(Padua) Am 13. Juni feiert die Kirche den Gedenktag des Heiligen Antonius von Padua, einer jener herausragenden Gestalten der Kirchengeschichte und zeitgenössischer Gefährte des Heiligen Franz von Assisi. In der Minoritenbasilika von Padua befindet sich das Grab des Heiligen und dessen unverweste Zunge. Am 10. Juni findet dort eine Studientagung statt zum Thema: „Das Antlitz des Heiligen Antonius entdecken“, die mit einer besonderen Überraschung aufwartet. Um 20.45 Uhr wird eine gerichtsmedizinische Rekonstruktion des Gesichts des Heiligen präsentiert, die vom Anthropologischen Museum der Universität Padua mit Hilfe modernster Ermittlungstechniken und kriminologischer Methoden erstellt wurde.
Antonius von Padua (1195–1231), der eigentlich aus Portugal stammte, zählt zu den weltweit am meisten verehrten Heiligen der Katholischen Kirche. Von ihm existieren unzählige Darstellungen, Fresken, Ölgemälde und Statuen. Wie sah der Heilige jenseits künstlerischer Freiheit aber wirklich aus? Dieser Frage ging das Anthropologische Museum der Universität Padua in Zusammenarbeit mit dem Antonianischen Studienzentrum der Stadt nach.
Gipsabdruck des Schädels von 1981 machte Rekonstruktion möglich
„Wir haben bereits die Köpfe und Gesichtszüge verschiedener Persönlichkeiten, darunter des Dichters Francesco Petrarca, rekonstruiert. Moderne Technik macht es heute möglich, anhand des Schädels die tatsächlichen Gesichtszüge eines Menschen authentisch zu rekonstruieren“, so Nicola Carrara, Konservator des Anthropologischen Museums der Universität. „Für die Rekonstruktion hatten wird einen Gipsabdruck des Schädels des Heiligen zur Verfügung, der 1981 angefertigt wurde, als das Grab unter Aufsicht des Vatikans geöffnet wurde.“
Erste künstlerische Rekonstruktion 1995
Der Künstler Roberto Cremesini fertigte 1995 anhand des Gipsabdrucks eine Büste des Heiligen Antonius an (siehe nebenstehendes Bild). Handelt es sich dabei aber wirklich um das Gesicht des Heiligen?
„Mehr als 30 Jahre nach der Öffnung des Grabes verfügen wir über das nötigen Wissen und die nötigen Techniken, um dies zu überprüfen, und das Ergebnis unserer Arbeit ist verblüffend“, so Carrara.
An der Rekonstruktion haben maßgeblich der Archäologe Luca Bezzi des Arc-team Archaeology mitgerabeitet, das auf 3D-Rekonstruktionen spezialisiert ist. Ebenso der 3D-Designer Cicero Moraes vom Centro de Tecnologia da Informaçà£o „Renato Archer“ von Campinas in Brasilien sowie Pater Luciano Bertazzo, Direktor des Antonianischen Studienzentrums Padua. Cicero Moraes hatte „blind“ zu arbeiten, weshalb ihm nicht mitgeteilt wurde, um welchen Schädel es sich handelte. „Er sollte nicht durch die große Persönlichkeit des Heiligen beeinflußt werden“, so Carrara. „Wir teilten ihm lediglich die notwendigsten Informationen mit: männlich, 36 Jahre alt, Europäer. Das war für den brasilianischen Experten kein Problem, da im Bereich der Gerichtsmedizin immer wieder nur wenig Informationen zur Verfügung stehen.“
Brasilianische 3D-Rekonstruktion
Aus dem Abgleich mit den Datenbanken schloß Moraes bald, daß es sich um einen Iberer, genauer noch, um einen Portugiesen handeln dürfte. Die Überraschung für den Brasilianer war groß, als er nach Abschluß seiner Arbeit erfuhr, daß es sich um den in seiner Heimat sehr verehrten Heiligen aus Padua handelt: „Bei jedem Arbeitsschritt stellte ich mir dieselbe Frage: Wer ist dieser Mann. Als ich die Antwort bekam, war ich sprachlos, regelrecht sprachlos.“
Mit dem von Moraes digital erstellten Ergebnis setzte das Gerichtsmedizinische Institut für Anthropologie und Odontologie der Universität Sao Paulo die Arbeit fort und fertige einen dreidimensionalen Abdruck an. Damit wurden nach 800 Jahren Kopf und Gesicht des Heiligen erstmals wieder anschaulich.
Das auf diese Weise rekonstruierte Antlitz des Heiligen Antonius von Padua wird am 10. Juni der Öffentlichkeit vorgestellt und wird vom 12.–22. Juni in Ausstellungsräumen neben der Antoniusbasilika in Padua zu sehen sein. Ebenso, reich dokumentiert, vom 15. November 2014 bis 15. Februar 2015 im Rahmen der Ausstellung „Die vielen Gesichter des Menschheitsgeschichte“ des Anthropologischen Museums der Universität Padua.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Centro Studi Antoniani