(Washington) Wenige Wochen vor Beginn der außerordentlichen Bischofssynode über die Familie ist eine Sondernummer der International Catholic Review Communio erschienen, die dem Thema der Bischofssynode „Pastorale Herausforderungen im Kontext der Evangelisierung“ gewidmet ist. Es handelt sich dabei um die in Washington erscheinende englische Ausgabe der deutschen Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio (IKaZ).
Unter dem Titel Marriage: Theological and Pastoral Considerations (Ehe: theologische und pastorale Überlegungen) sammelt die Sondernummer (Ausgabe 41.2 – Summer 2014) eine Reihe von Aufsätzen, darunter von Erzbischof Angelo Kardinal Scola von Mailand, dem Präfekten der Bischofskongregation Marc Kardinal Ouellet und anderen katholischen Persönlichkeiten, die mit dem Päpstlichen Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie verbunden sind.
Sondernummer gegen Kaspers Entkoppelungsversuch von Wahrheit und Barmherzigkeit
Die im Vorfeld der Bischofssynode öffentlich diskutierten Themen wie Geschiedenenpastoral, Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene, Homo-Beziehungen laufen Gefahr, die Schönheit des ehelichen Lebens und des mit der Eucharistie zusammenhängenden Ehesakraments zu überlagern. Die Barmherzigkeit gegenüber den wiederverheiratet Geschiedene könne keine psychologische Nachsicht sein, sondern müsse eine Hilfe aus dem Geheimnis des Kreuzes heraus sein. Der Gegensatz zwischen dem christlichen und dem derzeitigen individualistischen Denken führe zu einer verzerrten Sicht auf die Ehe, als seien nicht „Homo-Ehen“ etwas Befremdliches sondern Ehen zwischen Mann und Frau. Aufgrund dieser Feststellungen entstand mit Blick auf die bevorstehende Bischofssynode die Idee zu einer Sondernummer.
Aufsätze der Kardinäle Ouellet und Scola
Unter anderem enthält die umfangreiche Sondernummer einen Text von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1982 über die Ehe und die Eucharistie und den direkten Zusammenhang zwischen beiden Sakramenten. Entlang dieser Linie bewegen sich auch die Aufsätze der beiden Kardinäle Ouellet und Scola, indem sie die christliche Anthropologie darlegen und aufzeigen, wie aus dem Evangelium die Natur der beiden Geschlechter und die Verbundenheit zwischen Mann und Frau deutlich werden genauso wie die Verbindung zwischen den Sakramenten der Ehe und der Eucharistie. Kardinal Ouellet behandelt dabei direkter die Unmöglichkeit, wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Die Betonung liege dabei nicht auf „Strafe“, sondern in der Bekräftigung und besseren Sichtbarmachung des von Jesus Christus gestifteten Bundes.
Die Frage der Zulassung der wiederverheiratetet Geschiedenen zur Kommunion beherrschte fast die gesamte Diskussion im Vorfeld der Bischofssynode, so als sei es das einzige oder das Hauptthema der Versammlung. Dazu noch vielleicht die Homo-Seelsorge und die Erziehung von „deren“ Kindern. Dem möchte die Sondernummer von Communio entgegentreten und die Gewichte von der zeitgeistbeeinflußten tagesaktuellen Ebene auf die zeitlose, immergültige Ebene verlagern.
Konstruierter Gegensatz Formalismus versus Barmherzigkeit
In der öffentlichen Diskussion werde vielfach versucht, die Frage auf einen irrigen Gegensatz „Barmherzigkeit“ gegen „Paragraphen“ zu reduzieren. Wiederverheiratet Geschiedene und Homosexuelle werden in dieser Sichtweise als „Opfer“ eines kirchlichen „Formalismus“ dargestellt, denen die „Barmherzigkeit“ Gottes „verweigert“ werde. Die Eigenverantwortlichkeit für ein mit der Lehre der Kirche nicht übereinstimmendes Verhalten wird dabei weitgehend ausgeblendet.
