Papst Franziskus und die Bischofsernennungen: „Er sucht nach den progressivsten Kandidaten“


Papst Franziskus und Kardinal Ouellet gehen kurz vor dem Konklave 2013 über den Petersplatz
Papst Franziskus und Kardinal Ouellet gehen kurz vor dem Konklave 2013 über den Petersplatz

(Rom) Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der römi­sche Glau­bens­prä­fekt ist nicht der ein­zi­ge Kuri­en­kar­di­nal, der von Papst Fran­zis­kus mar­gi­na­li­siert wird (sie­he Papst Fran­zis­kus und die Mar­gi­na­li­sie­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on). Das gilt auch für einen wei­te­ren „Ratz­in­ge­ria­ner“, den Fran­ko­ka­na­di­er Kar­di­nal Marc Ouel­let, Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe.
In sei­nem ersten Inter­view mit dem Athe­isten Euge­nio Scal­fa­ri , das am 1. Okto­ber 2013 in der Tages­zei­tung La Repubbli­ca ver­öf­fent­licht wur­de, sag­te Papst Fran­zis­kus mit Blick auf eini­ge Mit­glie­der der Römi­schen Kurie: „Der Hof­staat ist die Lepra des Papsttums“.

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Fran­zis­kus scheint aber „die Aus­sät­zi­gen und nicht den Aus­satz zu bekämp­fen“, so Secre­tum meum mihi. Die Tages­zei­tung Le Jour­nal de Mon­tré­al titel­te in ihrer gest­ri­gen Aus­ga­be: „Kar­di­nal Ouel­let hat nicht mehr das Ohr des Pap­stes“. Kar­di­nal Ouel­let ist als Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on für die Ernen­nun­gen der Bischö­fe zustän­dig. Sein Dik­aste­ri­um berei­tet die Bischofs­er­nen­nun­gen durch den Papst vor, holt die nöti­gen Infor­ma­tio­nen ein und emp­fiehlt Kandidaten.

Papst Franziskus „wirft Ouellets Empfehlungen in den Papierkorb“

Unter Papst Fran­zis­kus habe sich das grund­le­gend geän­dert: „Papst Fran­zis­kus hat sei­ne Emp­feh­lun­gen für die Ernen­nung neu­er Bischö­fe in den Papier­korb gewor­fen“, so die fran­ko­ka­na­di­sche Zeitung.

„Es ist beun­ru­hi­gend, weil es die Auf­ga­be von Kar­di­nal Ouel­let in Rom ist, dem Papst die Namen vor­zu­schla­gen, er aber igno­riert sie und ent­schei­det sich für ganz ande­re Kan­di­da­ten“, so der Que­becer Reli­gi­ons­spe­zia­list Alain Pronkin.

Die fran­zö­si­sche Tages­zei­tung La Croix berich­te­te vor weni­gen Tagen, daß „es bereits gesche­hen ist, daß Papst Fran­zis­kus alle drei Namen ablehn­te, die ihm von Kar­di­nal Marc Ouel­let, dem Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on vor­ge­legt wur­den, […] und selbst ande­re von sei­ner Rich­tung suchte.“

Laut dem Wochen­ma­ga­zin L’Espresso war das zum Bei­spiel bei der Neu­be­set­zung von drei wich­ti­gen Bischofs­sit­zen der Fall: von Chi­ca­go, Madrid und Sydney.

Die Ernen­nun­gen sind für Fran­zis­kus nicht nur eine Fra­ge der Eig­nung, son­dern eine Rich­tungs­fra­ge. Die wirk­li­che Revo­lu­ti­on von Papst Fran­zis­kus erfolgt durch Ernen­nun­gen.

Papst Franziskus sucht „nach den progressivsten Kandidaten“

Laut Le Jour­nal de Mon­tré­al sei es sogar „sehr sel­ten“, daß der Papst den Emp­feh­lun­gen des Kar­di­nals folgt, obwohl das des­sen Auf­ga­be ist und Kar­di­nal Ouel­let durch sei­ne Mit­ar­bei­ter den besten Über­blick über die Lage in einer Diö­ze­se hat.

Der Papst bedient sich jedoch sei­ner eige­nen Kanä­le, nicht der offi­zi­el­len, son­dern infor­mel­ler, und die kön­nen auch ganz zufäl­lig zustan­de kom­men. Laut Alain Pron­kin ist Papst Fran­zis­kus auf der Suche nach den „pro­gres­siv­sten Kan­di­da­ten“. Dafür ist er auf Emp­feh­lun­gen ange­wie­sen. Was er von Kar­di­nal Ouel­let ablehnt, akzep­tiert er aus dem Kreis sei­ner Papst-Ver­trau­ten. Mit ande­ren Wor­ten, das Glau­bens- und Kir­chen­ver­ständ­nis von Kar­di­nal Ouel­let, einem Ratz­in­ge­ria­ner, miß­fällt dem Papst.

„Ein kon­kre­tes Bei­spiel: Der Papst ist dafür, daß die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen dür­fen, Kar­di­nal Ouel­let brach­te hin­ge­gen sei­ne Ableh­nung zum Aus­druck“, so Alain Pronkin.

Das­sel­be gel­te zum The­ma Homosexualität.

