Papst Franziskus fällt verfolgten Christen in den Rücken – „Mir gefällt es nicht, wenn man von Genozid an den Christen spricht“


Papst Franziskus: Geschwätz ist Terrorismus und zerstört mehr als Selbstmordattentäter
Papst Franziskus: Geschwätz ist Terrorismus und zerstört mehr als Selbstmordattentäter

(Rom) Am ver­gan­ge­nen 8. Juni star­te­te das katho­li­sche Hilfs­werk Kir­che in Not – Ita­li­en (KiN) eine Sen­si­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gne, mit der das Par­la­ment auf­ge­for­dert wird, die blu­ti­ge Ver­fol­gung, Ver­trei­bung und Ermor­dung der Chri­sten in Syri­en und im Irak als Völ­ker­mord anzu­er­ken­nen. Ganz anders sieht es Papst Fran­zis­kus, er des­avou­ier­te die Initia­ti­ve und fiel den ver­folg­ten Chri­sten im Nahen Osten und in ande­ren Tei­len der Welt in den Rücken.

Anzei­ge

Am ver­gan­ge­nen 29. April wur­de der berühm­te Tre­vi-Brun­nen in Rom von Kir­che in Not in ein blut­ro­tes Licht getaucht, das Blut der christ­li­chen Mär­ty­rer. Mit die­ser spek­ta­ku­lä­ren Akti­on woll­te das Hilfs­werk auf das Lei­den der ver­folg­ten Chri­sten in der Welt, beson­ders im Nahen Osten, in Paki­stan und in Nige­ria, auf­merk­sam machen. Ver­tre­ter der ver­folg­ten Chri­sten, dar­un­ter Bischö­fe des Nahen Ostens und der Bru­der des ermor­de­ten paki­sta­ni­schen Min­der­hei­ten­mi­ni­sters Shah­baz Bhat­ti dank­ten für die­se Solidarität.

Die Kam­pa­gne wur­de in Zusam­men­ar­beit mit der Tages­zei­tung Il Foglio gestar­tet. Im Inter­net wird die Akti­on in den sozia­len Netz­wer­ken unter #Defi­nia­mo­lo­Geno­ci­dio (Bezeich­nen wir es als Völ­ker­mord) beworben.

Kar­di­nal Jean-Lou­is Tauran, der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Rats für den inter­re­li­giö­sen Dia­log bestä­tig­te am 10. Juni gegen­über der Pres­se­agen­tur ADN­Kro­nos, daß die Chri­sten im Nahen Osten einem Völ­ker­mord aus­ge­setzt sind. Wört­lich sag­te der Kurienkardinal:

„Ja, ich stim­me sub­stan­ti­ell der Ein­schät­zung zu, das, was den Chri­sten im Nahen Osten – beson­ders in Syri­en und im Irak – geschieht, als Geno­zid zu bewerten.“

Kardinal Tauran: „Offensichtlich gibt es einen Aktionsplan, das Christentum im Nahen Osten auszulöschen“

Kardinal Tauran: "Aktionsplan zur Auslöschung des Christentums im Nahen Osten"
Kar­di­nal Tauran: „Akti­ons­plan zur Aus­lö­schung des Chri­sten­tums im Nahen Osten“

Gleich­zei­tig gab der Kar­di­nal bekannt, die Sen­si­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gne von Kir­che in Not zu unter­stüt­zen. Wei­ters sag­te der Kardinal:

„Im Nahen Osten wer­den die Chri­sten getö­tet, bedroht, zum Schwei­gen gebracht oder ver­trie­ben, und die Kir­chen wer­den zer­stört oder ris­kie­ren, in Muse­en umge­wan­delt zu werden“.

Der Kuri­en­kar­di­nal warn­te davor, daß das Chri­sten­tum nach bald 2000 Jah­ren an den Orten sei­nes Ursprungs zu ver­schwin­den droht.

„1910 waren mehr als 20 Pro­zent der Bevöl­ke­rung des Nahen Ostens Chri­sten. Heu­te sind es weni­ger als vier Pro­zent … Offen­sicht­lich gibt es einen Akti­ons­plan, das Chri­sten­tum im Nahen Osten aus­zu­lö­schen, und das kann man Geno­zid nen­nen oder zumin­dest einem Geno­zid gleichsetzen.“

Was der Kar­di­nal nicht sag­te: Den Westen scheint das Ende des Chri­sten­tums im Nahen Osten am wenig­sten zu kümmern.