So befaßt sich der Oxford-Absolvent und Kulturphilosoph Nicholas J. Healy Jr. mit dem Vorstoß von Kardinal Walter Kasper, die wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion zuzulassen, und zeigt die Grenzen dieses Vorschlags auf: die Unauflöslichkeit der Ehe, die Kasper (ausschließlich) auf der persönlichen Entscheidung des Einzelnen gegründet sehe, aber nicht – vor allem – als Werk eines Anderen; die (ausschließliche) Vorstellung in Kaspers Denken, Barmherzigkeit und Vergebung stünden außerhalb der unauflöslichen Beziehung.
Grundlage der Pastoral muß Einheit von Wahrheit und Barmherzigkeit sein
Ebenso argumentiert Pater Fabrizio Meroni (Theologische Anthropologie), wenn er betont, daß die Grundlage der Seelsorge für Ehepaare, Geschiedene, wiederverheiratet Geschiedene immer die Einheit von „Wahrheit und Barmherzigkeit“ sein müsse. Häufig, so der Autor, werde die Barmherzigkeit auf ein, zudem oft bequemes psychologisches Wohlwollen reduziert unter Ausklammerung des Leidens Christi. Die erste und wichtigste Geste der Barmherzigkeit gegenüber dem Geschiedenen ist die Beziehung zwischen der sakramentalen Ehe und dem Schmerz über ihr Zerbrechen, die eine intensive Teilhabe am Leidensgeheimnis Christi darstellt. Da das Sakrament der Eucharistie reinstes Geschenk ist, könne es nie Gegenstand von „Forderungen“ und „Ansprüchen“ sein, das gelte auch für den Wunsch wiederverheiratet Geschiedener um Zulassung zur Kommunion.
Einseitige Leidensbetonung
Der Autor unterstreicht die Einseitigkeit der Betonung des „Leidens“ von wiederverheiratet Geschiedenen, während die Leiden anderer, vor allem der Kinder, aber auch der kirchlichen Gemeinschaft ausgeklammert würden.
Einige Theologen vermitteln heute den Eindruck, die Väter der frühchristlichen Tradition seien „großzügiger“ mit den wiederverheiratet Geschiedenen umgegangen und hätten eine Zweitehe erlaubt. Ein Standpunkt, der auch von Kardinal Kasper vertreten wird. In der Sondernummer wird ein vom Jesuiten Henri Crouzel 1977 verfaßter Aufsatz nachgedruckt, der diese Behauptung wiederlegt.
Aktuelle Krise der Ehe Folge einer anthropologischen Krise
Weitere Aufsätze befassen sich neben theologischen, auch mit philosophischen und soziologischen Aspekten der Frage. David C. Schindler (Philosophische Anthropologie) zeigt auf, daß die aktuelle Krise der Institution Ehe die Folge einer anthropologischen Krise ist, in der die Freiheit des Menschen als Bindungslosigkeit definiert werde. Für die christliche Tradition sind Bindungen nicht nur essentieller Bestandteil des Menschseins und ein Geschenk, sondern bilden den Gipfel der Freiheit.
Der Moraltheologe und Familienrechtler David S. Crawford zeigt auf, daß in der Mentalität von heute auch die Ehe zwischen Mann und Frau wie eine „Homo-Ehe“ gesehen werde, das heißt, daß alles als Ergebnis einer funktionalen privaten Entscheidung des Individuums zum Zweck der individuellen Interessensbefriedigung gesehen wird. Ein über die eigene Person hinausgehendes Wohl, das Allgemeinwohl oder die Fruchtbarkeit als objektiver über das Individuum hinausragender Wert würden aus dem Denken eliminiert.
Und die deutsche Ausgabe von Communio?
