XVI. stammt. Kryp­tisch fügt er hin­zu, daß Bene­dikt XVI. die „Reform der Reform“ jedoch „auf­ge­ge­ben“ habe, womit eigent­lich nur des­sen uner­war­te­ter Amts­ver­zicht gemeint sein kann, der sich für den deut­schen Papst – folgt man dem bis­her Bekann­ten – bereits im Frühjahr/​Sommer 2012 abge­zeich­net hatte.

Der an liturgischen Fragen „desinteressierte“ Papst Franziskus stoppt Kardinal Sarah

Mit ande­ren Wor­ten: Papst Fran­zis­kus, der als lit­ur­gisch „des­in­ter­es­siert“ gilt, war über den Vor­stoß von Kar­di­nal Sarah alles ande­re als glück­lich und mehr noch: Er kann den lit­ur­gi­schen Wün­schen des dafür zustän­di­gen Kar­di­nal­prä­fek­ten nichts abge­win­nen. Wäre Fran­zis­kus lit­ur­gisch tat­säch­lich „des­in­ter­es­siert“, hät­te er auf den Sarah-Vor­stoß nicht so schnell und so abwei­send reagiert.

Die offi­ziö­se päpst­li­che Bot­schaft an Bischö­fe und Prie­ster lau­tet: Die von Kar­di­nal Sarah geäu­ßer­te Auf­for­de­rung wird von Fran­zis­kus weder unter­stützt noch ist sie von ihm gewünscht.

Eines „wur­de damit bestä­tigt“, so die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Sei­te Mes­sa in Lati­no:

„Die aktu­el­le Füh­rungs­klas­se der Katho­li­schen Kir­che, durch die homo­ge­ni­sie­ren­de Wir­kung der pro­te­stan­ti­sie­ren­den Lit­ur­gie­re­for­men von 1965/​1969 bereits der Sakra­li­tät ent­wöhnt, wird sich mit Nach­druck gegen alle wirk­lich katho­li­schen Wesens­merk­ma­le der hei­li­gen Zele­bra­ti­on wehren“.

Es sei „kein Pes­si­mis­mus“ gewe­sen, „wenn wir kei­nen Augen­blick an den Erfolg von Kar­di­nal Sarahs Vor­stoß geglaubt haben“, so Mes­sa in Lati­no weiter.

„Die Kir­chen­ge­schich­te der bei­den ver­gan­ge­nen Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. hat es gelehrt, daß die soge­nann­te ‚Reform der Lit­ur­gie­re­form‘ erst dann umge­setzt wer­den wird, wenn die der­zei­ti­ge Füh­rungs­klas­se der Kir­che aus bio­lo­gi­schen Grün­den durch eine neue Prie­ster­ge­ne­ra­ti­on abge­löst wird, die weni­ger ideo­lo­gi­siert und weni­ger von den kirch­li­chen 68er-Posi­tio­nen der ‚Revo­lu­ti­ons-Kir­che‘ bestimmt sein wird, die fast schon über­wun­den schie­nen, aber in jüng­ster Zeit wie­der uner­war­tet neue Mode gewor­den sind.“

Der Vor­stoß von Kar­di­nal­prä­fekt Robert Sarah sei den­noch nicht umsonst gewe­sen, denn er ste­he als Mah­nung im Raum, was der zustän­di­ge römi­sche Dik­aste­ri­en­lei­ter im Jahr 2016 in Sachen Lit­ur­gie für drin­gend not­wen­dig erachtete.

Kar­di­nal Sarah war es auch, der in Lon­don klar­ge­stellt hat­te, daß die Hei­li­ge Mes­se nicht der Moment sei, in dem die Prie­ster ihre per­sön­li­chen Vor­lie­ben nach Geschmack aus­zu­üben könnten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider/​MiL (Screen­shot)

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2 Kommentare

  1. Ein ganz herz­li­ches Vergelt’s Gott an Robert Kar­di­nal Sarah für sei­nen muti­gen Vorstoß!

  2. Ich fra­ge mich ob das noch die Kir­che JESU CHRISTI ist, in der alles Hei­li­ge sofort in den Boden gestampft, wäh­rend Unmo­ral und Sün­de gefei­ert wird??!!!

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