Lob für Martin Luther im Petersdom: „Er hat Wahrheit wieder ans Licht gebracht“


Papst Franziskus lauscht der Karfreitagspredigt Cantalamessas
Papst Franziskus lauscht der Karfreitagspredigt vpm P. Raniero Cantalamessa

(Rom) Die Kar­frei­tags­pre­digt im Peters­dom hielt, in Anwe­sen­heit von Papst Fran­zis­kus, auch 2016 der Päpst­li­che Haus­pre­di­ger Pater Ranie­ro Can­tal­am­es­sa OFMCap. Der bekann­te Kapu­zi­ner ver­kün­de­te dabei den katho­li­schen Chri­sten Erstaun­li­ches. Das „Ver­dienst“ Mar­tin Luthers sei es, die „Wahr­heit“ über die „Gerech­tig­keit Got­tes“ wie­der „ans Licht gebracht zu haben“. 

Luthers „Verdienst“ und die kirchenpolitische Ökumene-Agenda Roms

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Vor Luther hat­te die Kir­che „jahr­hun­der­te­lang den Sinn dafür ver­lo­ren“. Die­se Wie­der­ent­deckung die­ser Wahr­heit „ist es im Wesent­li­chen, was die Chri­sten­heit der Refor­ma­ti­on ver­dankt“. Dabei erin­ner­te Can­tal­am­es­sa an die „Fünf­hun­dert­jahr­fei­er“ der „Refor­ma­ti­on“, die „nun bald ansteht“. Gleich­zei­tig zitier­te der Päpst­li­che Haus­pre­di­ger Luther, der von die­ser Wie­der­ent­deckung, sei­nem „Ver­dienst“ für die Chri­sten­heit, schrieb: „Da fühlt ich mich wie ganz und gar neu gebo­ren und durch offe­ne Tore trat ich in das Para­dies selbst ein.“
Can­tal­am­es­sa behaup­te­te dem­nach im Bei­sein des Pap­stes und in dem von Luther mas­siv bekämpf­ten Neu­bau des Peters­do­mes, daß Mar­tin Luther erst eine in der katho­li­schen Kir­che ver­lo­ren­ge­gan­ge­ne Wahr­heit ans Licht brach­te, durch die der Christ „neu­ge­bo­ren“ wird und „durch offe­ne Tore in das Para­dies selbst ein­tritt“. Can­tal­am­es­sa sag­te damit nicht nur, daß die Refor­ma­ti­on berech­tigt war, son­dern daß Luther mehr Licht und Wahr­heit besaß als die Katho­li­sche Kir­che. Mehr Lob für sei­ne Per­son und die „Refor­ma­ti­on“ könn­te sich Luther aus katho­li­schem Mun­de nicht wünschen.
Die Kar­frei­tags­pre­digt Can­tal­am­es­sas sagt jedoch mehr über die der­zei­ti­ge öku­me­ni­sche Kir­chen­po­li­tik Roms aus als über die histo­ri­schen und theo­lo­gi­schen Fakten.

Katholische Kirche hatte vor Luther „jahrhundertelang“ eine Wahrheit „verloren“?

Wört­lich sag­te Cantalamessa:

Doch von alle­dem ver­steht man nichts, wenn man nicht zuerst begreift, was der Aus­druck „Gerech­tig­keit Got­tes“ eigent­lich bedeu­tet. Wenn man von der Gerech­tig­keit Got­tes spre­chen hört und die­se miß­ver­steht, dann läuft man Gefahr, sich von ihr abschrecken zu las­sen, statt sich ermu­tigt zu füh­len. Bereits Augu­sti­nus hat­te dar­auf hin­ge­wie­sen: „Die Gerech­tig­keit Got­tes“, schrieb er, „ist, daß wir durch sei­ne Gna­de gerecht wer­den, genau wie die ‚Ret­tung des Herrn‘ (salus Domi­ni) (Psalm 3,9) die ist, durch die Gott uns ret­tet.“ [1]Augu­sti­nus, Geist und Buch­sta­be, 32,56 (PL 44, 237)  In ande­ren Wor­ten: Die Gerech­tig­keit Got­tes ist der Akt, durch den er jene Men­schen, die an sei­nen Sohn glau­ben, gerecht und ihm gefäl­lig macht. Es geht also nicht dar­um, „sich Gerech­tig­keit zu ver­schaf­fen“, son­dern „Gerech­te zu schaffen“.

Luther kommt der Ver­dienst zu, die­se Wahr­heit wie­der ans Licht gebracht zu haben, nach­dem die christ­li­che Ver­kün­di­gung jahr­hun­der­te­lang den Sinn dafür ver­lo­ren hat­te. Das ist es im Wesent­li­chen, was die Chri­sten­heit der Refor­ma­ti­on ver­dankt, deren Fünf­hun­dert­jahr­fei­er nun bald ansteht. Über die­se Ent­deckung schrieb der Refor­ma­tor spä­ter: „Da fühl­te ich mich wie ganz und gar neu gebo­ren und durch offe­ne Tore trat ich in das Para­dies selbst ein“. [2]Mar­tin Luther, Vor­re­de zu den latei­ni­schen Schrif­ten, Wei­mar, 54, S.186

2013 forderte Cantalamessa „Trennwände“ zwischen den „verschiedenen christlichen Kirchen“ und „Überbleibsel der Rituale“ zu beseitigen

Bereits bei sei­ner ersten Kar­frei­tags­pre­digt am 29. März 2013 war Can­tal­am­es­sa durch umstrit­te­ne Äuße­run­gen zur Öku­me­ne und der Ein­heit der christ­li­chen Gemein­schaf­ten auf­ge­fal­len. Wört­lich sag­te der Päpst­li­che Haus­pre­di­ger damals:

„Wir müs­sen unser Mög­lich­stes tun, damit die Kir­che immer weni­ger jenem kom­pli­zier­ten Palast ähnelt, den Kaf­ka beschreibt, und ihre Bot­schaft frei und freu­dig aus ihr hin­aus kom­men kann, genau wie in ihrer Früh­zeit. Wir ken­nen die Hin­der­nis­se, die den Boten auf­hal­ten kön­nen: die Trenn­wän­de, ange­fan­gen bei denen, die die ver­schie­de­nen christ­li­chen Kir­chen von­ein­an­der tren­nen; dann ein Über­maß an Büro­kra­tie, die Über­bleib­sel der Ritua­le, Geset­ze und Strei­tig­kei­ten der Ver­gan­gen­heit, die heu­te über­holt sind.“

Der voll­stän­di­ge Wort­laut der Kar­frei­tags­pre­digt 2016 wur­de von Zenit ver­öf­fent­licht. Die Ori­gi­nal­pre­digt wur­de auf dem Video-Kanal von Radio Vati­kan ver­öf­fent­licht. Die Pre­digt Can­tal­am­es­sas in der Län­ge von 25 Minu­ten beginnt bei Minu­te 51:30 und endet bei 1:17:30.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va/OR (Screen­shot)

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1 Augu­sti­nus, Geist und Buch­sta­be, 32,56 (PL 44, 237
2 Mar­tin Luther, Vor­re­de zu den latei­ni­schen Schrif­ten, Wei­mar, 54, S.186
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