Ob die Sondernummer auch in deutscher Übersetzung durch die deutsche Ausgabe von Communio erscheinen wird, darf bezweifelt werden. Die „gemischte“ Herausgeberschaft und Redaktion, der auch die Kardinäle Walter Kasper und Karl Lehmann angehören, lassen in der Frage auf eine gegenseitige „Neutralisierung“ schließen. Kardinal Kasper ist Wortführer der Position, gegen die sich die Sondernummer der englischen Communio-Ausgabe richtet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Communio
Das ist das entscheidende Argument gegen Walter Kaspers Dünnbrettbohrerei:
„Der Moraltheologe und Familienrechtler David S. Crawford zeigt auf, daß in der Mentalität von heute auch die Ehe zwischen Mann und Frau wie eine „Homo-Ehe“ gesehen werde, das heißt, daß alles als Ergebnis einer funktionalen privaten Entscheidung des Individuums zum Zweck der individuellen Interessensbefriedigung gesehen wird. Ein über die eigene Person hinausgehendes Wohl, das Allgemeinwohl oder die Fruchtbarkeit als objektiver über das Individuum hinausragender Wert würden aus dem Denken eliminiert.“ (Zitat von oben)
In vielen öffentlichen Debatten zum Thema „Homoehe“ – so z.B. auch bei Michel Friedman zwischen dem CSU-Politiker Geis (dessen Position ich schwach und rein subjektivistisch fand) und „Nina Queer“ (https://www.youtube.com/watch?v=6Wio5NFt4r0) wurde das Recht auf Ehe quasi als allgemeines „Menschen„recht betrachtet. Also: jedem Menschen steht zu, dass er „heiratet“ – also jemanden „liebt“, „heiß auf denjenigen ist“, sich rechtlich an denjenigen binden will in einem bestimmten Format. Wenn aber dann der „Zwang“ ausgeübt werde, dass das nur ein Mann und eine Frau tun dürfen, dann spreche man damit allen, die homo seien das Menschsein ab.
Diese Dramatisisierung der Fragestellung ist der Schlüssel zu allem!
Das Argument Geis‘, dass nur ein Mann und eine Frau zusammen von Natur her fruchtbar sein könnten wurde dem theoretisch möglichen Misslingen dieses Unterfangens untergepflügt – also die vielen, die keine Kinder bekommen können, sich dann doch nicht mehr „lieben“ und dass ja auch Heteros Kinder adoptieren dürfen etc.
Das Prinzip wurde nicht mehr verstanden: nämlich dass es nicht in allen Dingen des Lebens ein allgemeines Menschsein geben kann. ich sage bewusst: nicht in allen! Denn die umgekehrte Blasphemie, eine geschlechtliche Sezessionspolitik zu betreiben ist nicht die Lösung!
Wie immer man dann gerecht und vernünftig eine geschlechterfreundliche und wahrhaft jedem Ebenbild Gottes angemessene Politik betreibt, ist eine extra Frage, die man nicht mit dumpf-vulgären Antworten versehen kann.
Aber eines steht fest: die Ehe ist nicht eine Institution, in der zwei Menschen, die sich lieben, heiraten! Das betonte auch Geis. Nein: eine Ehe ist eine Institution, in der ein Mann und eine Frau – Respekt und Liebe vorausgesetzt natürlich – eine Aufgabe übernehmen, die nicht nur ihren, sondern höheren Interessen dient. Das höhere Interesse muss aus christlicher Sicht lauten, dass das Ehepaar an Gottes Schöpferkraft Anteil bekommt, indem es die Berufung hat, Nachkommen zu zeugen und aufzuziehen. Alles, was daran schön ist – die Sexualität, die Gemeinschaft, die Freude, Kinder aufwachsen zu sehen, die von einem selbst kommen, ihnen von dem, der sie geschaffen hat, zu erzählen… – all das ist kein „Menschenrecht“, sondern Geschenkt und Aufgabe!