Papst-Vertrauter Forte: „Es ist eine Pflicht, den Genozid anzuerkennen“

Am sel­ben Tag schloß sich auch ein enger Mit­ar­bei­ter von Papst Fran­zis­kus, Erz­bi­schof Bru­no For­te von Chie­ti-Vas­to, die­ser Ein­schät­zung an:

„Es ist eine Pflicht, den Geno­zid anzu­er­ken­nen. Man kann nicht schwei­gen ange­sichts der Barbarei.“

Die Tages­zei­tung Il Foglio titel­te daher am 10. Juni: „Auch für den Vati­kan ist es Völkermord“.

Ent­spre­chen­de Reso­lu­tio­nen wur­den in der jüng­sten Ver­gan­gen­heit bereits vom Reprä­sen­tan­ten­haus des US-Kon­gres­ses und dem Unter­haus des bri­ti­schen Par­la­ments beschlos­sen. Mehr als vier Jah­re dau­er­te die Chri­sten­ver­fol­gung, bis sich auch das Euro­päi­sche Par­la­ment durch­rin­gen konn­te, die­ses Ver­bre­chen zumin­dest teil­wei­se anzu­er­ken­nen. Am ver­gan­ge­nen 4. Febru­ar ver­ab­schie­de­te das Euro­päi­sche Par­la­ment eine Reso­lu­ti­on, mit der die Ver­fol­gung der reli­giö­sen Min­der­hei­ten im Irak, dar­un­ter nament­lich der Chri­sten, als Geno­zid aner­kannt wur­de. Schön­heits­feh­ler der Straß­bur­ger Geno­zid-Reso­lu­ti­on ist, daß sie sich nur auf den Irak bezieht, nicht aber auf Syri­en, obwohl die Chri­sten dort der­sel­ben grau­sa­men Ver­fol­gung durch den Isla­mi­schen Staat (IS) und ande­re Isla­mi­sten aus­ge­setzt sind.

Der Deut­sche Bun­des­tag erkann­te am 3. Juni, 100 Jah­re nach dem Ver­bre­chen, den Völ­ker­mord an den Arme­ni­ern an, und ließ die Bezie­hun­gen zur Tür­kei auf den Null­punkt fal­len. Eine wich­ti­ge, wenn auch ver­spä­te­te Ent­schei­dung zugun­sten der histo­ri­schen Wahr­heit. Zur aktu­el­len Ver­fol­gung der Chri­sten im Nahen Osten nahm der Bun­des­tag noch nicht Stel­lung. Im Zusam­men­hang mit der Arme­ni­er-Reso­lu­ti­on wur­de daher die Fra­ge gestellt, ob es auch 100 Jah­re dau­ern wer­de, bis die gera­de statt­fin­den­de Chri­sten­ver­fol­gung in Syri­en und im Irak aner­kannt werde.

Papst Franziskus: „Es gefällt mir nicht, wenn man von einem Genozid an den Christen spricht“

Universitätskolleg Villa Nazareth in Rom
Uni­ver­si­täts­kol­leg Vil­la Naza­reth in Rom

Die Vor­stel­lung, die Aus­lö­schung der Chri­sten im Irak und in Syri­en als Völ­ker­mord zu bezeich­nen, gefällt aber dem Papst offen­bar nicht. Fran­zis­kus gab unver­hüllt zu ver­ste­hen, daß die Stel­lung­nah­men sei­ner Mit­ar­bei­ter nicht sei­ner Mei­nung und damit der offi­zi­el­len Linie des Hei­li­gen Stuhls entsprechen.

