(Brüssel) „Die Euthanasie für Kinder beschleunigt nur den Selbstmord Europas. Das ist nicht ein Recht, sondern das Ende des Rechts“, mit diesen Worten kommentierte Elio Kardinal Sgreccia, der ehemalige Präsident der Päpstlichem Akademie für das Leben den Gesetzentwurf, der im Parlament die erste Hürde genommen hat, mit dem in Belgien künftig auch Kinder euthanasiert werden sollen können.
„Der sanfte Tod dient nicht dazu, das Leiden der Kranken, sondern die Last der Gesunden zu lindern“, so der Kardinal. „Europa hat den Weg in den Autogenozid eingeschlagen. Was in Belgien geschieht, ist das Signal für einen dramatischen Verlust an Menschlichkeit, ein drastischer Rückschritt auf zivilisatorischer Ebene.“ Kardinal Sgreccia nahm damit zur Entscheidung der zuständigen Gesetzgebungskommission des belgischen Senats Stellung, der die Ausdehnung der Euthanasie auf Kinder gutgeheißen hat. Über das Gesetz müssen nun die beiden Häuser des Parlaments abstimmen. Kardinal Sgreccia sieht bereits in dieser ersten Abstimmung des Senatsausschusses einen „Sprung von unerhörter Bedenklichkeit, der die Beziehung und das Urvertrauen zwischen Erwachsenen und Kindern entmenschlicht und ein schweres Verbrechen gegen das menschliche Leben legalisiert“.
„Euthanasie dient nicht dazu die Leiden der Kranken, sondern die Last der Gesunden zu lindern“
„Die Euthanasie ist ein schweres Verbrechen. Die Behauptung, sie geschehe im Namen der „Würde der Kranken“, ist nur eine Ausrede. Niemand ist Herr über sein Leben, das wir uns ja nicht selbst geben.“ Die Berufung auf die Selbstbestimmung „ist richtig, wenn wir grundsätzlich über unsere Handlungen sprechen, für sie wir immer verantwortlich sind, aber wir sind nicht autonom, was das Leben anbelangt, denn das Leben schenken wir uns nicht selbst, sondern es wird uns geschenkt.“
„Die Euthanasie ist ein Angriff auf das Lebensrecht und auf die Gesellschaft, die, indem sie sie zuläßt, die Kontrolle über sich selbst verliert und ein schweres Verbrechen erlaubt. Und da wir über Kinder sprechen, ist das Verbrechen umso schwerer“, so der Kardinal in einem Interview für das Wochenmagazin Tempi.
Laut dem Gesetzentwurf soll ein Kind euthanasiert werden, wenn es um die Euthanasie ansucht und ein Psychologe bestätigt hat, daß es weiß, was es will. Ganz anderer Meinung ist Kardinal Sgreccia: „Die Kinder sind nicht in der Lage zu beurteilen und zu entscheiden. Kinder waren immer eine besonders beschützte Gruppe und weil sie noch nicht verantwortungsbewußt entscheiden können, dürfen sie keine Verträge unterschreiben, nicht wählen und keinen Führerschein machen. Das neue Gesetz kennt keine Altersgrenze, damit kann auch ein neugeborenes oder ein zweijähriges Kind getötet werden. Die Einfügung eines Psychologen ist doch nur ein Trick, wie in Deutschland mit dem Beratungsschein bei Abtreibungen.“
Belgisches Euthanasiegesetz „unerhörter Sprung in Richtung Entmenschlichung“
Auf die Frage, warum das ein Trick sei, antwortet der Kardinal: „Wenn jemand einen Menschen sieht, der sich von einer Brücke in den Selbstmord stürzen will, was macht er dann: holt er einen Psychologen, damit dieser feststellt, ob der angehende Selbstmörder schon weiß, was er tut? Die Entscheidung zu töten, ist immer Unrecht und das Lebensrecht ist immer mehr wert als das Gutachten eines Psychologen. Der Psychologe ist ein Trick, der einem Gesetz, das die Würde und die Freiheit des Kindes zerstört, den Anschein von Legalität und Professionalität geben soll. Hilfe zum Sterben ist aber keine wirkliche Hilfe. Einem Kind, das leidet, muß geholfen werden, es muß behandelt und gepflegt und nicht umgebracht werden.“
Das belgische Euthanasiegesetz stelle einen unerhörten Sprung in Richtung Entmenschlichung dar: „Europa ist an einem Punkt angelangt, wo es sich ernsthaft fragen muß, was es mit seinen Kindern tun will. Schon jetzt werden immer weniger Kinder geboren. In Europa sterben mehr Menschen als geboren werden. Man kann daher sagen, daß Europa den Weg in die Selbstzerstörung, in den Autogenozid eingeschlagen hat. Europas Bevölkerung stirbt aus. Wenn dann auch noch die wenigen, die geboren werden, getötet werden, wird dieser Selbstvernichtungsprozeß noch beschleunigt durch Mißbrauch am Lebensrecht und Grausamkeit. Auf diese Weise werden wir unmenschlich.“
Euthanasie kein Problem der Religion, sondern der menschlichen Existenz
Damit das Kind euthanasiert werden kann, sieht der belgische Gesetzentwurf die Zustimmung der Eltern vor. „Ja wovon reden wir denn? Eltern haben das Beste für ihr Kind zu wollen. Dazu gehört niemals dessen Tötung. Und zudem: wie viel ist vom Elternrecht heute noch übrig? Eltern stehen heute doch wegen einer Watschn schon unter Strafe und staatlicher Aufsicht. Und dann sollen sie aber das ‚Recht‘ haben, ihr Kind umbringen zu lassen? Was das Gesetz schreibt und die Realität sieht zudem ganz anders aus, wie ja gerade das geltende Euthanasiegesetz Belgiens beweist. Dieses Gesetz ist nicht nur in rechtlicher Hinsicht schwerwiegend, sondern auch vom Moralischen und Menschlichen, weil das Leben heilig ist“, so der Kardinal
Wer aber nicht religiös ist, erkennt die Heiligkeit des Lebens nicht an. „Es ist nicht nur Religion, die sich dem Gesetz widersetzt, weil sie das Leben als Geschenk Gottes betrachtet. Es ist kein Problem der Religion, sondern ein Problem des Respekts für den Menschen und das kann jeder erkennen und verstehen, denn die Infragestellung des Lebensrechts bedroht potentiell jeden. Jeder Angriff auf das menschliche Leben hat etwas Zerstörerisches und ist ein Angriff auf die menschliche Existenz insgesamt.