Aus die­sem Grund mei­de Fran­zis­kus alles, was ihm von Kar­di­nal Ouel­let vor­ge­legt wird und ver­las­se sich lie­ber auf labi­le Zufallsempfehlungen.

Empfehlung eines progressiven Vertrauten genügt, um Bischof zu werden

Ganz zufäl­lig sei­en die­se aber nicht. Der Papst bedie­ne sich zum Teil des Jesui­ten­or­dens, um Infor­ma­tio­nen ein­zu­ho­len. Ent­schei­dend für Fran­zis­kus sei die pro­gres­si­ve Gesin­nung  des Kan­di­da­ten, die ihm durch einen Ver­trau­ten bestä­tigt wer­den müs­se. Das genügt. Der Papst brau­che dann kei­ne Dos­siers und Berich­te, wie sie ihm von der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on vor­ge­legt wer­den. Die Emp­feh­lung einer Per­son, der er ver­traut genü­ge, um jeman­den zum Bischof zu machen.

Der Erz­bi­schofs­stuhl von Chi­ca­go gehört zu den ein­fluß­reich­sten der USA. Papst Fran­zis­kus lehn­te alle drei Kan­di­da­ten ab, die ihm von Kar­di­nal Ouel­let in Zusam­men­ar­beit mit dem Apo­sto­li­schen Nun­ti­us und dem bis­he­ri­gen Erz­bi­schof Kar­di­nal Fran­cis Geor­ge vor­ge­legt wur­den. Statt­des­sen ernann­te er Bischof Blai­se Cupich, der wegen sei­ner pro­gres­si­ven Ansich­ten als größ­ter Außen­sei­ter im Epi­sko­pat der USA galt. Damit trieb Fran­zis­kus nicht nur einen Split­ter, son­dern einen regel­rech­ten Pfahl mit­ten ins Herz der katho­li­schen Kir­che in den USA. Erz­bi­schof Cupich sprach sich bereits für die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne und die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät aus.

Kurz vor sei­nem Tod sag­te Kar­di­nal Geor­ge über die Bischofs­yn­ode in Rom:

„Der Papst hat gesagt, daß er jede Fra­ge gestellt sehen will, und so geschah es, also hat er bekom­men, was er woll­te, und nun muß er das in Ord­nung brin­gen. […] Es stellt sich die Fra­ge, war­um er die­se Din­ge nicht selbst klar­stellt. War­um ist es not­wen­dig, daß Apo­lo­ge­ten die Bür­de haben, die beste Inter­pre­ta­ti­on zu fin­den? Rea­li­siert er nicht die Kon­se­quen­zen eini­ger sei­ner Stel­lung­nah­men, oder sogar sei­ner Hand­lun­gen? Rea­li­siert er nicht die Auswirkungen?“

Bekannt­lich brach­te auch das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia nicht die päpst­li­che Klar­stel­lung. Dafür sind die „Apo­lo­ge­ten“ wie­der flei­ßig unter­wegs, „die beste Inter­pre­ta­ti­on zu finden“.

Ernennungen: Hier vollzieht sich die „Revolution“ Franziskus am nachhaltigsten

Papst Fran­zis­kus arbei­te mit Akri­bie an einem neu­en per­so­nel­len Netz­werk auf der Ent­schei­dungs­ebe­ne, das die Kir­che struk­tu­rell auch über sei­nen Tod hin­aus in eine bestimm­te Rich­tung füh­ren soll. Viel­leicht sei sei­ne Per­so­nal­po­li­tik, die meist ganz im Stil­len gesche­he, sogar das wich­tig­ste Betä­ti­gungs­feld, auf dem er sei­ne Kir­chen­vi­si­on umset­ze. Hier voll­zie­he sich sei­ne „Revo­lu­ti­on“ am nachhaltigsten.

Laut Pron­kin könn­te Kar­di­nal Ouel­let dem­nächst von Papst Fran­zis­kus abge­löst wer­den. Der Fran­ko­ka­na­di­er, so Pron­kin, wäre nicht der erste hohe Kuri­en­mit­ar­bei­ter, der wegen sei­ner Kri­tik am päpst­li­chen Kurs abge­setzt wür­de. Aller­dings habe Fran­zis­kus einen Weg gefun­den, die Ernen­nung nach sei­ner Wahl zu tref­fen, obwohl die zustän­di­ge Kon­gre­ga­ti­on in der Hand von Per­so­nen ist, deren Über­zeu­gung er ablehnt. Die infor­mel­len, semi-klan­de­sti­nen Ernen­nun­gen an den offi­zi­el­len Stel­len vor­bei sei nicht nur eine Not­lö­sung, son­dern ent­spre­che wahr­schein­lich dem Natu­rell des Pap­stes und sei­ner Aver­si­on gegen Regeln und Gesetze.

Für die „Revo­lu­tio­nie­rung“ der Bischofs­er­nen­nun­gen habe es sogar Vor­tei­le, daß ein Ratz­in­ge­ria­ner wei­ter­hin offi­zi­ell an der Spit­ze der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on steht. Das erwecke in der Kir­che den Ein­druck, daß es ein aus­glei­chen­des Gegen­ge­wicht gebe, das es in Wirk­lich­keit aber nicht gibt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL (Screen­shot)

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