Das gab das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt am ver­gan­ge­nen Sams­tag zu ver­ste­hen, als er das Stu­den­ten­heim Vil­la Naza­reth in Rom besuch­te. Auf die Fra­ge eines Stu­den­ten ant­wor­te­te Papst Franziskus:

„Es gefällt mir nicht, wenn man von einem Geno­zid an den Chri­sten spricht, zum Bei­spiel im Nahen Osten.“

Der Papst scheint fest den Main­stream der west­li­chen Eli­ten im Blick zu haben. Das Lei­den der ver­folg­ten Chri­sten muß dahin­ter zurück­ste­hen. Den Main­stream gab die New York Times im Herbst 2015 wie­der, indem sie es als „hyste­risch“ bezeich­ne­te, die Chri­sten des Nahen Ostens als beson­ders gefähr­det und daher beson­ders schüt­zens­wert zu betrachten.

Anfang März bekräf­tig­te die US-Regie­rung von Prä­si­dent Barack Oba­ma, daß für sie die Chri­sten­ver­fol­gung in Syri­en und im Irak „kein Völ­ker­mord“ ist, wie der Spre­cher des Wei­ßen Hau­ses, John Ear­nest, vor der Pres­se erklärte.

„Der Kamikaze hat den Mut, daß er stirbt, während das Geschwätz Bomben sind, die andere zerstören“

Über die Begeg­nung mit den Stu­den­ten berich­te­te die dem Papst sehr wohl­ge­son­ne­ne Inter­net­sei­te Faro di Roma mit dem Arti­kel: „Fran­zis­kus: ‚Ich mag weder Kir­chen mit ver­schlos­se­nen Toren noch, daß man von Chri­sten-Geno­zid spricht“.

Der Papst des­avou­ier­te nicht nur sei­ne Mit­ar­bei­ter, Kuri­en­kar­di­nal Tauran und Erz­bi­schof Bru­no For­te. Er distan­zier­te sich von der Sen­si­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gne von Kir­che in Not und fiel, was am schwer­wie­gend­sten ist, den ver­folg­ten Chri­sten im Nahen Osten und in ande­ren Welt­ge­gen­den in den Rücken. Damit nicht genug, bana­li­sier­te er in sei­ner Begrün­dung die Chri­sten­ver­fol­gung, den Ter­ror des Isla­mi­schen Staa­tes (IS) und die isla­mi­schen Selbst­mord­at­ten­tä­ter, die er mit sei­ner bereits viel­fach geäu­ßer­ten Kri­tik an Tratsch und Geschwätz gleich­setz­te. Einem kapi­ta­len Denk­feh­ler unter­liegt Papst Fran­zis­kus in sei­ner Ein­schät­zung von Selbst­mord­at­ten­tä­tern, die – wie das Wort bereits sagt – nicht nur Selbst­mör­der sind, son­dern durch ihre Atten­ta­te gezielt ande­re Men­schen – manch­mal Hun­der­te – mit in den Tod reißen.

Wört­lich sag­te der Papst:

„Die Wahr­heit ist, daß wir eine Ver­fol­gung haben, die zu den Chri­sten, zur Fül­le ihres Glau­bens führt“. Fran­zis­kus erin­ner­te in die­sem Zusam­men­hang an „die 13 ägyp­ti­schen Chri­sten, die am Strand in Liby­en ent­haup­tet wur­den. Alle star­ben mit den Wor­ten „Jesus hilf mir“. Ich bin mir sicher, daß die Mehr­zahl von ihnen nicht lesen konn­te. Sie waren Igno­ran­ten, aber Dok­to­ren der christ­li­chen Kohä­renz, des Glaubens.“

„Betrü­gen wir uns aber nicht selbst. Das blu­ti­ge Mar­ty­ri­um ist nicht die ein­zi­ge Art, Jesus zu bezeu­gen. Es gibt auch das Mar­ty­ri­um des All­tags, das Mar­ty­ri­um der Geduld in der Erzie­hung der Kin­der, in der Treue der Lie­be, wenn es ganz leicht wäre, einen ande­ren Weg zu gehen, das Mar­ty­ri­um, nicht an Klatsch und Geschwätz teil­zu­neh­men, die Ter­ro­ris­mus sind. Und immer­hin hat der Kami­ka­ze die Tap­fer­keit, daß er stirbt, wäh­rend das Geschwätz Bom­ben sind, die ande­re zer­stö­ren und nicht dich.“

Kir­che in Not – Ita­lien ver­öf­fent­lich­te ein Kurz­vi­deo zur Sen­si­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gne über die Chri­sten­ver­fol­gung im Nahen Osten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews/​CAS Italia

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!