Euthanasie ist ein Produkt der Wegwerfgesellschaft
Es heißt, die Euthanasie sei ein Akt der Humanität, um die Leiden derer zu lindern, denen es schlecht geht. „Nein. Die Euthanasie lindert nur die Last derer, denen es gut geht. Nennen wir die Dinge doch beim Namen. Das Euthanasiegesetz ist reines Nützlichkeitsdenken der anderen: Man beseitigt einen Kranken. Das spart Kosten, Mühe, schafft wieder ein freies Bett. Das ist die Wegwerfgesellschaft. Ein kranker Mensch ist eine Belastung, er ist lästig, produziert nichts mehr, bringt keinen Ertrag, also werfe ich ihn weg. Wer gesund ist und wem es gut geht, hat sich für die Leidenden aufzuopfern. Wenn einer keine Opfer bringen will und nicht leiden will, muß er jene, die ihm am nächsten stehen, eliminieren. Genau das hat das Gesetz schon etabliert und will es noch weiter ausdehnen. Wir sollten höchst alarmiert sein über diese Entwicklung“, so Kardinal Sgreccia.
Wer nicht an Ewiges Leben glaubt, steht unter Dauerdruck
Aber woher kommt diese Entwicklung? „Die Kultur des Todes entsteht, weil man ganz egoistisch gedacht ein perfektes Leben haben will, Vorteile haben und Geld verdienen will. Es geht um den Genuß als Grundsatz. Genuß ohne Verantwortung. Aus diesem Grund ist dann eine Schwangerschaft im Weg und endet in der Abtreibung. Das Leben eines anderen ist im Weg und endet in der Zustimmung zur Euthanasie. Das eigene Leben ist kein Genuß mehr. Dahinter steckt ein schwindendes Vertrauen auf ein Ewiges Leben, ein schwindender Glauben an Gott und die Unsterblichkeit der Seele. Alles muß in dieser Welt geschehen, das schafft erhöhten Druck und wenn es nicht mehr so läuft, gibt es den Blick auf die Sinnlosigkeit preis. Wer um das ewige Leben weiß, hat diesen Druck nicht und setzt seine Energie darauf, es auch für sich zu gewinnen. Wie sagt das Zweite Vatikanische Konzil, wenn das Vertrauen in Gott schwindet, verschwindet auch der Mensch. Das Leben ist wert gelebt zu werden, weil es eine ewige Größe ist. Das schließt auch mit ein, den Tod zu akzeptieren, wenn auch natürlicherweise die Zeit gekommen ist. Da braucht es dann auch keine therapeutische Verbissenheit.“
„Gesetz als Ganzes ein Mißbrauch“ – „Euthanasie ist das Ende der Freiheit und des Rechts“
Zu den jüngsten Studien über die mißbräuchliche Anwendung des belgischen Euthanasiegesetzes, sagte der Kardinal: „Das Gesetz ist als Ganzes ein Mißbrauch, wer sollte sich dann wundern, daß zu diesem Mißbrauch noch weitere Mißbräuche hinzukommen? Es ist alles ein Mißbrauch, weil, und ich wiederhole mich, das Leben nicht uns gehört.“
Hat also nicht recht, wer behauptet, der Mensch habe ein Recht zu sterben? „Nein, die Euthanasie ist weder ein Recht noch eine Freiheit, sondern das Ende des Rechts und der Freiheit“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Segni del tempo
Genauso wie heute die Verbrechen vergangener wahrheitsfeindlicher Ideologien historisch aufgearbeitet und verurteilt werden, wird es mit den „ganz humanen“ Verbrechen von heute – getarnt im Mäntelchen der „anständigen Religion der Vernunft / Religion der Humanität“ – geschehen.
Dr. med, Gottfried Herztka ( verstorben 1997 ) schreibt im Nachwort eines Buches über die hl. Luitgard v. Wittichen – passend zum Artikel – Folgendes:
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„Man darf in den Werkplan und in die Werkstatt Gottes, welche der Mutterschoss ist, grundsätzlich nicht eingreifen.
Das war den Leuten früher selbstverständlich.
Der Fluch unserer Tage, das Gegenteil zu lehren, ist eine Herausforderung an den Himmel und wird zur gegebenen Zeit die richtige Antwort erhalten. Ich bin überzeugt , dass spätere Generationen über diese Dinge nicht anders urteilen werden als über die Juden- und Krankenmorde der Hitlerzeit“.
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