Es ist mir aber auch wichtig zu betonen, dass dies nicht jedem gegeben ist. (Forts.)
(Forts.)
Wie ich ebenfalls in Tradikreisen zu meinem größten Schock erleben musste, wird dort ein geradezu ekelhafter Druck ausgeübt auf den einzelnen: entweder er muss heiraten oder er hat gefälligst über eine Ordensberufung nachzudenken. Ehelos zu bleiben ohne Kutte ist ein Minderstand (nein, ich übertreibe nicht – dieser Blödsinn wird tatsächlich verzapft) – man suggeriert den Leuten, sie hätten nicht lange genug darüber nachgedacht, ob sie nicht doch in einen Orden gehörten…und wer heiratet, muss möglichst bald nachweisen, dass er gewillt ist, viele Kinder zu bekommen. Alles, was in der vorkonziliaren Kirche nicht gut lief, erfreut sich fröhlicher Urständ!
Mir wurden diese Unmöglichkeiten inzwischen mehrfach und von ganz verschiedenen Menschen mitgeteilt. Und dass jeder, der vielleicht nur ein oder zwei Kinder hat, auch unter Verdacht steht, versteht sich. Dass man mit dieser plumpen Weltsicht viele zutiefst verletzt und sich v.a. an Gottes Stelle setzt, der vielleicht mit dem einen oder anderen ganz andere Pläne hat, als sich das ein Tradi in seiner Setzkastenwelt vorstellen mag, ist eine bittere Tatsache. Wer gedenkt all derer, die sich nicht in einen Ordensberuf berufen wissen, die aber auch keinen Ehepartner finden und damit unter Tränen fertigwerden müssen? Wer gedenkt derer, die gerne mehrere Kinder gehabt hätten und keine bekamen?
Wenn man also wirklich und wahrhaftig die überlieferte Lehre achten will, muss man mit einem sensiblen Thema auch sensibel und in Respekt vor Gott umgehen.
Vor allem sind die Menschen total verbildet. Viele wissen zum Beispiel nicht mehr, dass die Ehe tatsächlich nicht einfach bloß auf der „Verbindung zweier Menschen, die sich lieben“ gründet. Schon das 19. Jh hat hier die Korrdinaten total verschoben mit seiner Fiktion von romantischer und rein individueller Liebe etc.
Es wäre hier viel aufzuholen, viel klarzustellen, vieles den Menschen in Liebe wieder nahezubringen.
Die traditionalistische Holzhammermethode kann es nicht sein – die wiederholt nur die Fehler der Vergangenheit und vermischt das, was Gott will mit dem, was der Mensch in seiner Bosheit noch dazu dichtet.
Die Ehe ist Sakrament und Berufung – „Wer es fassen kann, der fasse es!“ sagte Jesus den Männern, die nicht einsehen wollten, dass sie mit Seinem Kommen nicht mehr die Herrschaft über die Frau haben, und erinnerte sie daran, dass die gute Schöpfung vorsah, dass der Mann seine Eltern verlässt, um seiner Frau zu folgen (nicht umgekehrt!). In den Pastoralbriefen wird die Abbildlichkeit der Ehe hinsichtlich Christi und Seines Leibes (Kirche) ausgesprochen, aber angedeutet, dass in ihr ein noch größeres Geheimnis ruht, das die Kirche auch immer wieder auf die Trinität gedeutet hat.
Diese Frage wird nur angemessen gelöst, wenn man sie an der Gestalt Marias orientiert – an der echten (!!!) Maria – nicht der unterwürfigen Kitschfigur, die die meisten an ihre Stelle gesetzt haben!
Man belebe die Mariologie – und die Ehe wird gerettet sein!
Danke, für Ihren Kommentar. Er enthält viele wichtige Differenzierungen, die oft untergehen und auch von der – zwar ständig geforderten – aber faktisch kaum vorhandenen Ehepastoral aufgegriffen werden sollten.